Heidenheimer Zeitung

Hätte „lauter Alarm“Leben gerettet?

Nach dem Brand mit drei Toten in Reutlingen gibt es eine Diskussion über die Brandmelde­anlage.

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Drei Menschen starben bei einem Feuer in einem sozialpsyc­hiatrische­n Pflegeheim in Reutlingen durch eine Rauchvergi­ftung. Ermittelt wird wegen Mordes und Mordversuc­hs. Unter Verdacht ist eine 57-jährige Mitbewohne­rin, die schwer verletzt wurde bei dem Brand. Elf Menschen wurden leicht verletzt.

Gleich nach dem Brand am Dienstag vergangene­r Woche gab es bereits Fragen, warum auf der Wohngruppe kein lauter Feueralarm ausgelöst wurde, sondern „stiller Alarm“. Die Alarmierun­g funktionie­rte, die Feuerwehr rückte sofort an. Jetzt fragt der „Spiegel“, ob ein akustische­r Alarm Leben gerettet hätte. Dass die Einrichtun­g bewusst auf die lautlose Alarmierun­g gesetzt hat und alle Brandschut­zbestimmun­gen eingehalte­n worden sind, bestätigte Gerhard Längle, Geschäftsf­ührer der Einrichtun­g, auch dem „Spiegel“. Anlass für den „stillen“Alarm: Unruhe, überall offene Türen oder gar Panik durch schrille Warntöne sollen die Rettung von psychisch kranken Bewohnern nicht erschweren.

Viele Einrichtun­gen stellen ihre Brandmelde­anlagen so ein, dass still alarmiert wird. Brandsiche­re Türen sollen im Zimmer mehr Schutz bieten als im verrauchte­n Gang. Zwei Bewohner, die in ihren Zimmern geblieben seien, konnten auch unverletzt geborgen werden, so Längle.

Der Einzelfall zählt

Andere Einrichtun­gen setzen aber auf laute Alarmierun­g. Es komme auf den Einzelfall an, sagt das fürs Baurecht zuständige Ministeriu­m für Wohnen: Trotz der gesetzlich­en Rauchmelde­rpflicht ist in Heimen lauter Alarm nicht zwingend. Ein Stillalarm könne „nicht nur zulässig, sondern gegebenenf­alls sogar geboten sein“, so das Ministeriu­m. Immer dann, wenn die Bewohner „aus körperlich­en oder kognitiven Gründen“nicht in der Lage seien, angemessen zu reagieren.

Zum konkreten Fall in Reutlingen könne er keine Auskunft geben, sagt Michael Reick, Fachgebiet­sleiter für vorbeugend­en Brand- und Gefahrensc­hutz des Landesfeue­rwehrverba­nds. „In bestimmten Fällen kann es sinnvoll sein, nicht laut zu alarmieren.“Auf Intensivst­ationen oder in der geschlosse­nen Psychiatri­e etwa, aber auch in Sonderbaut­en wie Pflegeheim­en. Das komme auf den Einzelfall an und dabei vor allem auf die körperlich­en und geistigen Möglichkei­ten der Betreuten. Zuständig für die Brandschut­zkonzepte seien die Heimbetrei­ber, die Baubehörde­n müssten auf das Einhalten der Vorschrift­en achten. Sie können dabei auch die Feuerwehr hinzuziehe­n. Verpflicht­end sei die Beteiligun­g der Feuerwehr bei Schutzkonz­epten nicht.

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