„Der schlimmste Tag in meinem Leben“
Der wegen eines versuchten Mordes in Oberkochen angeklagte 34-Jährige hat sich erstmals selbst im Landgericht Ellwangen geäußert und Einblicke in sein Seelenleben gegeben.
Zweiter Prozesstag vor dem Landgericht Ellwangen gegen einen 34-jährigen Anlagenführer aus Aalen. Der Mann muss sich hier wegen versuchten Mordes in Oberkochen verantworten. Er hatte im August des vergangenen Jahres einen 35-jährigen Lagerarbeiter im Streit unter anderem mit einer Motorsäge bedroht und dann mit seinem Wagen umgefahren. Der Kfz-sachverständige, Diplom-ingenieur Samuel Oster von der Dekra aus Aalen, zeichnete vor Gericht den Unfallhergang nach, bei dem sich das Opfer neben Schürfverletzungen und Prellungen auch ein leichtes Schädelhirn-trauma zugezogen hatte.
In diesem Zuge machte der Gutachter klar, dass das Opfer am Tattag sehr wahrscheinlich zweimal von dem Angeklagten angefahren wurde. Einmal nur leicht, ein zweites Mal – direkt vor dem Sparkassengebäude in Oberkochen – dann mit ordentlich Tempo. Laut Oster sei davon auszugehen, dass das anfahrende Fahrzeug, ein VW Touran, zum Zeitpunkt des Aufpralls wahrscheinlich zwischen 32 und 38 Stundenkilometer schnell gewesen ist. Das Opfer wurde dabei mutmaßlich nicht im Rücken erwischt, sondern seitlich oder von vorne.
Ganz sicher sei das aber nicht, machte der Experte klar. Der Grund: Da der Angeklagte unmittelbar nach dieser Attacke mit seinem Pkw noch einen heftigen Folgeunfall verursacht hatte, seien nahezu alle verwertbaren Spuren an dem VW komplett vernichtet worden. „Deshalb ist diesbezüglich alles, was ich ausführe, nur wahrscheinlich, aber nicht gesi
chert“, ließ Oster das Gericht wissen.
Glück, noch am Leben zu sein
Der Gerichtsmediziner Frank Joachim Reuther aus Offingen machte im Anschluss unmissverständlich klar, dass der 35-jährige Lagerarbeiter großes Glück hat, überhaupt noch am Leben zu sein. „Massive Schädelverletzungen sind bei derart gelagerten Unfällen wahrscheinlich“, sagte Reuther. Und weiter: Es sei nur dem
„Zufall“geschuldet, dass dieser Angriff so glimpflich für das Opfer ausgegangen ist. „Das war ein potenziell tödlicher Vorgang. Wäre der Mann anders mit dem Kopf aufgeschlagen, wäre er heute nicht mehr am Leben.“
Die forensisch-psychiatrische Gutachterin Dr. Heidi Durst aus Göppingen setzte sich in ihrem nachfolgenden Gutachten mit der Vita des Angeklagten auseinander. Die Sachverständige beschrieb den 34-Jährigen darin als
einen freundlichen, sprachlich gewandten und emotional differenzierten Menschen, der aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammt und einen „geordneten Werdegang“nachweisen kann.
Der gelernte Schreiner, der an der Waldorfschule seinen Realschulabschluss gemacht hat, sei trotz seines regelmäßigen Alkoholund Cannabiskonsums weder suchtkrank, noch gebe es Hinweise auf eine schwerwiegende psychische Störung, machte die Psychiaterin
klar. Gleichwohl könne man davon ausgehen, dass sich der Angeklagte – der am Tattag schon mittags mit dem Trinken von Alkohol begonnen hatte – zum Zeitpunkt des Angriffs in einem „mittelschweren Rauschzustand“befunden habe. Das erkläre auch den Filmriss des 34-Jährigen, der sich nur noch sehr bruchstückhaft an die Geschehnisse erinnern kann. Diese Erinnerungslücken seien aus ihrer Sicht tatsächlich nicht vorgetäuscht, sondern glaubhaft, sagte die Sachverständige. „Er kann sich sein Handeln selbst überhaupt nicht erklären. Das ist für ihn das Allerschlimmste.“
10.000 Euro Schmerzensgeld
Der Angeklagte, der sich am zweiten Verhandlungstag erstmals selbst äußerte, pflichtete der Psychiaterin in diesem Punkt bei. „Die letzten zwei Tage waren die zweitschlimmsten in meinem Leben. Der Tag des Unfalls war der Schlimmste.“Dem Gericht versicherte er, dass er sein Leben künftig wieder in richtige Bahnen lenken und dem Konsum von Cannabis und Alkohol abschwören wolle.
Zum Abschluss des Prozesstags fand dann noch ein Täteropfer-ausgleich statt. In diesem Zuge wurde dem Opfer ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zugesagt. Verteidigerin Anke Stiefel-bechdolf händigte das Geld noch im Schwurgerichtssaal an den Vertreter der Nebenklage aus.
Der Prozess wird am kommenden Dienstag im Ellwanger Landgericht fortgesetzt. An diesem Tag soll auch das Urteil gefällt werden.