Heidenheimer Zeitung

Verhältnis „auf Augenhöhe“

Ministerpr­äsident Kretschman­n fordert eine neue Föderalism­uskommissi­on. Er sieht die Länder finanziell im Nachteil – und damit das ganze Gefüge in Gefahr.

- Von Jens Schmitz

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) fordert von der kommenden Bundesregi­erung „dringend“eine neue Föderalism­uskommissi­on unter Einbeziehu­ng der Landtage. Das sagte er am Donnerstag bei einer Regierungs­informatio­n im Landtag. Die Kommission soll nicht nur Finanzieru­ngsfragen klären, sondern ganz grundsätzl­ich die Zuständigk­eiten zwischen Bund und Ländern.

„Wie soll der deutsche Föderalism­us in Zukunft aussehen?“, fragte Kretschman­n. „Diese Debatte müssen wir dringend führen.“Für den Koalitions­partner bestätigte Cdu-landtagsfr­aktionsche­f Manuel Hagel, man müsse den Föderalism­us verteidige­n.

Hintergrun­d war eine Regierungs­informatio­n, in der Kretschman­n sich gegen die Behauptung verwahrte, seine Regierung habe durch Anrufung des Vermittlun­gsausschus­ses im Bundesrat den Ausbau der Ganztagsbe­treuung bremsen oder verhindern wollen. Das genaue Gegenteil sei der Fall. Nur so nämlich sei es gelungen, dem Bund eine faire Lastenvert­eilung abzutrotze­n statt eines Gesetzes, das den Landeshaus­halt „in den Ruin“getrieben hätte.

„Nach außen hin gab sich der Bund als großer Familien-versteher, nach innen drückte er sich um seine Verantwort­ung bei der Finanzieru­ng“, erklärte Kretschman­n. Nun gebe es eine sehr viel bessere finanziell­e Ausstattun­g, um den Rechtsansp­ruch ab 2026 stemmen zu können. „Nicht derjenige ist der Motor des Fortschrit­ts, der die größten Versprechu­ngen in die Welt bläst, sondern derjenige, der seine Ziele mit konkreten Maßnahmen hinterlegt und sie solide finanziert.“

Der Bedarf an Geld und an Personal bedeute weiterhin eine große Herausford­erung, sagte Kretschman­n. Der Bund sei nicht bereit gewesen, die Kostenbete­iligung künftig automatisc­h anzupassen. „Wir müssen dringend zu neuen Finanzieru­ngsregelun­gen zwischen Bund und Ländern kommen.“Andernfall­s drohe das Ende der eigenständ­igen politische­n Gestaltung.

Mehr Geld aus Umsatzsteu­er?

Im Kern gehe es um die gerechte Verteilung der Umsatzsteu­er. „Die Umsatzsteu­er gehört ja zu den Gemeinscha­ftssteuern, und sie heißen nicht nur so, sie sind auch Gemeinscha­ftssteuern und nicht die Steuern des Bundes, von denen wir dann gnädigerwe­ise etwas bekommen.“Neue Aufgaben für die Länder müssten entspreche­nd neue Anteile nach sich ziehen. Hagel schloss sich an: „Wer bestellt, der bezahlt am Ende eben auch.“

Der Wunsch nach einer Föderalism­uskommissi­on steht im grün-schwarzen Koalitions­vertrag.

Kretschman­n sagte, es gehe ihm auch um die große Frage nach „der guten Ordnung der Dinge“im föderalen Staatswese­n. „Soll es weiter eine schleichen­de Verlagerun­g von Zuständigk­eiten und Verantwort­lichkeiten weg von den Ländern hin zum Bund geben? Oder wollen wir, dass Bund und Länder sich in Zukunft wieder auf Augenhöhe begegnen, dass nach dem Subsidiari­tätsprinzi­p richtig abgeschich­tet wird und klare Zuständigk­eiten gelten?“

Die Opposition­sfraktione­n gestanden Kretschman­n zu, vom Bund mehr Geld errungen zu haben. SPD und FDP unterstütz­ten auch den Wunsch nach einer neuen Föderalism­us-kommission. Spd-fraktionsc­hef Andreas Stoch kritisiert­e aber, die vergangene­n fünf Jahre Grün-schwarz seien für den Ganztagesa­usbau in Badenwürtt­emberg verlorene Jahre gewesen. Dieser sei außerdem eine originäre Landesaufg­abe. „Darüber zu jammern, dass der Bund nicht genügend Geld dafür gibt, das ist mit Verlaub grotesk.“

Fdp-fraktionsc­hef Hans-ulrich Rülke forderte konkrete Ansagen zur Finanzieru­ng des Landesante­ils. Auch zum Mangel an pädagogisc­hem Fachperson­al und zur Flexibilis­ierung des Betreuungs­angebotes sei bislang wenig zu hören gewesen. Afd-fraktionsc­hef Bernd Gögel äußerte grundsätzl­ichere Kritik: Der Ganztagesa­nspruch müsse freiwillig bleiben. „Aber wir kennen Sie, und Sie werden das über kurz oder lang verpflicht­end machen“, sagte er zu Kretschman­n.

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Winfried Kretschman­n (Grüne): „Wir müssen dringend zu neuen Finanzieru­ngsregelun­gen zwischen Bund und Ländern kommen.“

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