Pannen, Pfaue, Paradiese
Motorradfahren ist Rudi Bernerts große Leidenschaft: Seit mehr als 20 Jahren organisiert der Giengener kleinere und größere Reisen für Gleichgesinnte in etliche Länder. Und wenn einer eine Reise tut, dann hat er auch was zu erzählen.
Als Rudi Bernert 18 Jahre alt war, wollte er sich eine Yamaha kaufen, Zweitakter, günstig und schnell. „Zu dem Zeitpunkt hat im Dorf aber jemand eine BMW verkauft“, erzählt Bernert. Das Dorf, von dem er spricht, ist Bartholomä – „ich komme eigentlich von der Alb“, ergänzt er. Die BMW jedenfalls sei eigentlich nichts für einen 18-Jährigen gewesen, die riesige Verkleidung vorne, das Radio . . . „Aber mein Vater wollte, dass wir uns die BMW zusammen kaufen. Letztlich ist er nie damit gefahren.“
Heute ist Bernert 58 Jahre alt, schon seit vielen Jahren wohnt er in Giengens Mitte, in einer Wohnung im zweiten Stock, mit bester Aussicht auf die Stadt. In der Garage steht auch heute noch eine BMW (für Fachleute: eine BMW R 1250 GS), außerdem eine KTM 1290 Super Adventure. Das Motorradfahren hat ihn in all den Jahren nicht losgelassen, auf der Sitzbank seiner Zweiräder hat er schon etliche Touren in etlichen Ländern zurückgelegt und die Zweiräder 1998 sogar zu seinem Beruf gemacht.
Ein teures Hobby
Als der Giengener seine zweite Ehefrau kennenlernte und viel mit ihr Motorrad gefahren ist, haben sich die beiden bald überlegt, wie sie sich bei ihrem teuren Hobby Geld sparen könnten. „Der Service für die Motorräder, die vielen Hotels, das war alles kostspielig. Mit dem Zelt waren wir da auch nicht mehr unterwegs“, so Bernert.
So kam das Ehepaar darauf, organisierte Motorradreisen anzubieten. Nicht für die Fahrer „mit Jeansjacken und ohne Ärmel“, die „Hell Riders“auf ihrer Kutte stehen haben, auch nicht für „Hitzköpfe“unter den Motorradfahrern. Sondern für die schon etwas älteren Bmw-fahrer, die sich solche Touren auch leisten können. Angefangen hat alles mit einem Bmw-händler, der Bernert damit beauftragt hat, eine Tour für ihn zu organisieren.
Fünf bis sechs Fahrer pro Gruppe
Im Laufe der Jahre folgten viele weitere Händler, die mit Bernert zusammenarbeiteten. Für die Kunden sollte es darum gehen, dass sie sich um nichts mehr selbst zu kümmern brauchen. Mehr und mehr Teilnehmer aus Süddeutschland schlossen sich den Ausfahrten an – aufgeteilt sind die Großgruppen dabei immer in Kleingruppen zu höchstens sechs Fahrern mit jeweils einem Tourenguide. „Bei mehr als sechs Fahrern würde man nicht mehr alle sehen können“, erklärt
Bernert, der schon viele Gruppen geleitet hat.
Anfangs ging es für die Motorradfahrerinnen und Motoradfahrer ausschließlich nach Italien. Lombardei, Abruzzen, Friaul-julisch Venetien, Toskana – alles war dabei. In Italien sei das Preis-leistungs-verhältnis besser als beispielsweise in Südtirol, in den Restaurants und Hotels könnten die Angestellten eher Englisch als etwa in Frankreich und auch böse Überraschungen hat Bernert in Italien bisher kaum erlebt. „In Frankreich ist das ganz anders, da
wird man auch mal abgezockt“, vergleicht der 58-Jährige.
