Reich beschenkt
Der Neue Kammerchor Heidenheim überzeugte am Tag seines 16. Geburtstags mit seinem Konzert zum Tag der Deutschen Einheit im Konzerthaus. Von der langen coronabedingten Pause war nichts zu spüren oder zu hören.
Was schenkt man denn zum 16. Geburtstag? Denn der wurde ja am Tag der Deutschen Einheit gefeiert. Falls jetzt der eine oder andere stutzen und denken sollte, der ist doch zum 31. Mal gefeiert worden, dann hat er natürlich Recht. Aber 16 Jahre alt wurde der Neue Kammerchor Heidenheim: Exakt am 3. Oktober vor 16 Jahren hatte er seinen allerersten Auftritt, damals in Heilbronn, auf Einladung des früheren Oberbürgermeisters Helmut Himmelsbach. Der 15. Geburtstag sollte groß gefeiert werden, aber das musste coronabedingt ausfallen. Jetzt also die Feier zum 16. Lebensjahr am Sonntag im Konzerthaus.
Zweimal volles Haus
Und was schenkt man da? Ein volles Haus – oder besser gesagt: zweimal volles Haus. Denn das Chorkonzert fand sowohl um 18 Uhr als auch um 20 Uhr statt. Zum ersten Auftritt kamen ca. 200 Zuhörer, zum zweiten weit über hundert. Der Chor unter der Leitung von Thomas Kammel beschenkte seinerseits die Festgäste mit einem Programm, bei welchem der erste Titel gleich als
Motto fungieren könnte: „All Things Bright and Beautiful“von John Rutter. Kristallklar, leuchtend gar erfüllte der Klang den Raum, und bereits dies konnte das Publikum vollauf davon überzeugen, dass der Neue Kammerchor in der Zeit der Corona-pause womöglich gar noch zugelegt, ganz bestimmt aber nichts verlernt hat. Sie haben die Zeit aber auch genutzt, wie Thomas Kammel ausführte: „Die Sängerinnen und Sänger haben sich durch diese eineinhalb Jahre durchgebissen und dabei als hochbelastbar erwiesen.“Selbstverständlich ist das durchaus nicht: Kammel berichtete vom Partnerchor Dortmund,
der in dieser Zeit „vehement geschrumpft“sei. Kammel hingegen kann sogar von Neuzugängen berichten, die jüngsten gerade mal zwei Wochen mit von der Partie.
Lange auf der Wunschliste
Und dann gleich Fauré: Dessen Requiem Op. 48 bildete den Hauptteil des Konzertstündchens. Lange stand dieses Werk schon auf der Wunschliste Kammels, wie er bekundete, passe doch die klare helle Stimmgebung hervorragend zum Neuen Kammerchor. Und sicherlich wird jeder der Zuhörer am Ende zu exakt demselben Ergebnis gekommen sein. Der präzise Gesang in den schönsten Harmonien konnte wirklich auch den entlegensten Zipfel der Seele berühren. Und dabei war der Chorklang von einer enormen Strahlkraft, die nicht vermuten lässt, dass über weite Strecken nur online geprobt werden konnte. Als Solist war unter anderem zu hören Gerrit Illenberger, bekannt von „Ma’cappella“, der mit seinem warmen Bariton für ein exquisites Klangerlebnis sorgte. Das Sopran-solo übernahm Sophia Schulze, seit vier Jahren Kammerchormitglied, und ihre beachtliche Stimme hat jetzt bereits jenen süßen Schmelz, der per se schon aufhorchen lässt.
Gabriel Fauré hat für sein Requiem eigentlich Orchesterbegleitung vorgesehen. Ein solches zu integrieren, war corona-, aber auch sicher finanziell bedingt nicht leistbar. Die Begleitung übernahm stattdessen Alwina Meissner am Flügel vom Theater Ulm. Und das meisterlich: Ihre Begleitung ließ dem Chor den vollen Raum, sich zu entfalten und ganz als Mittelpunkt zu agieren. Die Stimmen und der Gesang wurden so großartig unterstrichen.
Eigenwilliges Intro
Als Geschenk zum Tag der Deutschen Einheit gab’s noch die Nationalhymne
in einer Bearbeitung von Sören Gieseler und Thomas Kammel mit einem eigenwilligen, aber durchaus aparten Intro. Und eine Zugabe war auch noch drin: „You Will Be Found“ertönte voluminös und kraftvoll mit herausfordernder Dynamik vom Chor, die Solisten Emma Wetzler und Moritz Holzapfel konnten ebenfalls überzeugen.
Und das dickste Geschenk kam wohl von der Stefan-doraszelskistiftung: Ohne deren Unterstützung, so Kammel, hätte dieses Konzert so nicht stattfinden können. So wurde denn das Geburtstagskind reich beschenkt. Das Publikum aber auch.