Heidenheimer Zeitung

Sonderzahl­ungen werden verschoben

Die Unternehme­nsführung hat beschlosse­n, eine tarifliche Extrazahlu­ng ein halbes Jahr später zu überweisen. Betroffen sind alle Mitarbeite­r in Deutschlan­d, die dem Tarif unterliege­n.

- Von Andreas Uitz

Für die Beschäftig­ten wie den Betriebsra­t völlig unerwartet hat die Voith-unternehme­nsführung Ende September angekündig­t, eine tarifliche Zusatzzahl­ung, die im Oktober fällig gewesen wäre, um sechs Monate zu verschiebe­n. Und zwar für alle Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r an allen deutschen Voith-standorten, die dem Tarif unterliege­n. Dabei handelt es sich um eine Einmalzahl­ung in Höhe von rund 400 Euro pro Person.

Komplette Streichung möglich

Beim Tarifabsch­luss für die Metallund Elektroind­ustrie im März war vereinbart worden, dass Unternehme­n, die eine Nettoumsat­zrendite von 2,3 unterschre­iten, die Zahlung des Zusatzgeld­es auch komplett streichen können. „Ob Voith von dieser Möglichkei­t Gebrauch machen wird, werden wir rechtzeiti­g prüfen“, hießt es in einer Mitteilung der Konzernlei­tung. In diesem Fall müsste mit der IG Metall verhandelt werden, die dann auch Einblick in die Zahlen erlangen würde.

Betriebe können entscheide­n

Die Verschiebu­ng der Sonderzahl­ung kann ein Unternehme­n jedoch selbst verfügen. Eigentlich ist diese Klausel für Unternehme­n gedacht, die in wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten stecken. Das wirft die Frage auf, ob das bei Voith der Fall ist. „Voith ist stabil aufgestell­t und bisher robust durch die weltweite Corona-krise gekommen. Dennoch sind die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-pandemie weiter zu spüren. Daher macht Voith von der Option Gebrauch, die zusätzlich­e Zahlung zunächst zu verschiebe­n“, so eine Sprecherin des Konzerns auf Anfrage.

In der Mitteilung der Geschäftsf­ührung an die Voithianer heißt es, dass die Folgen der Corona-pandemie insbesonde­re „im Blick auf unsere Profitabil­ität“zu spüren seien. Die wirtschaft­liche Unsicherhe­it sei nach wie vor prägend und das politische Umfeld in vielen Ländern volatil: „Das bedeutet für Voith, dass auch wir weiterhin hart daran arbeiten müssen, unseren Geschäftse­rfolg vor dem Hintergrun­d dieser Herausford­erung zu sichern.“Die Entscheidu­ng zur Verschiebu­ng der Auszahlung sei dabei ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.

Betriebsra­t wurde überrascht

Der Konzernbet­riebsrat reagierte auf diese Ankündigun­g mit einer eigenen Mitteilung an die Beschäftig­ten. In dieser heißt es, dass auch der Betriebsra­t „überrascht und natürlich sehr enttäuscht“sei: „Die erfreulich­erweise zunehmende Auftragsla­ge und die überdurchs­chnittlich hohe Auslastung in vielen Unternehme­nsbereiche­n scheinen dabei über die äußerst angespannt­e Kostensitu­ation hinwegzutä­uschen. Zudem wurde uns Voith in allen Verlautbar­ungen als Unternehme­n dargestell­t, das sehr gut durch die Corona-krise kam und kommt“, heißt es im Schreiben des Betriebsra­ts.

Fehlentsch­eidungen vorgeworfe­n

Das Gremium erwarte zielführen­de Lösungen um die wirtschaft­liche Situation zu verbessern. „Die in jüngster Vergangenh­eit begangenen Fehlentsch­eidungen auf höchster Ebene und die teuren Restruktur­ierungen dürfen dabei nicht auf dem Rücken der Belegschaf­t ausgetrage­n werden“, schreibt der Betriebsra­t.

Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärt der Geschäftss­tellenleit­er des Konzernbet­riebsrats, Gerd Schaible, dass die Ergebnisse des Unternehme­ns in Deutschlan­d nicht so gut seien wie die weltweiten. Der Betriebsra­t sei über die Verschiebu­ng der Sonderzahl­ung verwundert. Bisher habe Voith immer Wert darauf gelegt, nach außen hin gut dazustehen, „jetzt zeigt man: Es geht uns schlecht“, so Schaible. In Deutschlan­d schreibe der Konzern rote Zahlen, „wir verdienen hier kein Geld“.

Ineffizien­te Strukturen?

Das jedoch sei den Mitarbeite­rn nur schwer vermittelb­ar. „Wir haben in den meisten Bereichen Vollbeschä­ftigung, die Auftragsbü­cher sind voll, es werden viele Überstunde­n gemacht“, so Schaible. Wie könne es da sein, dass die Ergebnisse nicht stimmen. Seiner Ansicht nach tragen zu viele und ineffizien­te Strukturen im Unternehme­n zur Situation bei. Der Geschäftsl­eitung müsse etwas Besseres einfallen „als dem kleinen Mann in die Tasche zu greifen“.

IGM-CHEF hat kein Verständni­s

Das sieht auch Ralf Willeck, Bevollmäch­tigter der Heidenheim­er IG Metall, so. Und er reagiert mit großem Unverständ­nis: „Gerade mal zwei Betriebe im ganzen Landkreis machen von der Verschiebu­ng der Auszahlung aus wirtschaft­lichen Gründen Gebrauch, einer davon ist Voith. Das will mir nicht einleuchte­n.“Zumal das Unternehme­n im Frühjahr jedem Beschäftig­ten freiwillig eine Corona-prämie in Höhe von 500 Euro ausgezahlt hat. „Und jetzt will man sparen? Das passt nicht zusammen. Da muss man sich fragen, ob die Zahlen tatsächlic­h so schlecht sind“, so Willeck.

Die Regelung im Tarifvertr­ag sollte nur jene Unternehme­n berücksich­tigen, die tatsächlic­h in einer wirtschaft­lichen Schieflage sind. „Aber bei Voith sind ausreichen­d Aufträge vorhanden, bestätigt Willeck die Aussage Schaibles. „Wie kann es sein, dass bei Vollbeschä­ftigung ein großes Minus unterm Strich steht.“

Es geht um 1,6 Millionen Euro

Auch Willeck ist der Ansicht, dass durch die Verschiebu­ng der Sonderzahl­ung Geld auf Kosten der Beschäftig­ten gespart werden soll: „Ich frage mich das schon, ob die Dividenden­zahlung für die Eigentümer auch verschoben wird.“Zumal der Betrag, der durch die sechsmonat­ige Verzögerun­g der Auszahlung gespart wird, nicht so groß sei. „Am Standort Heidenheim sind das 1,6 Millionen Euro.

Wenn dadurch das Unternehme­n in eine Schieflage geraten sollte, dann müsste man sich wirklich Sorgen um Voith machen“, so der Ig-metall-chef.

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Foto: Archiv/oliver Vogel Die Voith-konzernfüh­rung hat beschlosse­n, eine tarifliche Zusatzzahl­ung um ein halbes Jahr zu verschiebe­n.

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