Seit 1998 hat sich in Bernerts Motorradwelt viel getan, allem voran kamen mehr und mehr Länder hinzu, die er mit seinen Gruppen angefahren hat. Neben Deutschland zählen Slowenien, Belgien, Sardinien, Österreich, Tschechien oder Spanien längst zu den Zielen. Erstmals soll in diesem Jahr auch Korsika dazukommen.
Eins von Bernerts Lieblingszielen bleibt aber Trentino, das er ein „Motorradparadies“nennt. „Dort ist man wirklich noch willkommen. Die Preise sind auch okay und es gibt keine Geschwindigkeitsbegrenzungen. In den Dolomiten kann es sein, dass man den ganzen Berg mit 60 hochfahren muss, und es ist teuer, wenn man dort geblitzt wird“, schildert Bernert. Pro Jahr kommen bei ihm
einige Touren zusammen, 2023 sind es 14. Manche davon sind Baukastenreisen, bei denen manche Fahrer alles, andere aber auch nur einen Teil mitfahren. In der Vergangenheit hat Bernert schon weit mehr Touren pro Jahr angeboten. Mittlerweile musste er davon etwas Abstand nehmen, auch deshalb, weil seine Frau verstorben ist und er dadurch alle Aufgaben alleine übernimmt. „Manchmal war ich vier Wochen am Stück unterwegs. Als ich dann heimkam, hat die Zeit bis zur nächsten Tour mit Service, Wäsche
machen und so weiter nicht gereicht.“
Wenn Bernert von seinen Reisen erzählt, klingt das weniger nach einem Beruf als vielmehr nach einer großen Leidenschaft, die er mit guten Bekannten teilt.
Ein Landgut hinterm Metalltor
Er kann etliche Hotels aufzählen, die ihn nachhaltig beeindruckt haben, ein Landgut zum Beispiel mit einem Metalltor, hinter dem Pfauen frei herumgelaufen sind und in dem seine Frage nach einem Bier mit „We have a tearoom“ beantwortet worden ist. „Die Hotels waren bisher alle ein Erlebnis, im guten wie im schlechten Sinne.“Bernert erinnert sich noch gut daran, dass es damals, als er angefangen hat, noch keine Homepages gab, auf denen die Hotels in aller Ausführlichkeit beschrieben worden sind. Die bloßen Infos waren vorab klar, alles andere eine Überraschung.
Probleme mit dem Dialekt
Anfangs hatte natürlich auch Bernert selbst keine eigene Homepage, mittlerweile hat sich das geändert. Ab und an stoßen Interessierte darauf und schließen sich der süddeutschen Gruppe an, beispielsweise waren schon Teilnehmer aus Hannover dabei. „Das Problem war, dass sie uns wegen unseres Dialekts kaum verstanden haben, wenn wir nach unseren Touren noch beieinandergesessen haben“, erzählt Bernert schmunzelnd.
Während der Touren gibt es feste Regeln, die die Tourenguides einhalten müssen. Vor dem Losfahren müssen sie wissen, wer den kleinsten Tank hat, wie weit also gefahren werden kann. Eine feste Reihenfolge wird festgelegt, die Schnellen sind vorne. „Jeder soll seinen Spaß haben und nicht ausgebremst werden“, erklärt Bernert. Keine Angst haben und gut um die Kurven kommen nennt er als Kriterien für eine erfolgreiche Motorradreise.
Den ganzen Stiefel umrundet
Sein Höhepunkt war 2019 eine Stiefelumrundung. Die Idee kam nicht von ihm, er hielt das Vorhaben für zu ambitioniert. Letztlich aber habe er sich doch an die Planung gemacht und zehn Fahrer mitgenommen, von denen er wusste, dass sie gut als Team funktionieren: „Wenn wir irgendwo mitten in der Pampa zwei Stunden warten müssen, weil jemand ein Problem am Motorrad hat, dann müssen alle mitziehen.“Schließlich habe sich die Umrundung mehr als gelohnt: Nur einen halben Tag habe es geregnet.