„Haben am Markt vorbei produziert“
Die stellvertretende Fraktionschefin Katja Leikert geht mit ihrer CDU und mit der CSU hart ins Gericht.
Berlin. Die stellvertretende Unionsfraktionschefin Katja Leikert (CDU) mahnt ihre Partei zur Selbstbeherrschung und analysiert die Fehler, die zur historischen Wahlschlappe geführt haben.
Ihr Parteichef wird öffentlich demontiert, obwohl es noch eine kleine Restchance auf Jamaika gibt. Was ist da los?
Katja Leikert:
Es täte manchen in meiner Partei gut, sich an das schöne Wort von der Selbstbeherrschung zu erinnern. Besonders konservativ war der Umgang der vergangenen Tage übrigens auch nicht. Wir brauchen unbedingt eine ehrliche und schonungslose Analyse des Wahlausgangs. Solange wir noch in Gesprächen stecken, sind persönliche Ambitionen oder Befindlichkeiten aber fehl am Platz.
Offenbar wurde die Vertraulichkeit der Gespräche gebrochen, die der Union theoretisch die Macht sichern könnten. Was ist aus den bürgerlichen Tugenden der Union geworden?
In keiner Schulklasse würde ein solches Verhalten geduldet. Schülerinnen und Schülern wird beigebracht, was geht und was nicht geht – es ist zutiefst unbürgerlich, sich nicht an die ausgegebenen Spielregeln zu halten. Die gezielte Durchstecherei grenzt an parteischädigendes Verhalten. Auch wenn die Chancen dafür nicht mehr groß sind, fände ich eine Zukunftskoalition mit nachhaltiger Finanzpolitik weiter attraktiv.
Der aktuelle Ärger hat auch mit der Kommunikation direkt nach der Wahl zu tun: Hätte man nicht die Niederlage eingestehen, der Ampel den Vortritt lassen und sich für Jamaika nur aus staatspolitischer Verantwortung bereithalten sollen?
Sicherlich hat Armin Laschet nicht alles richtig gemacht, ich habe von ihm aber auch keine Siegerpose gesehen, sondern ihn sehr demütig erlebt – in der Fraktionssitzung hat er sogar um Entschuldigung gebeten. Uns ist wohl bewusst, dass der Ball im Spielfeld der SPD liegt und wir als Volkspartei mit unter 25 Prozent – wenn ich mal in die Sprache der Industrie wechseln darf – am Markt vorbei produziert haben. Es ist aber auch zu billig, alles am Kandidaten festzumachen, Selbstkritik ist gefragt. Unsere Probleme sind viel tiefgehender.
Wollen Sie den Anfang machen?
Wir Konservativen sollten die Themen, die andere Parteien aufbringen, nicht immer nur als Lifestyle abtun. Warum haben wir uns so lange gegen das Tierwohl gestemmt? Der Kohleausstieg kommt zu spät, die garantierte Ganztagsbetreuung auch. Wir haben das Thema der sozialen Gerechtigkeit vernachlässigt, das Auseinanderdriften der Vermögensentwicklung zu sehr kleingeredet und Abstiegsängste der Mitte nicht ausreichend wahrgenommen. Wir sollten der Angst vor einem sozialen Abstieg aber nicht mit den Mitteln der AFD begegnen. Unsere Wirtschaft braucht Zuwanderung. Eine Abkehr von Europa, ein Zurück in den Nationalstaat würde unser Land kaputt machen. Statt auf der Bremse zu stehen, müssen wir als Partei von Helmut Kohl vielmehr mit mutigen Schritten die europäische Einigung vorantreiben.
Muss die Union nicht auch das Konzept Volkspartei hinterfragen? Oder: Lassen sich Katja Leikert, Friedrich Merz oder Hans-georg Maaßen noch in einer Partei integrieren?
Mit Friedrich Merz finde ich immer wieder politische Gemeinsamkeiten. Mit ihm wird nur etwas anderes assoziiert. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, dass wir wieder die ganze inhaltliche Bandbreite zulassen, die uns als Volkspartei so attraktiv und in allen gesellschaftlichen Bereichen anschlussfähig gemacht hat. Eine Volkspartei ist wie eine Familie, die man zusammenhalten muss. Aber bei Maaßen hört es auf. Seine Anbiederei nach rechtsaußen lehne ich ab. Zum Glück haben die Wähler ein klares Urteil zu Maaßen gesprochen.