Steuern per App
Selbst programmierte Roboter, Modelleisenbahnsteuerungen oder der Tiptoi-stift: Technik hat längst Einzug in die Kinderzimmer gehalten.
Schöne neue Technikwelt im Kinderzimmer: Die Kugel rollt durch die aufwändig konstruierte Bahn, dann geht ein Licht an und eine Art Fahrstuhl befördert sie eine Ebene nach oben. Doch das ist noch gar nichts. Selbst gebaute kleine Roboter lassen sich auf dem Tablet durch selbst geschriebene Programme steuern. Detaillierte Modelle, die Lernfabriken, ahmen die Funktionen einer smarten Fertigungsstraße in einer Produktion nach. Fischertechnik trägt schon im Namen, wofür das Unternehmen aus Waldachtal in der Nähe von Freudenstadt schon seit mehr als einem halben Jahrhundert steht: Technik.
„Fischertechnik ist Vorreiter darin, technische Themen auf eine spielerische Art zu vermitteln“, sagt Geschäftsführer Thomas Bußhart. Ein wichtiges Thema aktuell seien erneuerbare Energien. „Es gibt zum Beispiel ein Fahrzeug mit Brennstoffzelle, das durch Elektrolyse Wasserstoff als Treibstoff erzeugt und so angetrieben wird. Oder Propeller, die sich mithilfe eines Solarmoduls drehen“, erzählt Bußhart.
Seine Erfahrung: Im Spielwarenbereich legten viele Kundinnen und Kunden Wert auf das Zusammenspiel zwischen Haptik und Informatik. Deshalb gebe es Baukästen, bei denen die Modelle mit einem Laptop, Tablet oder Smartphone verbunden werden können. „So lässt sich mit unseren Produkten nicht nur die Fingerfertigkeit üben, sondern es wird auch das technische beziehungsweise Informatikverständnis entwickelt.“Das gibt es auch schon für ziemlich kleine Kinder. Schon Fünfjährige können Programmierbausteine,
die bildlich dargestellt sind, aneinanderreihen. „So entwickelt sich das Verständnis fürs Programmieren spielend weiter, ohne großes Frusterlebnis.“
Ein Frusterlebnis will auch Florian Sieber, Geschäftsführender Gesellschafter von Märklin mit Sitz in Göppingen, vermeiden. Für die Modelleisenbahnen gibt es die Steuerung nun – ganz neu – ohne Kabel, sie ist per Wifi und Wlan mit der Anlage verbunden. „Dabei ist ganz wichtig, dass die Steuerung möglichst einfach gestaltet ist – und intuitiv verbunden und bedient werden kann“, betont Sieber. „Wir haben in der Elektronikentwicklung in den vergangenen Jahren viel investiert und auch das Team der Entwickler vergrößert.“Inzwischen könne man die Modellbahn einfach per Smartphone oder Tablet steuern.
„Märklin und die Modellbahn waren Vorreiter in der Digitalisierung. Sie war eines der ersten Spielsachen, die digital angesteuert werden konnten“, sagt Sieber. In der analogen Welt habe man einfach nur den Strom hochgedreht und alles auf der Schiene sei schneller gefahren. „Heute kann man jede Lok einzeln ansteuern, kann den einen schneller, den anderen langsamer fahren lassen, an einer Stelle das Licht anschalten, beim anderen den Sound betätigen.“
Der Anteil der Nutzer von rein analogen Bahnen wird kleiner, sagt Sieber, es gibt sie aber vor allem unter Sammlern und älteren Menschen noch. Deswegen würden alles Modelle so gestaltet, dass sie auch noch analog fahren können – nur die Zusatzfunktionen
könne man dann nicht nutzen. Vor allem jüngere Menschen könnten sich für die Digitalisierung der guten alten Modellbahn begeistern.
Auch bei Fischertechnik gibt es viele junge Kundinnen und Kunden. „Hauptsächlich erhalten wir Nachfragen zu den digitalen
Spielwaren von Kindern ab zehn Jahren, die mit den Baukästen in den Kinderzimmern bauen und spielen“, sagt Bußhart. Je nach Produktkomplexität verschiebe sich die entsprechende Altersgruppe nach oben. Mit den analogen Sets solle das spielerische Verständnis von Themen wie Statik, Mechanik oder Pneumatik von Kindern deutlich jüngeren Alters gefördert werden. Im
Schulbereich gibt es Baukästen für die Primär- und die Sekundarstufe. „Für unsere Fabrikanlagen interessieren sich neben Auszubildenden insbesondere Studierende oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens, das sich mit der digitalen Transformation beschäftigt.“
Begeistern sich eigentlich auch Mädchen für Technik? „Absolut“, antwortet Bußhart auf diese Frage. „Technik spielend begreifen und erste Schritte in die Welt des Programmierens sind Themen, die für alle Geschlechter gleichermaßen von Bedeutung sind. Nur so werden sich die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts meistern lassen“, ist er überzeugt. In den naturwissenschaftlichen Bereichen seien Mädchen und Jungs mit Feuereifer dabei.
Doch wie sieht es bei Spieleherstellern aus, die nicht auf Technik spezialisiert sind? Bei Ravensburger ist man beim Thema Digitalisierung zurückhaltender. Der sehr erfolgreiche Tiptoistift beispielsweise funktioniert aber durchaus digital. In ihm befindet sich ein optischer Infrarotsensor, der an bestimmten Stellen der Kinderbücher oder Gesellschaftsspiele Codes ausliest und damit Geräusche, Geschichten oder Fragen ausspielt.
Zu großen Spielen gibt es zusätzlich Apps, so kann man bei der Kugelbahn Gravitrax virtuell beispielsweise eine Runde aus Sicht der Kugel miterleben. Digitalisierung sei bisher eher ein Begleitgeschäft, „wir bauen keine eigenen, sich selbst tragenden digitalen Welten auf “, Vorstandsvorsitzender Clemens Maier. „Wir sagen nicht Nein zur digitalen Welt, glauben aber weiterhin an die Bedeutung von haptischem Spielzeug.“
Modelleisenbahn war Vorreiter der Digitalisierung. Florian Sieber Geschäftsführer Märklin