Bizarrer Tanz auf dem Vulkan
„Babylon – Rausch der Ekstase“als eigenwilliger Blick auf Hollywood im Umbruch vom Stumm- zum Tonfilm.
Ein Zeitalter einschneidender Veränderung, eine Ära des Umbruchs: Hollywood zwischen Mitte der Zwanziger- und dem Anfang der Dreißigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Die Fabrik der Leinwandträume ist noch relativ jung, steht am Wandel vom Stummfilm zu den „Talkies“, den Tonfilmen. Diesen filmtechnologischen Quantensprung kann nicht jeder in der Branche Tätige überleben, geschweige denn erfolgreich mitvollziehen. Billy Wilders Meisterwerk „Sunset Boulevard“erzählte eindringlich davon.
Einen anderen, erheblich moderneren Blick auf jene historische Phase, dennoch geprägt von einer ähnlichen Grundeinstellung des Abgesangs, wirft „La La Land“-oscargewinner Damien Chazelle in seinem neuen, über dreistündigen Opus „Babylon – Rausch der Ekstase“. Bei ihm findet sich ein nostalgisch anmutender Rückblick auf die Vergangenheit erst im 20 Jahre nach Ende der Haupthandlung spielenden Epilog. Zuvor führt der von ihm geschriebene und inszenierte Film direkt in jene Zeit des Niedergangs: Chaos an parallel arbeitenden Filmsets, Skrupellosigkeit, Alkohol, Sex, Drogenmissbrauch, Skandale bestimmen den Alltag jenseits der für die Öffentlichkeit bestimmten Produktionen. Dekadente Ausschweifungen als ultimativer Kick jener außerhalb der Gesellschaft stehenden Gesellschaft führt Chazelle gleich mit einer gewaltigen, rund halbstündigen Orgie am Anfang seines monumentalen Werks vor Augen, visuell opulent und nicht minder schwelgerisch-dekadent ausgestattet.
Zahlreiche schräge Gestalten
Rund eine Handvoll Hauptcharaktere begleitet „Babylon“durch jenen Tanz auf dem Vulkan: ein selbstzerstörerisches Starlet auf dem Weg zum Ruhm, ein den Umbruch nicht meistern könnender Stummfilmstar, ein im Studiosystem Karriere machender Mexikaner, ein schwarzer Jazz-musiker, eine überhebliche Kritikerin. Und samt allen Nebenfiguren ein überaus schräges Panoptikum an Gestalten, oft klischeehaft überzeichnet, aber immer originell. Viel mehr Handlung benötigt Chazelle für sein bizarres Drama nicht, das im einen Moment zu faszinieren versteht, im anderen abstoßend wirken kann. So wandelt der Film durchaus etwas auf den Spuren von „The Wolf of Wall Street“.
Glänzend besetzt ist der Film „Babylon Rausch der Ekstase“auch. Brad Pitt in einer für ihn perfekten Rolle als Star und Diego Calva als Produzent fesseln mit ihrem Spiel, müssen aber Platz machen für die sensationelle Vorstellung von Margot Robbie als aufgehender Stern am Stummfilm-himmel.
Schließlich bleibt die hinreißende Epilog-montage. Da bekennt Regisseur Chazelle Farbe und offenbart seine grenzenlose Liebe zum Medium Film und zum Kino.