Selig Sind, die Frieden stiften, denn Sie werden Kinder gottes heissen!
In dieser Woche, in der entschieden wurde, Kampfpanzer in das Kriegsgebiet der Ukraine zu liefern, lag ein Erinnerungstag, der wichtig ist für die europäische und insbesondere die deutsche Geschichte. Ich spreche vom recht jungen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, der 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog angeregt wurde und seitdem in den Kalendern steht. Das Datum des Gedenktages, der 27. Januar, bezieht sich auf die Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz. Am Morgen des 27. Januar 1945 hatten die ersten Soldaten der Roten Armee am Ende des Zweiten Weltkrieges das Vernichtungslager Auschwitz III Monowitz erreicht. Es ist kein Zufall, dass dieser längst überfällige Tag des Erinnerns an die Millionen
Ermordeten und Verfolgten, an Juden, Sinti und Roma, an Menschen mit Behinderung, denen das Recht auf Leben abgesprochen wurde, gerade in dem Jahrzehnt nach dem Mauerfall und dem Ende des Eisernen Vorhangs eingeführt wurde. Mit dem Gedenken an die Opfer eines mörderischen Regimes, an Männer und Frauen des Widerstandes, an Homosexuelle, an Künstler und Wissenschaftler, verband sich auch die Hoffnung auf eine tiefere Freundschaft zwischen den Ländern des Westens und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Es gab viel zu viele Opfer, zu denen im Übrigen auch Kriegsgefangene und Deserteure gehörten.
Ich kann mich der Erinnerung an die schuldhafte Geschichte unseres Landes nicht stellen, ohne dass sich der Satz Jesu aus der Bergpredigt tief in mein Gewissen einbrennt: Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes heißen! Jesus hat sich der friedlosen Wirklichkeit seiner Zeit entgegengestellt und denen Heil versprochen, die Frieden wirken. Im Moment dreht sich eher die Eskalationsspirale und wir folgen einer verhängnisvollen Kriegslogik. Nach den Helmen kamen Panzerfäuste und Haubitzen, dann Schützenpanzer und jetzt schließlich Kampfpanzer.
Wenn Kindern auf Zeitungsseiten die Vorzüge schwerer Kampfpanzer vom Typ „Leopard“erklärt werden, halte ich das für mehr als bedenklich. So schlecht waren die Zeiten nicht, als Kriegsspielzeug aus den Kinderzimmern verbannt war. Denn Kinder sollen eigentlich das andere lernen: die gegnerischen Interessen verstehen, Konflikte friedlich beilegen und nach einem Streit auch wieder Hände reichen. Frieden stiften, eben! Kinder wieder an Krieg zu gewöhnen in einem Europa, das sich sehr lange auf die Fahnen schrieb: „Nie wieder Krieg!“, halte ich für gefährlich. Auch wenn ein anderer angefangen und den Krieg vom Zaun gebrochen hat.
Manche denken ja, mit der Bergpredigt lasse sich keine Politik machen. Mir kam eine Predigt meines im vorletzten Jahr verstorbenen theologischen Lehrers Eberhard Jüngel zu Jesu Seligpreisung der Friedfertigen in den Sinn. Jüngel, 1934 in Magdeburg geboren, wuchs in der damals sogenannten Ostzone auf und wirkte anfangs in Ostberlin, später in Zürich und Tübingen. Er kannte also während des Kalten
Krieges beide Blöcke aus eigener Anschauung. Hier seine Gedanken zum Friedenswort Jesu in der Bergpredigt: 1. Jesus mutet uns eindeutig zu, jetzt Frieden zu wirken. 2. Jesus mutet uns damit zu, jetzt Nein zu sagen gegen jeden Versuch, einen Krieg zu verherrlichen. 3. Jesus mutet uns damit zu, jetzt Nein zu sagen gegen jeden Versuch, den Willen zur Macht mit der Etikette des Friedens zur Geltung zu bringen. 4. Jesus mutet uns dabei zu, jetzt unbedingt ehrlich und gewissenhaft zu sein. 5. Jesus mutet uns dabei zu, jetzt auf Gottes Heil mehr zu vertrauen als auf die Drohungen von Menschen.