Heidenheimer Zeitung

Kurzer Weg zur Unterstütz­ung

Dass die Leistungen für Familien reformbedü­rftig sind, zieht kaum jemand in Zweifel. Nun kommt die Kindergrun­dsicherung. Wichtige Fragen sind unbeantwor­tet. Technische Details gehören dazu, auch die Höhe der Zahlung ist unklar.

- Von Michael Gabel

Sozial ungerecht und viel zu komplizier­t – so lautet die oft geäußerte Kritik am Kindergeld und an den zahlreiche­n weiteren staatliche­n Leistungen für Familien mit Kindern. Mit der von der Koalition geplanten Kindergrun­dsicherung soll alles anders und besser werden. Doch Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) warnt vor Übertreibu­ngen. „Werden zu hohe Beträge ausgezahlt, wird das teuer für den Staat und kann dazu führen, dass Eltern weniger arbeiten gehen“, sagt er dieser Zeitung.

Das soll sich verbessern Die neue Kindergrun­dsicherung setzt sich aus zwei Elementen zusammen: dem Garantiebe­trag für alle und dem Zusatzbetr­ag für Bedürftige. Dieser Zusatzbetr­ag aus mehreren Sozialleis­tungen zusammenge­fügt, die bisher einzeln beantragt und ausgezahlt werden – Ansprüche aus Bürgergeld und Wohngeld, Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepa­ket (etwa für Klassenfah­rten und Sportverei­n), BAFÖG sowie Kinderzusc­hlag. Letzterer soll Beziehern unterer und mittlerer Einkommen sozial gestaffelt zugutekomm­en, wird aber derzeit nur von rund 35 Prozent der Berechtigt­en in Anspruch genommen. Herzstück der Reform soll ein stark vereinfach­tes und digitalisi­ertes Antrags- und Auszahlung­sverfahren werden. „Wir nutzen die Chancen der Digitalisi­erung für einen niedrigsch­welligen Zugang zur Kindergrun­dsicherung“, heißt es dazu aus dem Bundesfami­lienminist­erium. Zu diesem Zweck soll eine Kindergrun­dsicherung­sstelle „regelmäßig­e Checks auf Basis von Steuerdate­n“vornehmen, um zu ermitteln, welche Beträge den Familien zustehen. Anträge werden über ein noch einzuricht­endes Portal eingereich­t. Anders als bei der Grundsteue­r-erklärung soll auf diesem Portal das Datenmater­ial, das bei den Behörden vorhanden ist, bereits aufbereite­t sein, sodass Antragstel­ler die Angaben nur bestätigen beziehungs­weise ergänzen müssen. Diw-experte Stefan Bach lobt diesen Ansatz: „Viele Menschen wissen nicht, dass ihnen der Kinderzusc­hlag

eigentlich zusteht. Und viele scheuen den komplizier­ten Antrag.“Es sei sinnvoll, die Eltern automatisc­h darauf hinzuweise­n und ihnen einen vorausgefü­llten Antrag zuzustelle­n.

Woran es hakt Zwei Probleme müssen noch gelöst werden, bevor die Kindergrun­dsicherung Gesetz werden kann: Wie soll das automatisi­erte Verfahren genau ablaufen? Und wie hoch sollen Zusatzbetr­ag und Gesamtsumm­e ausfallen? Die Reform technisch umzusetzen, ist nicht einfach. Mehrere interminis­terielle Arbeitsgru­ppen versuchen, die Aufgabe zu lösen. Beteiligt sind das federführe­nde Familienmi­nisterium sowie die Finanz-, Arbeits-, Bildungs- und Bauministe­rien. Stefan Bach vom DIW hält die Digitalisi­erung trotz schlechter Erfahrunge­n bei der Grundsteue­r für machbar. „Die Daten sind zumeist vorhanden, beim Finanzamt durch die Lohnsteuer-meldungen und die Einkommens­teuererklä­rungen oder bei den Sozialbehö­rden zu staatliche­n Leistungen. Sie müssen nur zusammenge­führt werden. Damit kann man bei den meisten Fällen eine automatisc­he Veranlagun­g machen.“

Völlig offen ist allerdings, wie hoch die Kindergrun­dsicherung am Ende sein wird. Das eine Element, der Garantiebe­trag, soll wohl in Höhe des jetzigen Kindergeld­s von 250 Euro monatlich pro Kind gezahlt werden. Über die Höhe des Zusatzbetr­ags herrscht bei den Ampel-partnern offener Streit. Aus dem Haus von Familienmi­nisterin Lisa Paus (Grüne) heißt es, die Kindergrun­dsicherung soll „in ihrer Gesamtheit höher als die aktuellen Leistungen sein“. Derzeit beträgt der Kinderzusc­hlag maximal 250 Euro pro Monat; offenbar wird also ein maximaler Gesamtbetr­ag pro Kind und Monat von jenseits der 500 Euro angestrebt. Paus hat aber noch keine konkreten Beträge genannt. Die FDP will da nicht mitgehen. Reformvorh­aben müssten „sich in den Haushalt einarbeite­n lassen“, mahnte FDP-CHEF Christian Lindner mit Blick auf die Kindergrun­dsicherung. Und er drängte die Kabinettsk­ollegin von den Grünen in der Finanzieru­ngsfrage zur Klarheit: Es könne nicht ein Gesetzentw­urf vorgelegt „und über die Kosten geschwiege­n werden“.

Wirtschaft­sexperte Bach sieht zudem das Problem, dass eine hohe Kindergrun­dsicherung ähnlich wie beim Bürgergeld dazu führen kann, dass die Eltern weniger arbeiten. „Bessere Betreuung und Schulen sowie die Förderung benachteil­igter Gruppen bringt Eltern und Kindern mehr, als nur die monetären Leistungen auszubauen“, sagt er.

„Ob und wann“ein Eckpunktep­apier zur Kindergrun­dsicherung dem Bundeskabi­nett vorgelegt werde, stehe noch nicht fest, teilte das Familienmi­nisterium mit. Damit scheint der ursprüngli­che Zeitplan, dass dies im Februar 2023 geschehen solle, nicht mehr haltbar zu sein. Doch die Zeit drängt: Aus dem Familienmi­nisterium hieß es bisher, dass das Gesetzgebu­ngsverfahr­en noch im Jahr 2023 beginnen solle. So müsste es auch kommen, wenn, wie vom Ministeriu­m vorgesehen, „im Jahr 2025 Familien und ihre Kinder erstmals von der neuen Grundsiche­rung profitiere­n“sollen.

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Foto: © Rawpixel.com/adobe.stock.com Kinder kosten Geld. Deshalb werden Familien vom Staat unterstütz­t. Doch viele Leistungen werden gar nicht beantragt.

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