Vorrang für das Tierwohl
ist per se weder gesünder noch ungesünder als jede andere Art der Ernährung. Wie immer kommt es darauf an, wie die jeweilige Kost aussieht. Schlecht zusammengestellte vegane Ernährung kann, ebenso wie jede andere unzureichende Nahrungsmittelzufuhr, zu Nährstoffmängeln führen und damit das Risiko für diverse Erkrankungen erhöhen.
Wenn sie allerdings klug komponiert ist, kann sie in jeder Phase des Lebenszyklus bedarfsdeckend sein und im Vergleich zur derzeit üblichen westlichen Mischkost das Risiko für eine ganze Reihe an chronisch-degenerativen Erkrankungen reduzieren. Das belegen auch die Positionspapiere zahlreicher Ernährungsfachgesellschaften in den USA, Kanada, Großbritannien oder Australien.
Vegane Ernährung bedarfsdeckend zu gestalten, ist keineswegs eine Raketenwissenschaft, aber man sollte durchaus die Grundlagen des veganen Einmaleins kennen und umsetzen. Wird auf diese Grundlagen geachtet, haben vegan lebende Menschen – ebenso wie Personen mit anderen Arten von gesunden, pflanzenbasierten Ernährungsweisen – durchschnittlich ein deutlich reduziertes Risiko für Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ II oder Herz-kreislauf-störungen.
Vegane Ernährung
Ein zusätzlicher Vorteil pflanzenbetonter Ernährungsweise ist, dass sie im Vergleich zur derzeit üblichen Mischkost mit ihrem hohen Anteil an Tierprodukten deutlich umweltschonender ist und zudem das Risiko für Entstehung und Auftreten von Zoonosen oder Antibiotikaresistenzen vermindert.
Trotz dieser positiven Aspekte darf in der Diskussion um die vegane Ernährung der eigentliche Kern des Veganismus nicht aus dem Blick verloren werden: die Tierethik. Jährlich leben und sterben weltweit 60 bis 80 Milliarden sogenannter Nutztiere zu Land unter oft unwürdigen Bedingungen. Hinzu kommen mehr als 150 Milliarden Tonnen an Meerestieren, die wir gar nicht als Individuen zählen.
Es gibt keine ethische Rechtfertigung für das, was wir den Tieren antun. Die gute Nachricht ist, dass uns der technologische Fortschritt in Zukunft ermöglichen wird, Fleisch, Fisch und andere tierische Produkte ohne Tierausbeutung zu produzieren. Wir können durch die Innovationen der zellbasierten Landwirtschaft eine Zelle aus einer Hühnerfeder oder der Nabelschnur eines Kalbs nutzen, um viele tausend Kilo an hochwertigem Fleisch auf ethisch vertretbare und umweltfreundliche Art zu produzieren. Diese Produkte sind zwar nicht frei von tierischen Inhaltsstoffen, basieren aber weder auf Tierleid noch Ausbeutung und sind somit vegan. Laut der Unternehmensberatung Kearney kann diese Technik in den folgenden Jahrzehnten den Großteil des herkömmlichen Fleisches ersetzen – und somit auch die „Grabenkämpfe“zwischen vegan und mischköstlich essenden Personen beenden.
Der Autor,
Jahrgang 1991, ist Koch, Ernährungswissenschaftler und u.a. Verfasser des Buches „Vegan-klischee ade! Wissenschaftliche Antworten auf kritische Fragen zu pflanzlicher Ernährung.“Becker Joest Volk 2020. 512 S., 26,50 Euro.