Sonderzahlungen werden verschoben
Die Unternehmensführung hat beschlossen, eine tarifliche Extrazahlung ein halbes Jahr später zu überweisen. Betroffen sind alle Mitarbeiter in Deutschland, die dem Tarif unterliegen.
Für die Beschäftigten wie den Betriebsrat völlig unerwartet hat die Voith-unternehmensführung Ende September angekündigt, eine tarifliche Zusatzzahlung, die im Oktober fällig gewesen wäre, um sechs Monate zu verschieben. Und zwar für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an allen deutschen Voith-standorten, die dem Tarif unterliegen. Dabei handelt es sich um eine Einmalzahlung in Höhe von rund 400 Euro pro Person.
Komplette Streichung möglich
Beim Tarifabschluss für die Metallund Elektroindustrie im März war vereinbart worden, dass Unternehmen, die eine Nettoumsatzrendite von 2,3 unterschreiten, die Zahlung des Zusatzgeldes auch komplett streichen können. „Ob Voith von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird, werden wir rechtzeitig prüfen“, hießt es in einer Mitteilung der Konzernleitung. In diesem Fall müsste mit der IG Metall verhandelt werden, die dann auch Einblick in die Zahlen erlangen würde.
Betriebe können entscheiden
Die Verschiebung der Sonderzahlung kann ein Unternehmen jedoch selbst verfügen. Eigentlich ist diese Klausel für Unternehmen gedacht, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken. Das wirft die Frage auf, ob das bei Voith der Fall ist. „Voith ist stabil aufgestellt und bisher robust durch die weltweite Corona-krise gekommen. Dennoch sind die wirtschaftlichen Folgen der Corona-pandemie weiter zu spüren. Daher macht Voith von der Option Gebrauch, die zusätzliche Zahlung zunächst zu verschieben“, so eine Sprecherin des Konzerns auf Anfrage.
In der Mitteilung der Geschäftsführung an die Voithianer heißt es, dass die Folgen der Corona-pandemie insbesondere „im Blick auf unsere Profitabilität“zu spüren seien. Die wirtschaftliche Unsicherheit sei nach wie vor prägend und das politische Umfeld in vielen Ländern volatil: „Das bedeutet für Voith, dass auch wir weiterhin hart daran arbeiten müssen, unseren Geschäftserfolg vor dem Hintergrund dieser Herausforderung zu sichern.“Die Entscheidung zur Verschiebung der Auszahlung sei dabei ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.
Betriebsrat wurde überrascht
Der Konzernbetriebsrat reagierte auf diese Ankündigung mit einer eigenen Mitteilung an die Beschäftigten. In dieser heißt es, dass auch der Betriebsrat „überrascht und natürlich sehr enttäuscht“sei: „Die erfreulicherweise zunehmende Auftragslage und die überdurchschnittlich hohe Auslastung in vielen Unternehmensbereichen scheinen dabei über die äußerst angespannte Kostensituation hinwegzutäuschen. Zudem wurde uns Voith in allen Verlautbarungen als Unternehmen dargestellt, das sehr gut durch die Corona-krise kam und kommt“, heißt es im Schreiben des Betriebsrats.
Fehlentscheidungen vorgeworfen
Das Gremium erwarte zielführende Lösungen um die wirtschaftliche Situation zu verbessern. „Die in jüngster Vergangenheit begangenen Fehlentscheidungen auf höchster Ebene und die teuren Restrukturierungen dürfen dabei nicht auf dem Rücken der Belegschaft ausgetragen werden“, schreibt der Betriebsrat.
Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärt der Geschäftsstellenleiter des Konzernbetriebsrats, Gerd Schaible, dass die Ergebnisse des Unternehmens in Deutschland nicht so gut seien wie die weltweiten. Der Betriebsrat sei über die Verschiebung der Sonderzahlung verwundert. Bisher habe Voith immer Wert darauf gelegt, nach außen hin gut dazustehen, „jetzt zeigt man: Es geht uns schlecht“, so Schaible. In Deutschland schreibe der Konzern rote Zahlen, „wir verdienen hier kein Geld“.
Ineffiziente Strukturen?
Das jedoch sei den Mitarbeitern nur schwer vermittelbar. „Wir haben in den meisten Bereichen Vollbeschäftigung, die Auftragsbücher sind voll, es werden viele Überstunden gemacht“, so Schaible. Wie könne es da sein, dass die Ergebnisse nicht stimmen. Seiner Ansicht nach tragen zu viele und ineffiziente Strukturen im Unternehmen zur Situation bei. Der Geschäftsleitung müsse etwas Besseres einfallen „als dem kleinen Mann in die Tasche zu greifen“.
IGM-CHEF hat kein Verständnis
Das sieht auch Ralf Willeck, Bevollmächtigter der Heidenheimer IG Metall, so. Und er reagiert mit großem Unverständnis: „Gerade mal zwei Betriebe im ganzen Landkreis machen von der Verschiebung der Auszahlung aus wirtschaftlichen Gründen Gebrauch, einer davon ist Voith. Das will mir nicht einleuchten.“Zumal das Unternehmen im Frühjahr jedem Beschäftigten freiwillig eine Corona-prämie in Höhe von 500 Euro ausgezahlt hat. „Und jetzt will man sparen? Das passt nicht zusammen. Da muss man sich fragen, ob die Zahlen tatsächlich so schlecht sind“, so Willeck.
Die Regelung im Tarifvertrag sollte nur jene Unternehmen berücksichtigen, die tatsächlich in einer wirtschaftlichen Schieflage sind. „Aber bei Voith sind ausreichend Aufträge vorhanden, bestätigt Willeck die Aussage Schaibles. „Wie kann es sein, dass bei Vollbeschäftigung ein großes Minus unterm Strich steht.“
Es geht um 1,6 Millionen Euro
Auch Willeck ist der Ansicht, dass durch die Verschiebung der Sonderzahlung Geld auf Kosten der Beschäftigten gespart werden soll: „Ich frage mich das schon, ob die Dividendenzahlung für die Eigentümer auch verschoben wird.“Zumal der Betrag, der durch die sechsmonatige Verzögerung der Auszahlung gespart wird, nicht so groß sei. „Am Standort Heidenheim sind das 1,6 Millionen Euro.
Wenn dadurch das Unternehmen in eine Schieflage geraten sollte, dann müsste man sich wirklich Sorgen um Voith machen“, so der Ig-metall-chef.