Wer Straßen baut, erntet Verkehr – stimmt das?
Seit Wochen streiten Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) über den Neu- und Ausbau von Autobahnen. Was die Knackpunkte sind.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) erträgt einen Satz von Tag zu Tag immer weniger. Er lautet: „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“Vorgetragen wird er von Straßenbaugegnern, den Grünen und Umweltverbänden. Seit Wochen sorgt diese Überzeugung für Streit in der Ampel-koalition. Doch was ist da dran?
Bringen mehr Straßen mehr kehr?
VerJa, darin sind sich Verkehrsforscher weitestgehend einig. Die Wissenschaftler nennen das Phänomen „induzierter Verkehr“. Das besagt, dass eine Verbesserung der Infrastruktur mehr Verkehr zur Folge hat. Die Gründe: Zusätzliche Autobahnen können für eine Senkung der Reisezeiten und Transportkosten führen. Darauf weist beispielsweise der
Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einer Dokumentation 2021 hin. Induzierten Verkehr gibt es nicht nur auf der Straße, sondern ebenso auf der Schiene. Das hat das 9-Euro-ticket gezeigt: Die Verkehrsverlagerung in den Sommermonaten war marginal, stattdessen wurde schlichtweg mehr gefahren.
Warum können sich die Ampel-partner nicht einigen?
Die Grünen mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke an vorderster Front wollen keinen weiteren Kilometer Straße mehr neu- oder ausbauen. Fdp-minister Wissing will stattdessen den vorhandenen Verkehr Co2-frei gestalten, indem er Lastwagen elektrifiziert. Die SPD ist tendenziell auf Wissings Seite. Spd-chefin Saskia Esken meinte zuletzt, dass man sowohl bei der
Straße als auch Schiene den „Turbo zünden“müsse.
Warum beharren die Koalitionspartner auf ihren Positionen?
Die Grünen müssen nach den Konflikten in der Partei um Lützerath beweisen, dass sie es mit dem Klimaschutz ernst meinen. Zudem haben sie – wie die anderen Koalitionspartner – die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus Mitte Februar im Blick. In Berlin spielt der Streit um die A100 eine besondere Rolle und könnte wichtige Stimmen kosten.
Wissing verweist zudem auf die Verkehrsprognose: Künftig wird der Transport auf der Straße zunehmen. 2019 wurden rund 4,3 Milliarden Tonnen mit Lkw transportiert, 2051 werden es Wissing zufolge 5,7 Milliarden Tonnen sein.
Der Umstieg auf die Schiene ist nicht so leicht möglich, weil die Infrastruktur nach Jahren des Rückbaus erst wieder instandgesetzt und ausgebaut werden muss.
Wie will Wissing Emissionen einsparen?
Die Zeichen stehen auf Elektrifizierung des Güterverkehrs. Doch ein gewichtiges Problem liegt beim Laden der Lkw. Einer aktuellen Studie der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur zufolge müssen hochfrequentierte Strecken spätestens 2035 an das Hochspannungsnetz angeschlossen werden. Hier geht es bisher aber zu langsam voran, heißt es aus der Branche.