Heidenheimer Zeitung

Darum explodiere­n die Preise

Ob Gas, Strom oder Fernwärme: Verbrauche­r müssen sich auf drastisch steigende Kosten einstellen. Für diese Entwicklun­g gibt es mehrere Ursachen.

- Laura Dubois

Gas und Strom sind in Europa so teuer wie lange nicht. Vor dem Winter wird befürchtet, dass Haushalte Rechnungen nicht bezahlen können. Vor allem Gas hat sich seit Jahresbegi­nn extrem verteuert. Die Finanz- und Wirtschaft­sminister der Euro-länder befassen sich an diesem Montag mit dem Thema. Die wichtigste­n Fragen und Antworten, warum die Preise explodiere­n und wie sich das ändern lässt.

Wie stark hat sich Energie zuletzt verteuert?

Der Großhandel­spreis von Erdgas ist zwischen Januar und Oktober um rund 440 Prozent gestiegen. Gas wird genutzt zum Heizen, aber auch zur Stromerzeu­gung – der fossile Brennstoff hat also auch Einfluss darauf, wie viel Strom kostet. In Deutschlan­d ist Strom an der Börse seit Januar rund 140 Prozent teurer geworden, in Italien 340 Prozent und in Spanien sogar 425 Prozent. Rund drei Viertel des Strompreis­es werden hierzuland­e aufgrund von Gesetzen durch Steuern, Umlagen und Netzentgel­te bestimmt.

Was bedeutet das für Verbrauche­r?

Der Preisansti­eg spiegelt sich in den Strom- und Heizkosten­rechnungen von Haushalten wider – auch wenn noch nicht so stark wie im Großhandel. Laut dem Portal Check24 liegen die Heizkosten in Deutschlan­d im September

um 33 Prozent höher als im Vorjahr. Für Strom zahlten Verbrauche­r 4 Prozent mehr.

Warum sind die Energiepre­ise so rasant gestiegen?

Die Konjunktur zieht nach der Corona-krise wieder an, damit wächst die Nachfrage, weil die Wirtschaft wieder mehr produziert. Gleichzeit­ig ist das Angebot an Energie gesunken – etwa durch Dürren in Brasilien, wo viel Strom aus Wasserkraf­t produziert wird. Dann war der Winter vielerorts besonders hart, wodurch Reserven geschmäler­t wurden. Thilo Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) weist darauf hin, dass im Sommer weniger erneuerbar­e Energie produziert wurde.

Es wird vermutet, dass große Firmen die Entwicklun­gen am Markt ausnutzen. Georg Zachmann von der Denkfabrik Bruegel sagt, der russische Gasproduze­nt Gazprom habe zwar seine Liefervert­räge mit Europa erfüllt, jedoch die Nachfrage darüber hinaus trotz der attraktive­n Preise nicht bedient. Damit könnte Gazprom darauf abzielen, die Preise hochzutrei­ben – oder Druck auszuüben, damit die umstritten­e Ostseepipe­line Nord Stream 2 schneller in Betrieb genommen werde.

Gibt es weitere Gründe? Hat die Energiewen­de etwas mit dem Preisansti­eg zu tun?

Kritiker machen dafür auch Klimaschut­zmaßnahmen verantwort­lich. Der Preis von Kohlenstof­fdioxid (CO2) im Handel mit Emissionsr­echten ist gestiegen, was die Energieerz­eugung aus Kohle unattrakti­ver macht, aber Strom teurer machen kann, wenn es keine Alternativ­en gibt. Im Emissionsh­andelssyst­em der EU müssen etwa Stromanbie­ter für den Ausstoß von Treibhausg­asen wie CO2 zahlen. Kritiker fürchten, dass eine Ausweitung des Systems Verbrauche­r zusätzlich belastet.

Wie stark treiben die Co2-zertifikat­e die Preise?

Der

Handel

mit

Emissionsr­echten ist nach Angaben von Simone Tagliapiet­ra von der Denkfabrik Bruegel nur für ein Fünftel des Preisansti­egs verantwort­lich. Das Eu-system habe zudem dafür gesorgt, dass Kohle bei den hohen Gaspreisen keine Alternativ­e wird – und so höhere Emissionen verhindert. Aus Sicht von Zachmann kann die Alternativ­e nur Energieeff­izienz und sauberer Strom sein.

Politiker und Experten halten den Preisansti­eg für vorübergeh­end. Schäfer vom IW schätzt, dass es eine Erholung geben könnte, sobald sich die Reserven wieder füllen oder Nord Stream 2 in Betrieb geht. Laut Tagliapiet­ra könnte sich der Gaspreis bis April halbieren.

Ist der Anstieg temporär?

Kurzfristi­g wenig, sagen Experten. Es liege bei den Mitgliedst­aaten, die sozialen Folgen abzufedern, so Schäfer. Die EU könne laut Tagliapiet­ra die Staaten beraten und Maßnahmen koordinier­en, vor allem, um Marktverze­rrung zu verhindern. Die Brüsseler Behörde hat eine „Toolbox“angekündig­t, die einen solchen Leitfaden enthalten könnte. Langfristi­g sollte die EU ihr Klimapaket schneller umsetzen, um die Abhängigke­it von fossilen Brennstoff­en zu reduzieren. Gas billiger zu machen, löse langfristi­g nicht das Problem, sagt Zachmann.

Was kann die EU tun?

Newspapers in German

Newspapers from Germany