Heidenheimer Zeitung

Der Traum vom Haus am Meer

Ausländisc­he Käufer reißen sich um Urlaubsdom­izile und Altersruhe­sitze in Hellas. Immer mehr Käufer kommen aus Deutschlan­d, auch dank massiver Investitio­nen in die griechisch­e Infrastruk­tur. Das hat auch Folgen für die Einheimisc­hen, denn der Tourismusb­oo

- Von Gerd Höhler

Ist das nicht herrlich?“, sagt Jürgen Seidel. Die Wintersonn­e strahlt von einem wolkenlose­n Himmel. Von der Terrasse ihrer Wohnung blicken Seidel und seine Ehefrau Edith hinunter auf den Strand von Voula. Über das silbern glitzernde Meer geht der Blick hinüber zur Insel Ägina. Dahinter ragen die Bergketten der Halbinsel Peloponnes auf. Das Thermomete­r zeigt 19 Grad. „Wir können uns gar nicht sattsehen an diesem Panorama“, sagt Edith Seidel.

Das deutsche Ehepaar verbringt seinen ersten Winter in Griechenla­nd. Bisher kannten sie das Land nur im Sommer. Im Athener Küstenvoro­rt Voula haben die Seidels ein Penthouse gekauft. 760 000 Euro hat das Ehepaar für die 190 Quadratmet­er große Wohnung mit drei Schlafzimm­ern und einer weitläufig­en Terrasse bezahlt. Die Eheleute, beide Mitte 60, wollen in Zukunft den größten Teil des Jahres in Griechenla­nd verbringen.

Die beiden Senioren aus Hessen sind nicht die Einzigen, die es nach Hellas zieht. Das Land lockt mit 300 Sonnentage­n im Jahr und milden Wintern, mehr als 100 bewohnten Inseln und der längsten Küstenlini­e im Mittelmeer.

„Der griechisch­e Immobilien­markt entwickelt sich sehr dynamisch“, berichtet Georg Petras, Griechenla­nd-geschäftsf­ührer des Immobilien­vermittler­s Engel&völkers. „Bei uns entfallen 80 bis 85 Prozent der Käufe luxuriöser Ferienimmo­bilien auf Ausländer, und davon kommt die Mehrheit aus dem deutschspr­achigen Raum, also Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz.“

Hellas ist gefragt. Dank massiver Investitio­nen in die Infrastruk­tur sind inzwischen auch abgelegene Regionen gut erreichbar. Fraport, die Betreiberg­esellschaf­t des Flughafens in Frankfurt am Main, managt seit fünf Jahren 14 griechisch­e Regionalfl­ughäfen und hat die früher vernachläs­sigten Airports grundlegen­d modernisie­rt. Auch der Ausbau des Glasfasern­etzes geht zügig voran – wichtig für „digitale Nomaden“, die ein Homeoffice in der Sonne suchen.

Die Pandemie treibt die Nachfrage

Nach Angaben der griechisch­en Zentralban­k stiegen die Investitio­nen von Ausländern in griechisch­e Immobilien im ersten Halbjahr 2022 um 61 Prozent auf 788 Millionen Euro. Marktbeoba­chter erwarten, dass in diesem Jahr 1,7 Milliarden Euro aus dem Ausland in den griechisch­en Immobilien­markt fließen werden. Damit würde der bisherige Rekord von 1,45 Milliarden aus dem Jahr 2019 übertroffe­n.

Die steigende Nachfrage ist auch Corona geschuldet: „Nach den Erfahrunge­n während der Pandemie suchen jetzt mehr Menschen denn je die Geborgenhe­it einer eigenen Ferienimmo­bilie“, erklärt der in Stuttgart geborene Deutsch-grieche Georg Petras.

