Änderung von unten
An nahezu jedem Schaufenster hängt ein Zettel mit Stellenangeboten, gesucht werden nicht nur qualifizierte Arbeiter, sondern auch Aushilfen, Minijobber oder Teilzeitkräfte. Wer behauptet, der Fach- und Arbeitskräftemangel sei ein Problem von morgen, war entweder schon länger nicht mehr vor der Tür oder will die Realität nicht wahrhaben.
Bei der fehlenden Zuwanderung lässt sich das Problem wie folgt zusammenfassen: Die Auflagen, um in Deutschland zu arbeiten, sind hoch. Nicht nur die Sprache, auch die bürokratischen Anforderungen für ein Arbeitsvisum, unter anderem Arbeitsund Mietvertrag, offizielle Übersetzungen zahlreicher Dokumente, Sprach- und Einkommensnachweise, schrecken ab – gerade, wenn es in anderen Ländern einfacher geht.
Die Politik zeigt zwar mit der neuen Fachkräftestrategie und Gesetzesänderungen, dass sie das Thema nun ernster nimmt. Denn das halbherzige Fachkräfteeinwanderungsgesetz schnürte die Voraussetzungen so eng, dass es kaum zu einem nennenswerten Anstieg der qualifizierten Einwanderung führte. Doch eine Strategie von oben durchzusetzen, hilft immer nur bedingt.
Der Wille nach Veränderung muss von unten kommen. Die gesellschaftlichen sprichwörtlich offenen Arme sind da selbstredend. Doch ganz entscheidend wird auch das Drehen an den Schrauben der zuständigen kommunalen Behörden sein. Denn wenn diese gar nicht auf die neuen Beschlüsse vorbereitet sind, hilft auch keine noch so offene Gesellschaft. Und es geht um langfristige Gewissheit für die Menschen, die hierherkommen, dass Aufenthaltstitel und Arbeitsvisa unkompliziert vor Ort verlängert werden können – und ihr
Fall nicht wegverwaltet wird, indem sie zur Rückkehr in das Heimatland aufgefordert werden, um an der dortigen deutschen Botschaft erneut einen Antrag zu stellen.
Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung sind in den Ausländerbehörden diverser deutscher Großstädte schon jetzt Zehntausende E-mails unbearbeitet. Dahinter steht zehntausendfach Frustration und Verzweiflung der Betroffenen, deren Zukunft in der Schwebe hängt. Denn die Folgen von
Es braucht mehr Personal und ein Umdenken hin zu Eigenverantwortung und Flexibilität.
Fristversäumnissen reichen von eingeschränkter Bewegungsfreiheit bis zur Annullierung von Verträgen. Und Planungssicherheit brauchen nicht nur die Arbeitskräfte, sondern auch die Arbeitgeber.
Ohne Veränderung in den starren Behördenabläufen werden diese Spitzenkräfte den deutschen Arbeitsmarkt weiter meiden. Es braucht nicht nur mehr Personal, sondern ebenfalls ein Umdenken in den Köpfen hinter den Schreibtischen hin zu mehr Eigenverantwortung und Flexibilität. Es kann nicht sein, dass Fälle erst bearbeitet werden, wenn sich Anwälte oder öffentliche Arbeitgeber einschalten.
Wenn Deutschland langfristig die Arbeitskräftezuwanderung vereinfachen will, heißt die Losung: Pragmatismus. Neben der gesetzlichen Komponente braucht es die auch auf der menschlichen Seite der Bürokratie. Sonst suchen sich die klügsten Köpfe ein anderes Land zum Arbeiten.