Vermutlich weitere Seniorin getötet
Hat der mutmaßliche Serienmörder von Schwäbisch Hall im Dezember eine weitere Rentnerin überfallen? Ermittler schlossen damals ein Verbrechen noch aus.
Angst und Schrecken dominierten den Alltag in Hall. Ein Serienkiller hat seit Dezember zwei Seniorinnen getötet. In einem dritten Fall von 2020 wird seine Beteiligung noch geprüft. Der mutmaßliche Täter, ein 31-jähriger serbischer Staatsbürger, wurde am Dienstag von Spezialkräften festgenommen. Damit könnte die Geschichte abgeschlossen sein – eigentlich. Der Fall bekommt aber ein weiteres schreckliches Kapitel. Vieles deutet darauf hin, dass im direkten Umfeld der zwei Tatorte und der Wohnung des Täters eine weitere Seniorin getötet wurde – exakt eine Woche vor der Ermordung von Heidemarie K. am 21. Dezember 2022.
Es geht um die 86-jährige L., die ebenso an einem Mittwoch am Hagenbacher Ring starb. Sie wurde am 14. Dezember mit einer tödlichen Kopfverletzung von Angehörigen in ihrem Reihenhaus entdeckt. Der Notarzt ging von einem nicht natürlichen Tod aus. Offenbar war die Verletzung so weit oben am Schädel, dass diese eigentlich nicht von einem Sturz hätte stammen können. Die Kripo wurde eingeschaltet. Zu dieser Zeit dachte noch keiner an eine Mordserie. Nach Informationen, die dieser Redaktion vorliegen, behandelten die Beamten das Haus zunächst als Tatort. Angehörige haben darauf hingewiesen, dass die Handtasche geöffnet und der Geldbeutel leergeräumt war.
Staatsanwaltschaft und Polizei änderten aber kurz darauf die Einschätzung und gingen doch von einem Unfall aus. Sie gaben trotz der Zweifel der Angehörigen Haus und Leichnam frei. Das rächt sich nun. Denn die Seniorin wurde kurz darauf eingeäschert. Die Trauerfeier samt Urnenbeisetzung fand genau einen Tag vor Heiligabend auf dem Waldfriedhof in Schwäbisch Hall statt. Also just an dem Tag, als das nächste Mordopfer Heidemarie K. ganz in der Nähe, im Schönbergweg, tot
aufgefunden wurde. Auch dort sahen die Ermittler zunächst die Möglichkeit, dass die 77-Jährige aufgrund eines Sturzes gestorben sein könnte. Doch auch bei ihr fehlte Geld. Die Ermittler entschieden
sich für eine Obduktion. Mit dem Ergebnis war klar, dass es sich um ein Gewaltverbrechen handelte. Erst darauf wurde die Soko „Höhe“gegründet. Bereits da zweifelten die Beamten
über ihre Entscheidung im Fall der zuvor gestorbenen L. War es derselbe Täter, der der Frau ebenso in ihrem Haus tödliche Kopfverletzungen zugefügt und sie ausgeraubt hatte?
Nach Informationen unserer Redaktion rückte die Kripo danach mehrfach aus und ermittelt nun auch im älteren Fall L. – allerdings fehlt durch die Einäscherung die wesentliche Chance für den Beweis eines Kapitalverbrechens. Ganz aufgegeben haben die Ermittler wohl nicht. Die Haustüre ist seit Ende Dezember versiegelt. Laut Beschriftung war die letzte Untersuchung der Kriminalpolizei dort am 19. Januar – also zwei Tage nach dem gescheiterten Raub des mutmaßlichen Serientäters in einem Wohnhaus in Ilshofen.
Wären die Ermittler dem 31-Jährigen früher auf die Schliche gekommen, wenn sie den Fall L. damals bereits als Tötungsdelikt gewertet hätten? Wären dann weniger Opfer zu beklagen gewesen? Die Fragen lassen sich heute kaum klären.
Oberstaatsanwalt Harald Lustig sagt am Donnerstagmittag auf Nachfrage, dass die Ermittlungen der Soko „Höhe“nicht abgeschlossen seien und insbesondere der Fall L. noch genauer geprüft werde. Er räumt ein, dass die Fälle der toten Seniorinnen doch ähnlich sind und man durchaus Parallelen ziehen kann. Im Fall Heidemarie K. habe es aber „deutlichere Anhaltspunkte“gegeben, die für eine Obduktion gesprochen hätten. Den Fall L. „haben wir bereits im Vorfeld sehr kritisch untersucht“. Da kein natürlicher Tod vorlag, sei ein reguläres Todesermittlungsverfahren erfolgt, in dem Ergebnis wurde damals allerdings „keine Fremdeinwirkung festgestellt“.
Nachweis nur schwer möglich
Die Folgen der Entscheidung und der Freigabe der Leiche lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Wäre die Seniorin erdbestattet worden, wäre immerhin noch eine Exhumierung denkbar, so Lustig. Doch nach der Einäscherung fehlt die Möglichkeit, anhand von gerichtsmedizinischen Untersuchungen einen nachträglichen Beweis für die Tötung zu bekommen. So blieben nur mögliche Dna-spuren im Haus sowie Aussagen der Personen, die die Seniorin nach dem Tod gesehen haben, etwa Amtsarzt und Bestatter. Aus dem Umfeld der Verstorbenen klingen jedenfalls große Zweifel an der These des Unfalls durch. Sie sind überzeugt, dass der Serienkiller auch L. getötet hat, bevor noch zwei weitere Frauen folgten.