Aufstieg zum Chefverhandler
Olaf Scholz hat es nun in der Hand. Er muss die unterschiedlichen Interessen seiner Partei mit denen von FDP und Grünen angleichen. Keine leichte Aufgabe.
Der frühere Spd-kanzler Gerhard Schröder hat rund 23 Jahre gebraucht, um eine Aussage, die sich den Grünen eingebrannt hat, zu revidieren. Die SPD müsse für sich den Regierungsanspruch in Auftrag nehmen, sagte der Hobbykoch neulich: „aber natürlich nicht mehr mit Koch und Kellner“. 1998, als er selbst Regierungschef werden wollte, definierte er die Machtverhältnisse noch ganz anders. Damals war für ihn klar, dass die größere SPD „Koch“und die kleineren Grünen „Kellner“sind.
Jetzt ist Olaf Scholz an der Reihe, mit Grünen und der FDP über ein künftiges Regierungsbündnis zu sprechen. Ein derart markiger Spruch ist von ihm zwar nicht überliefert, aber von seiner leisen, scheinbar zurückhaltenden Art sollte man sich nicht täuschen lassen. Scholz ist ein „harter Verhandler“, das haben nach der Bundestagswahl so ziemlich alle betont, die je mit ihm zu tun hatten. „Er hat den Anspruch, Platzhirsch zu sein, Gespräche dominieren zu wollen und relativ wenig Spielraum zu lassen“, warnt Hamburgs zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank, die 2015 mit ihm die rot-grüne Koalition in Hamburg ausgehandelt hatte, das grüne Sondierungsteam. Gleichzeitig sagt sie auch anerkennend, man müsse „extrem ausgeschlafen“und „bis ins letzte Detail gut vorbereitet“sein, um ihm am Verhandlungstisch gewachsen zu sein.
Von der „Platzhirsch“-rolle wird sich Scholz bei den Gesprächen über eine Koalition mit Grünen und FDP verabschieden müssen, will er das Projekt Ampel zu einem Erfolg machen. Denn anders als 2015 in Hamburg sind die beiden Gesprächspartner in Summe größer als der Wahlgewinner SPD. Das heißt, Grüne und FDP müssten sich einfach auf ihre Gemeinsamkeiten konzentrieren, um bei den Verhandlungen möglichst viel herauszuholen.
Doch Olaf Scholz wäre nicht Olaf Scholz, wäre er darauf nicht vorbereitet. Er habe immer einen Plan, heißt es übereinstimmend von allen, die ihn kennen. Und diesen Plan versuche er hartnäckig und mit großer Entschiedenheit umzusetzen. „Frau Merkel und ich wissen beide, dass man in der Politik einen langen Atem braucht. Dass man Dinge, die einem wichtig sind, lange verfolgen muss“, sagt er vor wenigen Tagen in einem „Spiegel“-interview auf die Frage, was er mit der Kanzlerin gemeinsam habe.
Die Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen will er allerdings schnell vorantreiben – und wohl auch auf einer anderen Gesprächsbasis als 2015 in Hamburg. „Wer miteinander eine Regierung bilden will, muss Vertrauen zueinander haben“, sagt Scholz. Er wolle „auf Augenhöhe miteinander reden“und alle Parteien müssten sich „im Koalitionsvertrag wiederfinden“. Sein Werben für das Projekt Ampel gipfelt in dem Satz: „Echte Zuneigung entsteht, wenn man sich ernsthaft aufeinander einlässt.“
Dass der Spd-kanzlerkandidat, dessen öffentliche Gefühlsausbrüche sich bislang in roten Ohren erschöpften, solche Formulierungen benutzt, soll natürlich vor allem den Liberalen signalisieren, wie ernst es ihm mit dieser Regierungskoalition ist. Er will der FDP, die vor der schwierigen Aufgabe steht, den Wählern den Schwenk von der Union zu den Sozialdemokraten erklären zu müssen, eine Brücke in dieses Bündnis bauen. Ihr werdet nicht wie 2017 am Rand stehen, lautet seine Botschaft. Denn auch das ist klar: Olaf Scholz will die Ampel, er braucht sie sogar, wenn er ein glaubwürdiger Kanzler werden will. Die Alternative Große Koalition ist für ihn keine Alternative.
OWD hieß es vor Jahren in Hamburg, als Scholz im Jahr 2011 mit absoluter Mehrheit Bürgermeister wurde. Die drei Großbuchstaben stehen für „Olaf will das“– und kennzeichneten seinen damaligen Regierungsstil. Dass er kein angenehmer Kollege ist, wenn es um etwas geht, wissen natürlich auch Spd-mitglieder.
„Dass er ein harter Verhandler ist, kann ich aus eigener Auffassung aus den letzten Jahren bestätigen. Da saß uns immer ein Bundesfinanzminister gegenüber, der sehr wohl wusste, was seine Interessen waren“, sagte Niedersachens Ministerpräsident Stephan Weil am Sonntag in der ARD.
Auch als es 2014 um eine Reform der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern ging, gelang es Scholz als Bürgermeister von Hamburg, die anderen Bundesländer gegen sich aufzubringen. Im Auftrag der Ministerpräsidenten verhandelte er mit dem damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und einigte sich auch mit ihm, ohne jedoch die anderen Länder darüber zu informieren. Das empörte alle Spd-länder, vor allem aber die
OWD – „Olaf will das“– Das kennzeichnete seinen Führungsstil in Hamburg.
Regierung in Nordrhein-westfalen, deren Finanzminister übrigens Norbert Walter-borjans war, der heutige SPD-CHEF.
Alte Sünden, die in Anbetracht des neuen Ruhms in der SPD keine Rolle mehr spielen werden. Die Sozialdemokraten wissen: Ohne Scholz hätten sie die Wahl nicht gewonnen. „Ich habe ehrgeizige Ziele für unser Land. Und ich werde all meine Kraft dafür einsetzen, dass wir sie erreichen“, sagte der Spd-kanzlerkandidat im „Spiegel“. In den Ohren von Grünen und FDP dürfte das nach Angeboten klingen, die sie unter keinen Umständen ausschlagen können.