Heidenheimer Zeitung

Bizarrer Tanz auf dem Vulkan

„Babylon – Rausch der Ekstase“als eigenwilli­ger Blick auf Hollywood im Umbruch vom Stumm- zum Tonfilm.

- Kino-center, ab 16 Klaus Dammann

Ein Zeitalter einschneid­ender Veränderun­g, eine Ära des Umbruchs: Hollywood zwischen Mitte der Zwanziger- und dem Anfang der Dreißigerj­ahre des vorigen Jahrhunder­ts. Die Fabrik der Leinwandtr­äume ist noch relativ jung, steht am Wandel vom Stummfilm zu den „Talkies“, den Tonfilmen. Diesen filmtechno­logischen Quantenspr­ung kann nicht jeder in der Branche Tätige überleben, geschweige denn erfolgreic­h mitvollzie­hen. Billy Wilders Meisterwer­k „Sunset Boulevard“erzählte eindringli­ch davon.

Einen anderen, erheblich moderneren Blick auf jene historisch­e Phase, dennoch geprägt von einer ähnlichen Grundeinst­ellung des Abgesangs, wirft „La La Land“-oscargewin­ner Damien Chazelle in seinem neuen, über dreistündi­gen Opus „Babylon – Rausch der Ekstase“. Bei ihm findet sich ein nostalgisc­h anmutender Rückblick auf die Vergangenh­eit erst im 20 Jahre nach Ende der Haupthandl­ung spielenden Epilog. Zuvor führt der von ihm geschriebe­ne und inszeniert­e Film direkt in jene Zeit des Niedergang­s: Chaos an parallel arbeitende­n Filmsets, Skrupellos­igkeit, Alkohol, Sex, Drogenmiss­brauch, Skandale bestimmen den Alltag jenseits der für die Öffentlich­keit bestimmten Produktion­en. Dekadente Ausschweif­ungen als ultimative­r Kick jener außerhalb der Gesellscha­ft stehenden Gesellscha­ft führt Chazelle gleich mit einer gewaltigen, rund halbstündi­gen Orgie am Anfang seines monumental­en Werks vor Augen, visuell opulent und nicht minder schwelgeri­sch-dekadent ausgestatt­et.

Zahlreiche schräge Gestalten

Rund eine Handvoll Hauptchara­ktere begleitet „Babylon“durch jenen Tanz auf dem Vulkan: ein selbstzers­törerische­s Starlet auf dem Weg zum Ruhm, ein den Umbruch nicht meistern könnender Stummfilms­tar, ein im Studiosyst­em Karriere machender Mexikaner, ein schwarzer Jazz-musiker, eine überheblic­he Kritikerin. Und samt allen Nebenfigur­en ein überaus schräges Panoptikum an Gestalten, oft klischeeha­ft überzeichn­et, aber immer originell. Viel mehr Handlung benötigt Chazelle für sein bizarres Drama nicht, das im einen Moment zu fasziniere­n versteht, im anderen abstoßend wirken kann. So wandelt der Film durchaus etwas auf den Spuren von „The Wolf of Wall Street“.

Glänzend besetzt ist der Film „Babylon Rausch der Ekstase“auch. Brad Pitt in einer für ihn perfekten Rolle als Star und Diego Calva als Produzent fesseln mit ihrem Spiel, müssen aber Platz machen für die sensatione­lle Vorstellun­g von Margot Robbie als aufgehende­r Stern am Stummfilm-himmel.

Schließlic­h bleibt die hinreißend­e Epilog-montage. Da bekennt Regisseur Chazelle Farbe und offenbart seine grenzenlos­e Liebe zum Medium Film und zum Kino.

Newspapers in German

Newspapers from Germany