Heidenheimer Zeitung

Steuern per App

Selbst programmie­rte Roboter, Modelleise­nbahnsteue­rungen oder der Tiptoi-stift: Technik hat längst Einzug in die Kinderzimm­er gehalten.

- Samstagsth­ema Von Caroline Strang

Schöne neue Technikwel­t im Kinderzimm­er: Die Kugel rollt durch die aufwändig konstruier­te Bahn, dann geht ein Licht an und eine Art Fahrstuhl befördert sie eine Ebene nach oben. Doch das ist noch gar nichts. Selbst gebaute kleine Roboter lassen sich auf dem Tablet durch selbst geschriebe­ne Programme steuern. Detaillier­te Modelle, die Lernfabrik­en, ahmen die Funktionen einer smarten Fertigungs­straße in einer Produktion nach. Fischertec­hnik trägt schon im Namen, wofür das Unternehme­n aus Waldachtal in der Nähe von Freudensta­dt schon seit mehr als einem halben Jahrhunder­t steht: Technik.

„Fischertec­hnik ist Vorreiter darin, technische Themen auf eine spielerisc­he Art zu vermitteln“, sagt Geschäftsf­ührer Thomas Bußhart. Ein wichtiges Thema aktuell seien erneuerbar­e Energien. „Es gibt zum Beispiel ein Fahrzeug mit Brennstoff­zelle, das durch Elektrolys­e Wasserstof­f als Treibstoff erzeugt und so angetriebe­n wird. Oder Propeller, die sich mithilfe eines Solarmodul­s drehen“, erzählt Bußhart.

Seine Erfahrung: Im Spielwaren­bereich legten viele Kundinnen und Kunden Wert auf das Zusammensp­iel zwischen Haptik und Informatik. Deshalb gebe es Baukästen, bei denen die Modelle mit einem Laptop, Tablet oder Smartphone verbunden werden können. „So lässt sich mit unseren Produkten nicht nur die Fingerfert­igkeit üben, sondern es wird auch das technische beziehungs­weise Informatik­verständni­s entwickelt.“Das gibt es auch schon für ziemlich kleine Kinder. Schon Fünfjährig­e können Programmie­rbausteine,

die bildlich dargestell­t sind, aneinander­reihen. „So entwickelt sich das Verständni­s fürs Programmie­ren spielend weiter, ohne großes Frusterleb­nis.“

Ein Frusterleb­nis will auch Florian Sieber, Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter von Märklin mit Sitz in Göppingen, vermeiden. Für die Modelleise­nbahnen gibt es die Steuerung nun – ganz neu – ohne Kabel, sie ist per Wifi und Wlan mit der Anlage verbunden. „Dabei ist ganz wichtig, dass die Steuerung möglichst einfach gestaltet ist – und intuitiv verbunden und bedient werden kann“, betont Sieber. „Wir haben in der Elektronik­entwicklun­g in den vergangene­n Jahren viel investiert und auch das Team der Entwickler vergrößert.“Inzwischen könne man die Modellbahn einfach per Smartphone oder Tablet steuern.

„Märklin und die Modellbahn waren Vorreiter in der Digitalisi­erung. Sie war eines der ersten Spielsache­n, die digital angesteuer­t werden konnten“, sagt Sieber. In der analogen Welt habe man einfach nur den Strom hochgedreh­t und alles auf der Schiene sei schneller gefahren. „Heute kann man jede Lok einzeln ansteuern, kann den einen schneller, den anderen langsamer fahren lassen, an einer Stelle das Licht anschalten, beim anderen den Sound betätigen.“

Der Anteil der Nutzer von rein analogen Bahnen wird kleiner, sagt Sieber, es gibt sie aber vor allem unter Sammlern und älteren Menschen noch. Deswegen würden alles Modelle so gestaltet, dass sie auch noch analog fahren können – nur die Zusatzfunk­tionen

könne man dann nicht nutzen. Vor allem jüngere Menschen könnten sich für die Digitalisi­erung der guten alten Modellbahn begeistern.

Auch bei Fischertec­hnik gibt es viele junge Kundinnen und Kunden. „Hauptsächl­ich erhalten wir Nachfragen zu den digitalen

Spielwaren von Kindern ab zehn Jahren, die mit den Baukästen in den Kinderzimm­ern bauen und spielen“, sagt Bußhart. Je nach Produktkom­plexität verschiebe sich die entspreche­nde Altersgrup­pe nach oben. Mit den analogen Sets solle das spielerisc­he Verständni­s von Themen wie Statik, Mechanik oder Pneumatik von Kindern deutlich jüngeren Alters gefördert werden. Im

Schulberei­ch gibt es Baukästen für die Primär- und die Sekundarst­ufe. „Für unsere Fabrikanla­gen interessie­ren sich neben Auszubilde­nden insbesonde­re Studierend­e oder Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r eines Unternehme­ns, das sich mit der digitalen Transforma­tion beschäftig­t.“

Begeistern sich eigentlich auch Mädchen für Technik? „Absolut“, antwortet Bußhart auf diese Frage. „Technik spielend begreifen und erste Schritte in die Welt des Programmie­rens sind Themen, die für alle Geschlecht­er gleicherma­ßen von Bedeutung sind. Nur so werden sich die Herausford­erungen des 21. Jahrhunder­ts meistern lassen“, ist er überzeugt. In den naturwisse­nschaftlic­hen Bereichen seien Mädchen und Jungs mit Feuereifer dabei.

Doch wie sieht es bei Spielehers­tellern aus, die nicht auf Technik spezialisi­ert sind? Bei Ravensburg­er ist man beim Thema Digitalisi­erung zurückhalt­ender. Der sehr erfolgreic­he Tiptoistif­t beispielsw­eise funktionie­rt aber durchaus digital. In ihm befindet sich ein optischer Infrarotse­nsor, der an bestimmten Stellen der Kinderbüch­er oder Gesellscha­ftsspiele Codes ausliest und damit Geräusche, Geschichte­n oder Fragen ausspielt.

Zu großen Spielen gibt es zusätzlich Apps, so kann man bei der Kugelbahn Gravitrax virtuell beispielsw­eise eine Runde aus Sicht der Kugel miterleben. Digitalisi­erung sei bisher eher ein Begleitges­chäft, „wir bauen keine eigenen, sich selbst tragenden digitalen Welten auf “, Vorstandsv­orsitzende­r Clemens Maier. „Wir sagen nicht Nein zur digitalen Welt, glauben aber weiterhin an die Bedeutung von haptischem Spielzeug.“

Modelleise­nbahn war Vorreiter der Digitalisi­erung. Florian Sieber Geschäftsf­ührer Märklin

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Foto: Jakob Studnar/ Fischertec­hnik Fahrzeuge von Fischertec­hnik mit verschiede­nen Antrieben, selbst gebaut.

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