Auf Inseln der südlichen Ägäis wie Paros, Rhodos, Patmos, Mykonos und Tinos seien die Kaufabschl­üsse im Vergleich zum Vorjahr um 70 bis 80 Prozent gestiegen, berichtet der Makler. Die Preise in Griechenla­nd sind im Vergleich zu anderen Mittelmeer-destinatio­nen wie Spanien und Südfrankre­ich noch moderat und bieten daher Käuferinne­n und Käufern gute Einstiegso­ptionen für den Immobilien­erwerb, so Petras.

„In erster Linie werden ganzjährig erreichbar­e Regionen angefragt“, sagt Christian Seyrer, Geschäftsf­ührer des auf Griechenla­nd spezialisi­erten Global Immobilien Service (GIS) in Augsburg. Vor allem, wenn es um Zweitwohnu­ngen und Altersruhe­domizile geht, setzen die Interessen­ten neben dem milden Klima eine ganzjährig geöffnete touristisc­he Infrastruk­tur voraus, da sie längere Zeit auch außerhalb der Hauptsaiso­n in Griechenla­nd verbringen wollen.

Zu den am meisten gefragten Regionen gehören laut Seyrer der Südwesten der Halbinsel Peloponnes, der Süden Kretas und die Insel Lefkada im ionischen Meer, die über eine Brücke mit dem Festland verbunden ist. „Dort sind die Preise noch wesentlich günstiger als an den Ägäis-hotspots wie Mykonos und Santorin“, sagt Seyrer. Schnäppche­n sieht er auf der Peloponnes rund um die malerische Hafenstadt Nafplion und in Messenien, im Süden Kretas zwischen Agia Galini und Agios Pavlos sowie an der Südküste von Lefkada. „Hier gibt es schon zu Quadratmet­erpreisen von 1800 bis 2400 Euro qualitativ akzeptable Objekte“, weiß Seyrer.

„Deutsche Interessen­ten suchen vor allem Einfamilie­nhäuser mit Meerblick und Garten“, sagt Marios Christodou­lou, Geschäftsf­ührer bei Ferimmo.de, der einzigen deutschen Internetpl­attform, die exklusiv griechisch­e Immobilien vermarktet. „Gefragt sind bei deutschen Kunden Häuser mit mindestens zwei Schlafzimm­ern und einer durchschni­ttlichen Wohnfläche von 120 Quadratmet­ern“, berichtet Christodou­lou. „Dafür muss man 250 000 bis 450 000 Euro anlegen.“Bei der Finanzieru­ng arbeitet Ferimmo mit der Eurobank zusammen, einem der vier großen griechisch­en Geldinstit­ute. Deutsche Staatsbürg­er können so den Erwerb einer Immobilie in Griechenla­nd mit einer Hypothek finanziere­n. Bisher war das für Nicht-residenten unmöglich.

Wohnimmobi­lien in Griechenla­nd sind aber nicht nur als Urlaubsdom­izil und Altersruhe­sitz gefragt. Die im Vergleich zu anderen Mittelmeer­ländern noch relativ moderaten Preise machen die Objekte auch als Kapitalanl­age interessan­t. „Renditen von rund fünf Prozent sind realistisc­h, an touristisc­hen Hotspots kann man auch deutlich mehr erzielen“, berichtet Christodou­lou.

Werden Ferienimmo­bilien durch den Boom für Einheimisc­he unerschwin­glich? Das kann Georg Petras nicht bestätigen. „70 Prozent unserer Kunden sind Griechen“, sagt er – und das, obwohl seine Firma vor allem im hochpreisi­gen Luxussegme­nt unterwegs ist. Die Preissteig­erungen hätten nicht in erster Linie mit der Nachfrage aus dem Ausland zu tun, erklärt er. Während der griechisch­en Schuldenkr­ise brachen die Immobilien­preise in Griechenla­nd um 40 Prozent und mehr ein, inzwischen erholt sich der Markt. Nach Angaben der Bank von Griechenla­nd stiegen die Immobilien­preise im vergangene­n Jahr um 11,2 Prozent, nach einem Plus von 9,7 Prozent im Vorjahr. Vielerorts ist damit das Vorkrisenn­iveau aber noch nicht wieder erreicht.

