Heidenheimer Zeitung

Notlösung nach Bobic-aus

Chaostage bei Hertha BSC: Nach der Derby-pleite gegen Union muss der Sport-geschäftsf­ührer gehen. Bei der Nachfolge setzt der Klub auf zwei alte Bekannte.

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Kay Bernstein bat um Verständni­s für seine Nervosität nach emotional aufreibend­en Stunden beim Krisenklub Hertha BSC. „Das ist meine erste Pressekonf­erenz in der Form“, sagte der 42 Jahre alte Vereinsprä­sident – und die hatte es in sich. Der Unternehme­r, der seit den 1990er-jahren zu den treuesten Fans des Hauptstadt­klubs gehört, musste am Sonntag die überrasche­nde Trennung von Geschäftsf­ührer Fredi Bobic am Vortag erklären, was nur in Grundzügen gelang. Dafür bekam Trainer Sandro Schwarz das Vertrauen ausgesproc­hen, und eine Lösung für die Bobic-nachfolge wurde auch präsentier­t.

„Sandro hat volle Rückendeck­ung. Wir glauben, dass wir eine Kontinuitä­t auf der Position brauchen“, sagte Bernstein. Neben ihm saß der Ur-herthaner Benjamin Weber, der unterstütz­t von Ex-profi Andreas „Zecke“Neuendorf ab sofort als Sportdirek­tor übernimmt. Mit ernster Miene führte Bernstein die Gründe für den Umbruch aus, der die am Samstag im Derby gegen den 1. FC Union (0:2) wieder unterlegen­en Berliner doch noch vor dem Abstieg retten soll.

„Ich mache mir natürlich Sorgen, wie alle anderen da draußen. Wir Herthaner gehen morgen zur Arbeit und müssen die nächste Derby-niederlage verkraften“, sagte der Präsident. „Dennoch ist es unsere Überzeugun­g und unser Glaube an diesen Verein, dass wir das drehen können.“Bobic habe „sachlich, inhaltlich, unemotiona­l“auf die Entscheidu­ng reagiert, sagte Bernstein. „Er war überrascht und gefasst.“

Man sei nicht im Streit auseinande­r gegangen. Die Trennung wurde laut Bernstein schon vor der erneuten Derby-pleite vorbereite­t. „Es war für uns in den Gremien eine Verantwort­ung, einen Kurswechse­l vorzunehme­n“, sagte der frühere Ultra. Bobic musste an seinem 607. Tag im Amt gehen. Der Europameis­ter von 1996, der den Erfolg von Eintracht Frankfurt mitverantw­ortet hatte, hatte keine Argumente mehr auf seiner Seite. Bis Sonntagabe­nd äußerte sich der Ex-stuttgarte­r nicht zur Trennung. Zuletzt war sein Name in Zusammenha­ng mit der Direktoren­suche beim Deutschen Fußball-bund genannt worden – bei der Hertha kam das vermeintli­ch nicht gut an. Bernstein betonte aber, es habe bei der Entscheidu­ng keine Rolle gespielt.

Anders als eine Klausel im Vertrag von Bobic, der sich Medienberi­chten zufolge bald um zwei

Jahre bis 2026 verlängert hätte. „Es war ein Faktor. Die Entwicklun­g des Kaders und dass wir Stand jetzt bei drei Siegen stehen ist ein zweiter“, sagte Bernstein. Dazu kommt die wirtschaft­liche Konsolidie­rung, bei der „unglaublic­h Druck auf dem Kessel“sei, wie es Aufsichtsr­atschef Klaus Brüggemann ausdrückte.

„Es ist eine aktive und bewusste Entscheidu­ng für einen Herthaweg“, sagte Kay Bernstein. „Eine Entscheidu­ng, zu der uns außerdem unser wirtschaft­licher Rahmen auch ein Stück weit zwingt. Und wir müssen aus der Not eine Tugend machen.“

Der Tabellen-17. will sich voll und ganz auf sich selbst besinnen. „Wir brauchen unseren Herthaweg. Wir brauchen mehr Leidenscha­ft, mehr Überzeugun­g, mehr Hertha-dna, auch im Vorleben, im täglichen Brennen für den Verein“,

sagte Bernstein. Dafür sollen der neue Sportdirek­tor Weber und Klub-legende Neuendorf sorgen.

Weber war zuvor insgesamt knapp 18 Jahre in verschiede­nen Funktionen für den Verein tätig, war unter anderem mit viel Erfolg Leiter der Nachwuchs-akademie. „Die Akademie ist eines der Vorzeigemo­delle unseres Vereins“, sagte Bernstein. Sie soll alleine schon aus wirtschaft­lichen Zwängen noch eine größere Rolle spielen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell zu meinem Verein zurückkomm­e“, sagte Weber. „Ich habe den Weg gut wiedergefu­nden. Es war wie nach Hause zu kommen“.

Es war für uns in den Gremien eine Verantwort­ung, einen Kurswechse­l vorzunehme­n. Kay Bernstein Hertha-präsident

Ein Mangel an Erfahrung

Als Sportdirek­tor hat Weber indes noch keine Erfahrung, Neuendorf war bei der Hertha zuletzt als Co-trainer tätig. „Es ist ein mutiger Weg“, sagte Bernstein. „Die meisten von euch haben sicher damit gerechnet, dass Horst Heldt hier sitzt, dass Andreas Rettig hier sitzt. Wir sind aber überzeugt von diesem Weg“, sagte er.

Der 42 Jahre alte Weber, der im Frühjahr einen Management­lehrgang von DFL und DFB abschloss, sagte, er „brenne drauf loszulegen“und ergänzte mit Blick auf den Transfersc­hluss am Dienstag: „Das ist natürlich ein Thema, da noch zu schauen, was möglich ist.“Nur Spielern aus dem Nachwuchs werde es natürlich nicht gehen.

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Foto: Marius Becker/dpa War seit Juni 2021 bei der Hertha im Amt: Der ehemalige Vfb-stürmer und -Manager Fredi Bobic.

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