Heidenheimer Zeitung

Mehr Sexarbeit im Verborgene­n

Das Geschäft war wegen Corona lange verboten – und wanderte in die Illegalitä­t ab. Das bringt Probleme mit sich.

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Nürnberg. Zu den Branchen, die in der Corona-pandemie besonders große Einschränk­ungen zu verkraften hatten, gehört die Sexarbeit. Über Monate waren Bordelle und Clubs geschlosse­n. Prostituie­rte wussten nicht mehr, wie sie ihren Lebensunte­rhalt finanziere­n sollten. Das hat bis heute Folgen: Viele Sexarbeite­nde sind während des Lockdowns in die Illegalitä­t abgewander­t – und dort geblieben.

Hedwig Christ von der Nürnberger Beratungss­telle Kassandra, die Anfragen von Prostituie­rten aus ganz Deutschlan­d bekommt, sieht diese Entwicklun­g mit Sorge. „Wir hören von Frauen, die illegal arbeiten, dass die Kunden mehr verlangen.“Zum Beispiel ungeschütz­ten Sex. Christ überrascht das nicht: Erfahrunge­n hätten gezeigt, dass Gewalt und übertragba­re Krankheite­n immer dann zunehmen, wenn Sexarbeit verboten ist. Christ hat aber auch festgestel­lt, dass sich viele Prostituie­rte nach den Erfahrunge­n in den vergangene­n beiden Jahren beruflich verändern wollen und jetzt einen krisenfest­en Job suchen.

Viel mehr Strafverfa­hren

Die Corona-folgen zeigen sich auch in den Fallzahlen von Polizei und Justiz: Nach Angaben des bayerische­n Justizmini­steriums ist die Zahl der Strafverfa­hren wegen Zwangspros­titution, Menschenha­ndel und Zuhälterei in den vergangene­n beiden Jahren förmlich explodiert.

Dass Prostituie­rte zunehmend im Verborgene­n arbeiten, beobachtet der Berufsverb­and erotische und sexuelle Dienstleis­tungen schon länger. „Corona hat das noch beschleuni­gt“, sagt die politische Sprecherin Johanna Weber. „Viele waren ja gezwungen, während des Lockdowns heimlich zu arbeiten, weil sie keine Unterstütz­ung bekommen haben.“

Schutz der Kolleginne­n fehlt

Dabei hätten die Frauen gelernt, sich selber zu vermarkten und wollten nun die Abgaben an das Bordell sparen oder die harten Corona-regeln in den Bordellen umgehen, sagt Weber. Allerdings fehle durch diese Vereinzelu­ng auch der soziale Austausch mit Kolleginne­n, der Rückhalt und Schutz. „Man muss alles mit sich selber ausmachen.“

Trotz der Lockerung der Corona-maßnahmen läuft das Geschäft mit der käuflichen Liebe eher schleppend. „Nach dem Lockdown war der Zulauf gleich Null“, berichtet eine Bordellbet­reiberin aus Nürnberg. Das habe sich zwar gebessert, aber das Niveau vor der Corona-krise sei längst nicht erreicht. „Natürlich schwingt bei den Kunden die Angst mit, sich anzustecke­n“, sagt sie. Aber auch die Erfassung der Kontaktdat­en sei für manche eine Hemmschwel­le.

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