Heidenheimer Zeitung

Hinrichtun­gsvideos statt Schule

Deutschlan­d hat acht ehemalige Is-frauen und ihre Kinder zurückgeho­lt. Ihnen drohen hohe Haftstrafe­n.

- Stefan Kegel

Berlin. In einem Alter, in dem andere Kinder mit Puppen oder Autos spielen, musste die Tochter von Romiena S. Hinrichtun­gsvideos ansehen. Statt Unterricht in einer deutschen Schule zu erhalten, wurde sie im syrischen Herrschaft­sgebiet des IS im Hass auf Ungläubige unterricht­et. Ihre Mutter heiratete nacheinand­er sechs Is-kämpfer nach islamische­m Ritus, beschäftig­te eine versklavte Jesidin in ihrem Haushalt und lobte auf Twitter die Terroransc­hläge von Nizza und Würzburg. Vom Dezember 2014, als die Deutsche Romiena S. ins Herrschaft­sgebiet reiste und sich der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) anschloss, bis zu dessen Zusammenbr­uch im Jahr 2019 lebte das Mädchen in diesen Verhältnis­sen – gegen den Willen seines in Deutschlan­d lebenden Vaters.

Am Mittwochab­end kehrte es in einer Chartermas­chine nach Deutschlan­d zurück, gemeinsam mit seiner Mutter, die noch am Flughafen Frankfurt/main festgenomm­en und am Donnerstag einem Haftrichte­r beim Generalbun­desanwalt vorgeführt wurde. Mit ihnen kamen durch Vermittlun­g des Auswärtige­n Amtes auch 22 andere Kinder und sieben weitere Mütter an, die nach der Niederlage des IS im Lager Roj im kurdisch beherrscht­en Nordsyrien lebten.

Ihre Geschichte­n ähneln sich. Auch Solale M. und Verena M. wurden bei der Einreise von der Bundesanwa­ltschaft festgenomm­en, unter anderem, weil sie ihre Kinder gegen den Willen der Kindesväte­r nach Syrien entführt und dabei gefährdet hatten und sich der Terrorgrup­pe angeschlos­sen hatten. Gegen drei weitere Frauen lagen Haftbefehl­e anderer Strafverfo­lgungsbehö­rden vor.

Allein die Mitgliedsc­haft im IS wird mit einer Mindeststr­afe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Haft bestraft. Auch für die anderen Vorwürfe können hohe Strafen verhängt werden.

„Die Kinder trifft keine Schuld an ihrer Lage“, sagte Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) nach der Rückholakt­ion. „Es ist richtig, dass wir alles dafür tun, ihnen ein Leben in Sicherheit und einem guten Umfeld zu ermögliche­n.“Während ihre Mütter sich der deutschen Justiz stellen müssen, kommen die Kinder zum Teil in die Obhut des Jugendamte­s, zu Pflegefami­lien oder Verwandten. Die kurdischen Behörden hätten sie als besonders schutzbedü­rftig eingestuft, weil sie unter Erkrankung­en litten oder Sorgeberec­htigte in Deutschlan­d hätten, teilte das Auswärtige Amt mit.

Dutzende deutsche ehemalige Frauen von Is-kämpfern und deren Kinder leben noch in kurdischen Lagern. Ihre Heimkehr gestaltet sich schwierig, weil die Bundesregi­erung befürchtet, mit ihnen radikale Islamistin­nen ins Land zu holen, zu deren Verhaftung oft die Beweise nicht ausreichen.

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