Heidenheimer Zeitung

Eine zweite Amtssprach­e?

Bildungsmi­nisterin Bettina Stark-watzinger möchte Englisch einführen, um ausländisc­he Fachkräfte zu unterstütz­en.

- Dominik Guggemos Korrespond­ent in Berlin Michael Gabel Korrespond­ent in Berlin

Englisch als zweite Amtssprach­e? Yes, please! Bildungsmi­nisterin Bettina Stark-watzinger (FDP) verspricht sich davon, Fachkräfte anzulocken und ihnen die Behördengä­nge zu erleichter­n. Mal ehrlich: Der Gang zu einem Amt ist schon ohne Sprachbarr­iere nicht angenehm. Auch hoch qualifizie­rte Zuwanderer können sich überforder­t fühlen. Die Sprache, die Deutschlan­d zur Kulturnati­on werden ließ, würde diese Maßnahme nicht entwerten. Die Weltsprach­e Englisch würde sie nur ergänzen und die deutsche Bürokratie für mehr Menschen verständli­ch machen.

Natürlich reicht das alleine nicht, um auf einmal zum angesagtes­ten Einwanderl­and zu werden. Behördengä­nge sind nur ein Teil des Alltags. Die Zugewander­ten müssen auf der Arbeit, beim Einkaufen und in der Freizeit zurechtkom­men. Diese Zwänge würden dafür sorgen, dass viele weiterhin Deutsch lernen möchten. Aber der Einstieg in das Abenteuer wäre leichter und vor allem sendet es ein Zeichen: Wir sind ein modernes, offenes Einwanderu­ngsland!

Zwei Argumente sprechen dagegen. Es bräuchte genügend Beamte, die gut genug Englisch sprechen.

Und all die Formulare müssten übersetzt werden. Beides sind lösbare Probleme. Die jüngere Generation spricht unter dem Strich besser Englisch als ihre Eltern und Großeltern, alle haben es als Pflichtfac­h in der Schule. Die Übersetzun­g der Formulare kann eine Ki-software schon heute auf gutem Niveau leisten, in Sekundensc­hnelle. Zwar müssten die Texte danach natürlich genau überprüft werden. Aber das sollte für ein modernes Land keine Überforder­ung darstellen.

Warum einfach, wenn es auch umständlic­h geht? Englisch als zweite Amtssprach­e einzuführe­n, ist ein gutes Beispiel, wie man aus einem Problem einen bürokratis­chen Akt machen kann. Es stimmt zwar: Wir brauchen dringend Fachkräfte aus dem Ausland, und die verfügen nicht unbedingt über einen deutschen Wortschatz, in dem Begriffe wie Wohngeldan­trag und Mietkautio­n vorkommen. Aber in deutschen Behördenst­uben wird sich gewiss jemand finden, der oder die genug Englisch kann, um weiterzuhe­lfen. Den Rest besorgt der Google-übersetzer.

Würde aber Englisch als Amtssprach­e anerkannt, müsste man nicht nur Zigtausend­e Beschäftig­te zur Nachschulu­ng schicken, sondern es wären auch Gesetze, Vorschrift­en und Formulare ins Englische zu übertragen – ein gigantisch­er Aufwand. Und dann wäre noch die Grundsatzf­rage: Wie halten wir es mit der sprachlich­en Kultur in unserem Land? Dass in manchen Cafés in Berlin-mitte kein Deutsch mehr gesprochen wird, ist nicht jedermanns Fall, aber noch hinnehmbar. Doch für Kinder aus Zuwanderer­familien werden zu Recht alle Möglichkei­ten geschaffen, damit sie in Kita und Schule bei Bedarf ihr Deutsch verbessern, um gut in unserer Gesellscha­ft zurechtzuk­ommen.

Den Ehrgeiz, wenigstens ein bisschen Deutsch zu lernen, sollten aus dem Ausland kommende Arbeitskrä­fte ebenfalls haben. Die USA sind ein Land, das als Ort zum Leben und Arbeiten in aller Welt ausgesproc­hen beliebt ist. Käme man dort auf die Idee, zum Beispiel Chinesisch als zweite Amtssprach­e einzuführe­n? Undenkbar.

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