Verhältnis „auf Augenhöhe“
Ministerpräsident Kretschmann fordert eine neue Föderalismuskommission. Er sieht die Länder finanziell im Nachteil – und damit das ganze Gefüge in Gefahr.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fordert von der kommenden Bundesregierung „dringend“eine neue Föderalismuskommission unter Einbeziehung der Landtage. Das sagte er am Donnerstag bei einer Regierungsinformation im Landtag. Die Kommission soll nicht nur Finanzierungsfragen klären, sondern ganz grundsätzlich die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern.
„Wie soll der deutsche Föderalismus in Zukunft aussehen?“, fragte Kretschmann. „Diese Debatte müssen wir dringend führen.“Für den Koalitionspartner bestätigte Cdu-landtagsfraktionschef Manuel Hagel, man müsse den Föderalismus verteidigen.
Hintergrund war eine Regierungsinformation, in der Kretschmann sich gegen die Behauptung verwahrte, seine Regierung habe durch Anrufung des Vermittlungsausschusses im Bundesrat den Ausbau der Ganztagsbetreuung bremsen oder verhindern wollen. Das genaue Gegenteil sei der Fall. Nur so nämlich sei es gelungen, dem Bund eine faire Lastenverteilung abzutrotzen statt eines Gesetzes, das den Landeshaushalt „in den Ruin“getrieben hätte.
„Nach außen hin gab sich der Bund als großer Familien-versteher, nach innen drückte er sich um seine Verantwortung bei der Finanzierung“, erklärte Kretschmann. Nun gebe es eine sehr viel bessere finanzielle Ausstattung, um den Rechtsanspruch ab 2026 stemmen zu können. „Nicht derjenige ist der Motor des Fortschritts, der die größten Versprechungen in die Welt bläst, sondern derjenige, der seine Ziele mit konkreten Maßnahmen hinterlegt und sie solide finanziert.“
Der Bedarf an Geld und an Personal bedeute weiterhin eine große Herausforderung, sagte Kretschmann. Der Bund sei nicht bereit gewesen, die Kostenbeteiligung künftig automatisch anzupassen. „Wir müssen dringend zu neuen Finanzierungsregelungen zwischen Bund und Ländern kommen.“Andernfalls drohe das Ende der eigenständigen politischen Gestaltung.
Mehr Geld aus Umsatzsteuer?
Im Kern gehe es um die gerechte Verteilung der Umsatzsteuer. „Die Umsatzsteuer gehört ja zu den Gemeinschaftssteuern, und sie heißen nicht nur so, sie sind auch Gemeinschaftssteuern und nicht die Steuern des Bundes, von denen wir dann gnädigerweise etwas bekommen.“Neue Aufgaben für die Länder müssten entsprechend neue Anteile nach sich ziehen. Hagel schloss sich an: „Wer bestellt, der bezahlt am Ende eben auch.“
Der Wunsch nach einer Föderalismuskommission steht im grün-schwarzen Koalitionsvertrag.
Kretschmann sagte, es gehe ihm auch um die große Frage nach „der guten Ordnung der Dinge“im föderalen Staatswesen. „Soll es weiter eine schleichende Verlagerung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten weg von den Ländern hin zum Bund geben? Oder wollen wir, dass Bund und Länder sich in Zukunft wieder auf Augenhöhe begegnen, dass nach dem Subsidiaritätsprinzip richtig abgeschichtet wird und klare Zuständigkeiten gelten?“
Die Oppositionsfraktionen gestanden Kretschmann zu, vom Bund mehr Geld errungen zu haben. SPD und FDP unterstützten auch den Wunsch nach einer neuen Föderalismus-kommission. Spd-fraktionschef Andreas Stoch kritisierte aber, die vergangenen fünf Jahre Grün-schwarz seien für den Ganztagesausbau in Badenwürttemberg verlorene Jahre gewesen. Dieser sei außerdem eine originäre Landesaufgabe. „Darüber zu jammern, dass der Bund nicht genügend Geld dafür gibt, das ist mit Verlaub grotesk.“
Fdp-fraktionschef Hans-ulrich Rülke forderte konkrete Ansagen zur Finanzierung des Landesanteils. Auch zum Mangel an pädagogischem Fachpersonal und zur Flexibilisierung des Betreuungsangebotes sei bislang wenig zu hören gewesen. Afd-fraktionschef Bernd Gögel äußerte grundsätzlichere Kritik: Der Ganztagesanspruch müsse freiwillig bleiben. „Aber wir kennen Sie, und Sie werden das über kurz oder lang verpflichtend machen“, sagte er zu Kretschmann.