Aus der Bahn geraten
Der Freizeitsport Kegeln hat deutlich an Attraktivität eingebüßt. Die Pandemie trägt daran eine Mitschuld, aber ein Teil der Probleme ist hausgemacht.
Kegeln steckt in der Krise. Der einst in Deutschland so beliebte Freizeitsport verliert hierzulande an Attraktivität, die Zeiten, in denen vielen Menschen Spaß daran hatten, gepflegt die Kugel zu schieben, scheinen vorbei zu sein. Entsprechend nimmt die Zahl der Kegelbahnen deutlich ab, insbesondere große Anlagen mit mehr als acht Bahnen werden seltener, wie der Sprecher des Deutschen Keglerund Bowlingbundes (DKB), Michael Hohlfeld, sagt. „Jede Kegelbahn, die wir verlieren, ist ein schmerzlicher Verlust.“
Die Corona-pandemie, die schwierige Zeiten für viele Gaststätten mit sich brachte, habe den Rückgang beschleunigt, sagt Hohlfeld. Vor allem in ländlichen Regionen werde das Angebot immer dünner. Einen genauen Überblick, wie viele Kegelbahnen dichtgemacht wurden, hat der Verband nicht – was daran liegt, dass es kein deutschlandweites Verzeichnis der Anlagen gibt. Ein solches will der DKB aber noch in diesem Jahr anlegen: „Es wäre doch schön, wenn eine Familie, die in den Urlaub fährt, oder eine gesellige Gruppe, die einen Ausflug unternimmt, eine Stunde auf einer Kegelbahn komplikationslos im Voraus planen könnte“sagt Hohlfeld.
„Freizeitaktivitäten verlagern sich mehr ins Private und nach
Hause, weil auch der Medienkonsum stetig gestiegen ist“, sagt Rainer Hartmann, Freizeitforscher an der Hochschule Bremen. Dieses „Cocooning“könne ein Grund sein, warum gesellige Anlässe wie Kegeln an Popularität verlieren. Die Corona-pandemie habe den Trend verstärkt, den nicht zuletzt Gasthöfe zu spüren bekommen – vor allem dort war das Kegeln zu Hause. „Die Anzahl der Betriebe wird immer geringer“, sagt Hartmann, „das ist ein Schwund.“Angesagte Gastronomieformen mit einer wachsenden Zahl an Betrieben seien zum Beispiel moderne Cafés und Bars. „Aber da finde ich keine Kegelbahnen.“
„Es wurde viel verschlafen“
Aus Hartmanns Sicht hätte das Kegeln vermutlich in den 1990er Jahren mehr dafür tun müssen, damit es populär bleibt. „Man muss sagen, dass da auch viel verschlafen wurde bei der Weiterentwicklung von Räumlichkeiten, aber auch der Vermarktung.“Dem Bowling sei diese Modernisierung besser gelungen. „Ich habe das Gefühl, dass Bowling beliebter war, weil es einfach moderner erschien. Das hatte was von American Lifestyle, der da so ein bisschen mitschwingt. Es lief Musik, und es gab eine Bar, an der man sitzen konnte.“Außerdem habe sich das Bowling nicht von Gasthöfen lösen müssen, sagt
Hartmann. „Bowling hat noch nie dort stattgefunden, sondern das waren immer moderne Hallen.“
Der Wissenschaftler sieht aber auch Möglichkeiten, wie das Kegeln in Zukunft wieder an Popularität gewinnen könnte. Zum einen könne der familienfreundliche Sport immer noch dem Zeitgeist angepasst werden. Zudem könne Kegeln auch zum Retrotrend werden, für eine solche Entwicklung gebe es gute Beispiele aus anderen Bereichen. Als Beispiele nennt Hartmann die Renaissance der Schallplatte oder der Analogfotografie.
Nicht nur mit der Zahl der Kegelbahnen geht es in Deutschland bergab, der Sport hat darüber hinaus auch mit einem Mitgliederschwund zu kämpfen. Der DKB hatte zu Beginn des vergangenen Jahres etwa 62 300 Mitglieder, darunter rund 10 000 Bowler. Gegenüber 2021 sei die Mitgliederzahl
um neun Prozent gesunken - und damit deutlich stärker als in den Jahren zuvor, als ein durchschnittlicher Rückgang von fünf Prozent registriert wurde. Dass der Verband Mitglieder verliert, liegt den Angaben zufolge vor allem an der Altersstruktur: Dem Kegeln fehlt der Nachwuchs, jedes fünfte Mitglied ist 65 Jahre oder älter.
Vielerorts gebe es für Interessenten zwar Schulprojekte, Schnupperkurse und Ferienangebote, sagt Hohlfeld. „Eines ist aber klar: Von allein findet kein Jugendlicher mehr auf die Bahn, dazu ist das Freizeitangebot viel zu groß, Fun-sportarten sind da einfach verlockender. Und es bleibt auch keiner eine längere Zeit dabei, wenn er keinen Übungsleiter und Ansprechpartner im Verein hat“, stellt der Verbandssprecher fest.
Kegeln werde als Sport offensichtlich kaum wahrgenommen, sagt Freizeitforscher Hartmann, zudem fehle die mediale Präsenz. „Kegeln wird ja auch ein bisschen als Kneipenvergnügen belächelt.“Wie auch ein „Kneipenvergnügen“mediale Präsenz erlangen kann, zeigt allerdings das Beispiel Darts. „Darts ist ja im Prinzip erst mal nicht spannender als Kegeln“meint Hartmann. Warum aber sollte man Sportkegeln in modernen Hallen nicht ebenfalls „medial super aufbereiten“können?