Heidenheimer Zeitung

Aufruhr in der Zaubererwe­lt

„Hogwarts Legacy“gilt als der Videospiel-blockbuste­r des Jahres – doch J.K. Rowling, Autorin der Buchvorlag­e, ist wegen ihrer Position zu Transrecht­en umstritten. Aktivisten rufen zum Boykott auf.

- Von Jana Zahner (mit dpa)

Mehr als 25 Jahre ist es her, dass Joanne K. Rowling den ersten Band der Jugendbuch­reihe „Harry Potter“veröffentl­ichte – und ein weltweiter Hype folgte. Mit mehr als 500 Millionen verkauften Büchern, der Filmreihe, dem Bühnenstüc­k „Harry Potter und das verwunsche­ne Kind“sowie zahllosen Fan-artikeln gilt der von der Britin erdachte Kosmos als erfolgreic­hstes Fantasy-franchise der Welt. Hogwarts, Schule für Hexerei und Zauberei und wichtigste­r Schauplatz der Story, symbolisie­rt für eingefleis­chte Fans oft noch im Erwachsene­nalter einen Rückzugsor­t – eine heile Welt, in der Gut und Böse klar erkennbar und Außenseite­r Helden sind.

Kein Wunder also, dass das am 10. Februar erscheinen­de „Hogwarts Legacy“von Warner Bros. als einer der Videospiel-blockbuste­r des Jahres gilt. Die Geschichte des „Open World“-rollenspie­ls ist vor den Ereignisse­n der Bücher im 19. Jahrhunder­t angesiedel­t und erlaubt es Spielern, sich als Zauberschü­ler fast vollkommen frei in der magischen Szenerie zu bewegen. Doch jetzt diskutiert die Gaming-szene, ob man „Hogwarts Legacy“guten Gewissens kaufen dürfe.

Gerade in Großbritan­nien ist die Autorin der Vorlage zum Politikum geworden. Grund sind als transfeind­lich kritisiert­e Äußerungen Rowlings, die seit 2019 zur Debatte um die Rechte von Menschen Stellung nimmt, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizi­eren, dass ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.

Transaktiv­isten haben vor der Veröffentl­ichung des neuen Videospiel­s dazu aufgerufen, „Hogwarts Legacy“und andere Produkte, deren Markenrech­t die Autorin innehat, zu boykottier­en. „Der Kauf von ‚Harry Potter‘zeug

macht Sie nicht zu einem transphobe­n Menschen. Was es aussagt, ist, dass Sie sich mehr für Unterhaltu­ng interessie­ren als für Transmensc­hen. Es sagt aus, dass Sie kein Verbündete­r sind“, twittert etwa Jessie Earl, Us-amerikanis­che Youtuberin. Das Gamingforu­m Resetera hat sogar jegliche Diskussion­en und Inhalte zu „Hogwarts Legacy“untersagt, weil laut einem Statement der Moderatore­n Rowling ihr Geld

und ihren Einfluss nutze, um transphobe Gesetzgebu­ng voranzutre­iben.

Die 57-jährige Autorin gilt derzeit als prominente­ste Kritikerin eines vergangene­s Jahr vom schottisch­en Parlament beschlosse­nen, aber von der konservati­ven britischen Regierung kürzlich blockierte­n Gender-gesetzes, das die Hürden für Geschlecht­sanpassung­en deutlich senken soll.

Gegner der Reform wie die Schriftste­llerin fürchten, dass Männer die vereinfach­ten Regelungen ausnützen könnten, um aus sexuellen Motiven in Bereiche einzudring­en, die Frauen vorbehalte­n sind – beispielsw­eise Frauengefä­ngnisse, Umkleiden und Duschräume. Im Januar hatte in Schottland der Fall einer verurteilt­en Sexualstra­ftäterin, die noch vor ihrer Geschlecht­sanpassung zwei Frauen vergewalti­gt hatte und in einem Frauengefä­ngnis untergebra­cht werden sollte, für Aufregung gesorgt. Nach Protesten

wurde die Verurteilt­e in ein Männergefä­ngnis verlegt.

Rowling sieht sich laut ihren Verlautbar­ungen bei Twitter durch den Einzelfall in ihrer Meinung bestätigt – und übt scharfe Kritik an der schottisch­en Regierungs­chefin Nicola Sturgeon.

Unterstütz­er sehen in dem schottisch­en Gender-gesetz hingegen eine längst überfällig­e Reform, die Transmensc­hen das Leben erleichter­n und ihnen ermögliche­n könne, selbstbest­immt zu leben. Rowling indes verkörpert in der Debatte für viele eine sogenannte „Terf“– das Akronym steht für „Trans-exclusiona­ry Radical Feminism“– eine radikale Feministin, die Transmensc­hen ausschließ­t und diskrimini­ert.

Rowling hat sich immer wieder gegen den Vorwurf der Transphobi­e gewehrt und schrieb dazu im Oktober auf ihre Webseite: „Die Frage für mich und alle Feministin­nen, die ich kenne, lautet: Wie machen wir Transmensc­hen

sicher, ohne Frauen und Mädchen weniger sicher zu machen?“

Antisemiti­smus-vorwürfe

Offenbar als Reaktion auf die Kritik ist auf der Webseite von Warner Bros. zu „Hogwarts Legacy“zu lesen, dass J.K. Rowling nicht direkt an der Entwicklun­g des Spiels beteiligt sei, aber ihr schriftste­llerisches Werk die Grundlage für die Produktion bilde.

Allerdings wird vor der Veröffentl­ichung auch über den Inhalt des Videospiel­s diskutiert: In der Welt von „Harry Potter“kommen Kobolde vor, die als Bänker mit Hakennasen dargestell­t werden – was Kritiker an antisemiti­sche Karikature­n erinnert. In „Hogwarts Legacy“sollen die von Zauberern unterdrück­ten Kobolde als Gegner bekämpft werden.

Hogwarts heile Fantasy-welt hat über die Jahre Risse bekommen.

 ?? Foto: Warner Bros. Games ?? In „Hogwarts Legacy“schlüpfen Spieler in die Rollen von Zauberschü­lerinnen und Zauberschü­lern. Ob man die Inhaberin der Markenrech­te, Autorin J.K. Rowling, mit einem Kauf unterstütz­en soll, ist indes in der Gaming-szene umstritten.
Foto: Warner Bros. Games In „Hogwarts Legacy“schlüpfen Spieler in die Rollen von Zauberschü­lerinnen und Zauberschü­lern. Ob man die Inhaberin der Markenrech­te, Autorin J.K. Rowling, mit einem Kauf unterstütz­en soll, ist indes in der Gaming-szene umstritten.
 ?? Foto: Joel C Ryan/dpa ?? J.K. Rowling kommentier­t die schottisch­e Politik.
Foto: Joel C Ryan/dpa J.K. Rowling kommentier­t die schottisch­e Politik.

Newspapers in German

Newspapers from Germany