Schmähpreise für dreiste Fälschungen
Verein „Plagiarius“vergibt zum 47. Mal die Negativ-auszeichnung und warnt: Der Wirtschaft entsteht jährlich ein dreistelliger Milliardenschaden durch illegale Kopien – Tendenz steigend.
Bei der Frankfurter Konsumgütermesse Ambiente geht es um Schönes, Praktisches und Originelles fürs Zuhause. Deshalb ist die Ambiente nach Ansicht der Initiatoren des gefürchteten „Plagiarius“-preises der passende Rahmen für die Bloßstellung dreister Kopien und billiger Nachmache. Für Kreative und innovative Unternehmer gibt es schließlich nichts Schlimmeres als das Abkupfern und massenhafte Verramschen ihrer Entwicklungen, in die Zeit und meistens auch viel Geld fließen.
Beim aktuellen Gewinner ist auf den ersten Blick kaum ein Unterschied zu erkennen. Design, Farbe und Proportionen stimmen nahezu überein. Nur, dass das Wandregal-system „Link“im Original von einem Hamburger Studio stammt. Die Billigkopie vertrieb eine deutscher Möbel-filialist. „Plump 1:1 kopiert“, urteilt die Plagiarius-jury und verlieh dem Fake den ersten Preis: Schließlich sei das Original hochwertig verarbeitet und aus zertifiziertem Massivholz nachhaltiger Forstwirtschaft gefertigt. Beim Plagiat werde tropisches Holz schlechterer Qualität verwendet. Immerhin: der Möbelfilialist war einsichtig und stoppte den Verkauf.
Platz zwei gab es für ein Plagiat der „Club Superglas“-serie. Das innovative Material wirkt wie Glas, ist aber aus Kunststoff: bruchsicher und leicht. Konzipiert wurden die Koziol-gläser aus Erbach für die Gastronomie. Beim Plagiat eines Istanbuler Herstellers wurden Form, Konzept und Design übernommen, jedoch in deutlich schlechterer Verarbeitung.
Ebenfalls einen Negativ-preis gab es für ein gefälschtes Fahrzeugdiagnosesystem. Das Original aus dem Hause Mercedesbenz wurde von einem Betrieb in der Nähe von Stuttgart nachgebaut. Beworben wurde die Fälschung über eine Webseite und ebay. Wegen Verletzung der Markenrechte
gab es eine zivilrechtliche Verurteilung des Landgerichts Stuttgart, zusätzlich wurde ein Strafverfahren eröffnet.
Plagiate sind längst keine ärgerlichen Randerscheinungen mehr, sondern eine wirtschaftliche Bedrohung für innovative Hersteller und Handel. Produktpiraterie ist ein Milliardengeschäft mit kriminellen Strukturen und globalen Netzwerken, sagen die Macher von Plagiarius. Durch minderwertige Materialien und schlechte Verarbeitung drohen in vielen Fällen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken, betont Sprecherin Christine Lacroix. Dem Original sehen die Kopien oft zum Verwechseln ähnlich, für Verbraucher ist der Betrug oft kaum zu erkennen.
Offizielle Zahlen belegen, dass es Jahr für Jahr schlimmer wird. Allein in der EU wurden 2021 nach Angaben der Eu-kommission etwa 86 Millionen gefälschte Waren beschlagnahmt – ein Plus von fast 31 Prozent. Den internationalen Handel mit Fälschungen beziffern das Amt der EU für geistiges Eigentum (EUIPO) und die OECD für 2019 auf rund 412 Milliarden Euro, das entspricht immerhin 2,5 Prozent des Welthandels. Jahr für Jahr ziehen Zoll und Interpol mehr mangelhafte Kopien technischer Geräte, verunreinigte Parfums, gefälschte Medikamente oder schadstoffhaltiges Kinderspielzeug aus dem
Verkehr. Viele Fälschungen kommen immer noch aus Asien.
Vor allem jungen Verbrauchern fehlt offenbar zunehmend die Sensibilität für den Schaden durch das organisierte Abkupfern, mitunter gelten die Billigkopien sogar als cool: „Immer mehr Influencer werben auf Tiktok & Co. explizit für gefälschte Designerware und illegale Produkte“, warnt Lacroix: „Sie verharmlosen Fakes und machen sie zunehmend gesellschaftlich akzeptabel“. „In“sind vor allem gefälschte Kleidung, Schuhe, Accessoires und Elektronik.
Die Kandidaten für die unrühmliche Auszeichnung finden die Hersteller der Originale meist selbst. Eine rechtliche Beurteilung erlaube der Plagiarius explizit nicht, betonen die Organisatoren. Die „Auszeichnung“in Form eines kleinen schwarzen Zwergs mit goldener Nase sage nichts darüber aus, ob das nachgemachte Produkt im juristischen Sinne erlaubt ist.