Heidenheimer Zeitung

„Haben am Markt vorbei produziert“

Die stellvertr­etende Fraktionsc­hefin Katja Leikert geht mit ihrer CDU und mit der CSU hart ins Gericht.

- Christophe­r Ziedler

Berlin. Die stellvertr­etende Unionsfrak­tionschefi­n Katja Leikert (CDU) mahnt ihre Partei zur Selbstbehe­rrschung und analysiert die Fehler, die zur historisch­en Wahlschlap­pe geführt haben.

Ihr Parteichef wird öffentlich demontiert, obwohl es noch eine kleine Restchance auf Jamaika gibt. Was ist da los?

Katja Leikert:

Es täte manchen in meiner Partei gut, sich an das schöne Wort von der Selbstbehe­rrschung zu erinnern. Besonders konservati­v war der Umgang der vergangene­n Tage übrigens auch nicht. Wir brauchen unbedingt eine ehrliche und schonungsl­ose Analyse des Wahlausgan­gs. Solange wir noch in Gesprächen stecken, sind persönlich­e Ambitionen oder Befindlich­keiten aber fehl am Platz.

Offenbar wurde die Vertraulic­hkeit der Gespräche gebrochen, die der Union theoretisc­h die Macht sichern könnten. Was ist aus den bürgerlich­en Tugenden der Union geworden?

In keiner Schulklass­e würde ein solches Verhalten geduldet. Schülerinn­en und Schülern wird beigebrach­t, was geht und was nicht geht – es ist zutiefst unbürgerli­ch, sich nicht an die ausgegeben­en Spielregel­n zu halten. Die gezielte Durchstech­erei grenzt an parteischä­digendes Verhalten. Auch wenn die Chancen dafür nicht mehr groß sind, fände ich eine Zukunftsko­alition mit nachhaltig­er Finanzpoli­tik weiter attraktiv.

Der aktuelle Ärger hat auch mit der Kommunikat­ion direkt nach der Wahl zu tun: Hätte man nicht die Niederlage eingestehe­n, der Ampel den Vortritt lassen und sich für Jamaika nur aus staatspoli­tischer Verantwort­ung bereithalt­en sollen?

Sicherlich hat Armin Laschet nicht alles richtig gemacht, ich habe von ihm aber auch keine Siegerpose gesehen, sondern ihn sehr demütig erlebt – in der Fraktionss­itzung hat er sogar um Entschuldi­gung gebeten. Uns ist wohl bewusst, dass der Ball im Spielfeld der SPD liegt und wir als Volksparte­i mit unter 25 Prozent – wenn ich mal in die Sprache der Industrie wechseln darf – am Markt vorbei produziert haben. Es ist aber auch zu billig, alles am Kandidaten festzumach­en, Selbstkrit­ik ist gefragt. Unsere Probleme sind viel tiefgehend­er.

Wollen Sie den Anfang machen?

Wir Konservati­ven sollten die Themen, die andere Parteien aufbringen, nicht immer nur als Lifestyle abtun. Warum haben wir uns so lange gegen das Tierwohl gestemmt? Der Kohleausst­ieg kommt zu spät, die garantiert­e Ganztagsbe­treuung auch. Wir haben das Thema der sozialen Gerechtigk­eit vernachläs­sigt, das Auseinande­rdriften der Vermögense­ntwicklung zu sehr kleingered­et und Abstiegsän­gste der Mitte nicht ausreichen­d wahrgenomm­en. Wir sollten der Angst vor einem sozialen Abstieg aber nicht mit den Mitteln der AFD begegnen. Unsere Wirtschaft braucht Zuwanderun­g. Eine Abkehr von Europa, ein Zurück in den Nationalst­aat würde unser Land kaputt machen. Statt auf der Bremse zu stehen, müssen wir als Partei von Helmut Kohl vielmehr mit mutigen Schritten die europäisch­e Einigung vorantreib­en.

Muss die Union nicht auch das Konzept Volksparte­i hinterfrag­en? Oder: Lassen sich Katja Leikert, Friedrich Merz oder Hans-georg Maaßen noch in einer Partei integriere­n?

Mit Friedrich Merz finde ich immer wieder politische Gemeinsamk­eiten. Mit ihm wird nur etwas anderes assoziiert. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, dass wir wieder die ganze inhaltlich­e Bandbreite zulassen, die uns als Volksparte­i so attraktiv und in allen gesellscha­ftlichen Bereichen anschlussf­ähig gemacht hat. Eine Volksparte­i ist wie eine Familie, die man zusammenha­lten muss. Aber bei Maaßen hört es auf. Seine Anbiederei nach rechtsauße­n lehne ich ab. Zum Glück haben die Wähler ein klares Urteil zu Maaßen gesprochen.

 ?? ?? Das Sondierung­s-team der Grünen – darunter Katrin Göring-eckardt (links), Britta Hasselmann (2. v. links) und der baden-württember­gische Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (3. v. links) – auf dem Weg zum Gespräch mit den Vertretern der CDU/CSU.
Das Sondierung­s-team der Grünen – darunter Katrin Göring-eckardt (links), Britta Hasselmann (2. v. links) und der baden-württember­gische Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (3. v. links) – auf dem Weg zum Gespräch mit den Vertretern der CDU/CSU.

Newspapers in German

Newspapers from Germany