Mehrwertsteuersenkung bringt nicht mehr Wohnungen
Hohe Zinsen, Baukosten, Personalmangel: Große Konzerne beginnen keine neuen Projekte mehr. Das Ausbauziel der Regierung ist in Gefahr. Es gibt neue Vorschläge.
Erst die Wohnimmobiliengesellschaft LEG, jetzt der größte Vermieter Deutschlands Vonovia: Wegen steigendrn Baukosten und hoher Zinsen haben die Konzerne alle für 2023 vorgesehenen Neubauprojekte gestoppt. Das bringt Bundesbauministerin Klara Geywitz in Bedrängnis. In Berlin kursieren Ideen, wie die Neubauziele doch noch erreicht und vor allem sozialer Wohnraum geschaffen werden kann.
Eine der Ideen stammt von Kai Wegner (CDU), der sich um den Posten des Regierenden Bürgermeisters Berlins bewirbt. Er fordert eine Mehrwertsteuersenkung auf den Bau von Sozialwohnungen. Seine Konkurrentin, die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), findet das gut. So könnten die Auswirkungen von Inflation und den Preissteigerungen im Baugewerbe abgefedert werden.
Diese Forderung ist keine Innovation der sich im Wahlkampf befindlichen Politiker. Die Wohnungswirtschaft in Deutschland hatte zu Beginn des Jahres darauf hingewiesen, dass mehr als ein Fünftel der für 2023 und 2024 geplanten Sozialwohnungen nicht realisiert werden können. „Die Regierung muss beim Wohnungsbau sofort um- und gegensteuern, um ein Drama für die Wohnungssuchenden abzuwenden“, forderte der Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GDW, Axel Gedaschko.
Im Dschungel der Vorschriften
Das Absenken der Mehrwertsteuer für den Bau von Sozialwohnungen hält Gedaschko für eine „wirksame Teilmaßnahme“. Auch in der Bundesregierung wird darüber diskutiert. „Aktuell prüfen wir den Vorschlag zur Absenkung der Mehrwertsteuer auf den Bau von Sozialwohnungen“, teilte ein Sprecher des Bauministeriums mit. Die Entscheidungshoheit darüber hat aber nicht Geywitz, sondern Finanzminister Christian Lindner (FDP). Ein Sprecher teilte mit, dass es keine Planungen gebe, am Steuersatz für Bauleistungen etwas zu ändern.
Dem baupolitischen Sprecher der FDP, Daniel Föst, zufolge liegt das Problem nicht am mangelnden Fördergeld. Die Ampel stelle für den sozialen Wohnungsbau die Rekordsumme von 14,5 Milliarden Euro zur Verfügung und habe das Wohngeld ausgeweitet: „Wie viele Wohnungen mit diesem Geld entstehen, bestimmen die Länder mit ihren Förderrichtlinien.“Gerade Berlin müsse „seine Hausaufgaben machen, was die Vereinfachung des Baurechts, die Ausweisung von Bauland und die Dauer der Genehmigungsverfahren angeht“, sagte Föst.
Wenn es nach der Wohnungswirtschaft geht, reicht eine Steuersenkung ohnehin nicht aus. Es müsse viel mehr geschehen. „Der Ansatz, den auch die Bundesarchitektenkammer fordert, schlicht und einfach zu bauen – also jenseits des wachsenden Vorschriften-dschungels –, sollte dringend Realität werden“, forderte Gedaschko. Dazu müsse die Bundesregierung Bauvorschriften vereinfachen, für Zinsverbilligungen und Zuschüsse sorgen. „Auch das serielle und modulare Bauen sollte unterstützt werden“, unterstrich Gedaschko.