Heidenheimer Zeitung

„Hinter dem Bett versteckt“

- Dorothee Torebko

Als sie dachte, es sei alles vorbei, bebte die Erde noch einmal. Sie packte ihre Katze Leo, stürzte zum Treppenhau­s. Zehn Stockwerke rannte Sara Al Yaghshi die Treppe ihres Wohngebäud­es herunter, bis sie ins Freie kam. Nicht schon wieder, dachte sie. Nicht schon wieder. Es war das zweite große Beben an diesem Tag.

Die 21-jährige Studentin Al Yaghshi lebt in der 2,2-Millionens­tadt Adana im Süden der Türkei. Gleich mehrere schwere Erdbeben erschütter­ten die Region seit Montagnach­t. 150 Kilometer war sie vom Epizentrum entfernt und doch war es nicht weit genug. Adanas Bürgermeis­ter meldete am frühen Morgen, dass mehrere Hochhäuser eingestürz­t sind. Mindestens zehn Menschen wurden unter den Trümmern begraben, mehr als 100 Bürger wurden verletzt.

Al Yaghshi blieb verschont. Doch der Schock sitzt tief, berichtet die Psychologi­estudentin am Telefon. Die gebürtige Syrerin ist allein in der Türkei, ihre Familie ist Tausende Kilometer weit weg in Saudi-arabien. „Zuerst wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich hatte furchtbare Angst und versteckte mich hinter dem Bett“, sagte sie. Doch da konnte sie nicht bleiben. Also rannte sie zusammen mit ihren Nachbarn herunter. Draußen prasselte der Regen auf sie herab, Polizei und Rettungswa­gen rasten durch die Stadt. Die Sirenen vermischte­n sich mit dem Geschrei der Menschen. Sechs Stunden lang harrten sie und ihre Nachbarn vor dem Gebäude aus. Dann stiefelte Al Yaghshi im Haus wieder hoch. „Das war ein Fehler. Eine Stunde später bebte die Erde wieder“, schildert sie.

Auch das zweite Mal konnte sie sich retten. Doch so viel Glück haben längst nicht alle. Von Bekannten hat sie gehört, dass sie in zerstörten Gebäuden eingesperr­t sind und auf Rettung warten. Über SMS verschickt­e die türkische Regierung Warnungen, dass man sich von Gebäuden fernhalten und in Sicherheit bringen soll. Hunderte Menschen folgten dieser Warnung und verließen am Montag die Stadt. Die Straßen waren verstopft, berichtet Studentin Al Yaghshi. Auch sie war mit einem Taxi unterwegs zu dem Haus der Großmutter einer Freundin. Dort will sie erst einmal bleiben. Und noch eines ist ihr wichtig: „Ich bin so froh, dass meine Familie über die sozialen Medien ständig in Kontakt mit mir ist. Sie beruhigen mich. Ich weiß nicht, was ich sonst tun würde.“

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Foto: Privat Sara Al Yaghshi studiert im türkischen Adana.

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