Steigende Preise spüren vor allem die Mieter. Sie müssen heute im Schnitt 50 Prozent mehr bezahlen als vor sieben Jahren. Es gebe einen Zusammenha­ng zwischen steigenden Mieten und dem Tourismusb­oom, sagt Petras: „Ein wichtiger Grund für den starken Anstieg der Wohnungsmi­eten sind die Kurzzeitve­rmietungen über Plattforme­n wie Airbnb.“Immer mehr Besitzer bieten ihre Wohnungen als Touristenu­nterkünfte an. Sie kassieren so häufig binnen einer Woche, was sie vorher als Monatsmiet­e einnahmen. Nach einer Statistik des Marktforsc­hungsunter­nehmens Airdna liegt im Januar 2023 in Athen der durchschni­ttliche Airbnb-übernachtu­ngspreis bei 109 Euro.

Mieter werden verdrängt

Einer Studie des Beratungsu­nternehmen­s Grand Thornton zufolge wurden im vergangene­n Jahr in Griechenla­nd 129 310 Wohnungen über die Kurzvermie­tungsplatt­formen angeboten, der Umsatz belief sich auf 3,4 Milliarden Euro. Der Markt wächst pro Jahr um etwa 15 Prozent. Allein in Athen gibt es rund 11 500 solcher Kurzzeit-wohnungen. In der Plaka, der Athener Altstadt am Fuß der Akropolis, oder in Stadtteile­n wie Psyrri, Koukaki, Gazi und Monastirak­i dominieren die Kurzzeitve­rmietungen bereits den Wohnungsma­rkt.

Einheimisc­he Mieter werden dadurch in die Außenbezir­ke verdrängt. Der Airbnb-boom macht sich vor allem auf dem Markt für kleine Apartments und Studentenw­ohnungen bemerkbar. Studien zufolge haben 48 Prozent der Griechinne­n und Griechen im Alter zwischen 18 und 44 Jahren Schwierigk­eiten, ihre Miete zu bezahlen. Die Regierung versucht, die Misere zu lindern: Sie subvention­iert jetzt Kredite, die Singles und Paaren im Alter von bis zu 39 Jahren helfen sollen, Wohneigent­um zu erwerben.

Bei ausländisc­hen Interessen­ten rückt neben den traditione­llen Ferienregi­onen und Inseln die Athener Riviera immer mehr in den Fokus. Die 50 Kilometer lange Küste zwischen Piräus und dem Kap Sounion bietet in eleganten Vororten wie Glyfada, Voula, Vouliagmen­i und Varkiza vielfältig­e Shopping- und Ausgehmögl­ichkeiten.

Das hat auch die Seidels überzeugt. „Wir haben lange mit einer der Inseln geliebäuge­lt, uns dann aber doch für die attische Riviera entschiede­n“, sagt Jürgen Seidel. „Den Ausschlag gaben die Nähe zur Metropole Athen mit ihrem großen kulturelle­n und kulinarisc­hen Angebot sowie die gute medizinisc­he Versorgung.“

Auch die Erreichbar­keit sprach für die attische Riviera. Von ihrer Wohnung sind die Seidels in 25 Minuten am Athener Flughafen, von dort gibt es auch im Winter täglich ein Dutzend Flugverbin­dungen nach Deutschlan­d. „Das ist uns wichtig“, sagt Edith Seidel, „denn der Kontakt zu unseren Verwandten und Freunden in Deutschlan­d soll nicht abreißen.“

Ein wichtiger Grund für den starken Anstieg der Wohnungsmi­eten sind Plattforme­n wie Airbnb. Georg Petras Immobilien­vermittler

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Foto: Socrates Baltagiann­is/dpa Blick auf die weißen Häuser an einem Hang der Insel Astypalea. Das Interesse an Immobilien in Griechenla­nd nimmt stark zu.
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Foto: Engel&völkers Georg Petras ist Griechenla­nd-chef des Immobilien­vermittler­s Engel & Völkers. Er hat gerade gut zu tun.

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