Kurzer Weg zur Unterstützung
Dass die Leistungen für Familien reformbedürftig sind, zieht kaum jemand in Zweifel. Nun kommt die Kindergrundsicherung. Wichtige Fragen sind unbeantwortet. Technische Details gehören dazu, auch die Höhe der Zahlung ist unklar.
Sozial ungerecht und viel zu kompliziert – so lautet die oft geäußerte Kritik am Kindergeld und an den zahlreichen weiteren staatlichen Leistungen für Familien mit Kindern. Mit der von der Koalition geplanten Kindergrundsicherung soll alles anders und besser werden. Doch Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnt vor Übertreibungen. „Werden zu hohe Beträge ausgezahlt, wird das teuer für den Staat und kann dazu führen, dass Eltern weniger arbeiten gehen“, sagt er dieser Zeitung.
Das soll sich verbessern Die neue Kindergrundsicherung setzt sich aus zwei Elementen zusammen: dem Garantiebetrag für alle und dem Zusatzbetrag für Bedürftige. Dieser Zusatzbetrag aus mehreren Sozialleistungen zusammengefügt, die bisher einzeln beantragt und ausgezahlt werden – Ansprüche aus Bürgergeld und Wohngeld, Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (etwa für Klassenfahrten und Sportverein), BAFÖG sowie Kinderzuschlag. Letzterer soll Beziehern unterer und mittlerer Einkommen sozial gestaffelt zugutekommen, wird aber derzeit nur von rund 35 Prozent der Berechtigten in Anspruch genommen. Herzstück der Reform soll ein stark vereinfachtes und digitalisiertes Antrags- und Auszahlungsverfahren werden. „Wir nutzen die Chancen der Digitalisierung für einen niedrigschwelligen Zugang zur Kindergrundsicherung“, heißt es dazu aus dem Bundesfamilienministerium. Zu diesem Zweck soll eine Kindergrundsicherungsstelle „regelmäßige Checks auf Basis von Steuerdaten“vornehmen, um zu ermitteln, welche Beträge den Familien zustehen. Anträge werden über ein noch einzurichtendes Portal eingereicht. Anders als bei der Grundsteuer-erklärung soll auf diesem Portal das Datenmaterial, das bei den Behörden vorhanden ist, bereits aufbereitet sein, sodass Antragsteller die Angaben nur bestätigen beziehungsweise ergänzen müssen. Diw-experte Stefan Bach lobt diesen Ansatz: „Viele Menschen wissen nicht, dass ihnen der Kinderzuschlag
eigentlich zusteht. Und viele scheuen den komplizierten Antrag.“Es sei sinnvoll, die Eltern automatisch darauf hinzuweisen und ihnen einen vorausgefüllten Antrag zuzustellen.
Woran es hakt Zwei Probleme müssen noch gelöst werden, bevor die Kindergrundsicherung Gesetz werden kann: Wie soll das automatisierte Verfahren genau ablaufen? Und wie hoch sollen Zusatzbetrag und Gesamtsumme ausfallen? Die Reform technisch umzusetzen, ist nicht einfach. Mehrere interministerielle Arbeitsgruppen versuchen, die Aufgabe zu lösen. Beteiligt sind das federführende Familienministerium sowie die Finanz-, Arbeits-, Bildungs- und Bauministerien. Stefan Bach vom DIW hält die Digitalisierung trotz schlechter Erfahrungen bei der Grundsteuer für machbar. „Die Daten sind zumeist vorhanden, beim Finanzamt durch die Lohnsteuer-meldungen und die Einkommensteuererklärungen oder bei den Sozialbehörden zu staatlichen Leistungen. Sie müssen nur zusammengeführt werden. Damit kann man bei den meisten Fällen eine automatische Veranlagung machen.“
Völlig offen ist allerdings, wie hoch die Kindergrundsicherung am Ende sein wird. Das eine Element, der Garantiebetrag, soll wohl in Höhe des jetzigen Kindergelds von 250 Euro monatlich pro Kind gezahlt werden. Über die Höhe des Zusatzbetrags herrscht bei den Ampel-partnern offener Streit. Aus dem Haus von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) heißt es, die Kindergrundsicherung soll „in ihrer Gesamtheit höher als die aktuellen Leistungen sein“. Derzeit beträgt der Kinderzuschlag maximal 250 Euro pro Monat; offenbar wird also ein maximaler Gesamtbetrag pro Kind und Monat von jenseits der 500 Euro angestrebt. Paus hat aber noch keine konkreten Beträge genannt. Die FDP will da nicht mitgehen. Reformvorhaben müssten „sich in den Haushalt einarbeiten lassen“, mahnte FDP-CHEF Christian Lindner mit Blick auf die Kindergrundsicherung. Und er drängte die Kabinettskollegin von den Grünen in der Finanzierungsfrage zur Klarheit: Es könne nicht ein Gesetzentwurf vorgelegt „und über die Kosten geschwiegen werden“.
Wirtschaftsexperte Bach sieht zudem das Problem, dass eine hohe Kindergrundsicherung ähnlich wie beim Bürgergeld dazu führen kann, dass die Eltern weniger arbeiten. „Bessere Betreuung und Schulen sowie die Förderung benachteiligter Gruppen bringt Eltern und Kindern mehr, als nur die monetären Leistungen auszubauen“, sagt er.
„Ob und wann“ein Eckpunktepapier zur Kindergrundsicherung dem Bundeskabinett vorgelegt werde, stehe noch nicht fest, teilte das Familienministerium mit. Damit scheint der ursprüngliche Zeitplan, dass dies im Februar 2023 geschehen solle, nicht mehr haltbar zu sein. Doch die Zeit drängt: Aus dem Familienministerium hieß es bisher, dass das Gesetzgebungsverfahren noch im Jahr 2023 beginnen solle. So müsste es auch kommen, wenn, wie vom Ministerium vorgesehen, „im Jahr 2025 Familien und ihre Kinder erstmals von der neuen Grundsicherung profitieren“sollen.