Hinrichtungsvideos statt Schule
Deutschland hat acht ehemalige Is-frauen und ihre Kinder zurückgeholt. Ihnen drohen hohe Haftstrafen.
Berlin. In einem Alter, in dem andere Kinder mit Puppen oder Autos spielen, musste die Tochter von Romiena S. Hinrichtungsvideos ansehen. Statt Unterricht in einer deutschen Schule zu erhalten, wurde sie im syrischen Herrschaftsgebiet des IS im Hass auf Ungläubige unterrichtet. Ihre Mutter heiratete nacheinander sechs Is-kämpfer nach islamischem Ritus, beschäftigte eine versklavte Jesidin in ihrem Haushalt und lobte auf Twitter die Terroranschläge von Nizza und Würzburg. Vom Dezember 2014, als die Deutsche Romiena S. ins Herrschaftsgebiet reiste und sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anschloss, bis zu dessen Zusammenbruch im Jahr 2019 lebte das Mädchen in diesen Verhältnissen – gegen den Willen seines in Deutschland lebenden Vaters.
Am Mittwochabend kehrte es in einer Chartermaschine nach Deutschland zurück, gemeinsam mit seiner Mutter, die noch am Flughafen Frankfurt/main festgenommen und am Donnerstag einem Haftrichter beim Generalbundesanwalt vorgeführt wurde. Mit ihnen kamen durch Vermittlung des Auswärtigen Amtes auch 22 andere Kinder und sieben weitere Mütter an, die nach der Niederlage des IS im Lager Roj im kurdisch beherrschten Nordsyrien lebten.
Ihre Geschichten ähneln sich. Auch Solale M. und Verena M. wurden bei der Einreise von der Bundesanwaltschaft festgenommen, unter anderem, weil sie ihre Kinder gegen den Willen der Kindesväter nach Syrien entführt und dabei gefährdet hatten und sich der Terrorgruppe angeschlossen hatten. Gegen drei weitere Frauen lagen Haftbefehle anderer Strafverfolgungsbehörden vor.
Allein die Mitgliedschaft im IS wird mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Haft bestraft. Auch für die anderen Vorwürfe können hohe Strafen verhängt werden.
„Die Kinder trifft keine Schuld an ihrer Lage“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) nach der Rückholaktion. „Es ist richtig, dass wir alles dafür tun, ihnen ein Leben in Sicherheit und einem guten Umfeld zu ermöglichen.“Während ihre Mütter sich der deutschen Justiz stellen müssen, kommen die Kinder zum Teil in die Obhut des Jugendamtes, zu Pflegefamilien oder Verwandten. Die kurdischen Behörden hätten sie als besonders schutzbedürftig eingestuft, weil sie unter Erkrankungen litten oder Sorgeberechtigte in Deutschland hätten, teilte das Auswärtige Amt mit.
Dutzende deutsche ehemalige Frauen von Is-kämpfern und deren Kinder leben noch in kurdischen Lagern. Ihre Heimkehr gestaltet sich schwierig, weil die Bundesregierung befürchtet, mit ihnen radikale Islamistinnen ins Land zu holen, zu deren Verhaftung oft die Beweise nicht ausreichen.