„Hinter dem Bett versteckt“
Als sie dachte, es sei alles vorbei, bebte die Erde noch einmal. Sie packte ihre Katze Leo, stürzte zum Treppenhaus. Zehn Stockwerke rannte Sara Al Yaghshi die Treppe ihres Wohngebäudes herunter, bis sie ins Freie kam. Nicht schon wieder, dachte sie. Nicht schon wieder. Es war das zweite große Beben an diesem Tag.
Die 21-jährige Studentin Al Yaghshi lebt in der 2,2-Millionenstadt Adana im Süden der Türkei. Gleich mehrere schwere Erdbeben erschütterten die Region seit Montagnacht. 150 Kilometer war sie vom Epizentrum entfernt und doch war es nicht weit genug. Adanas Bürgermeister meldete am frühen Morgen, dass mehrere Hochhäuser eingestürzt sind. Mindestens zehn Menschen wurden unter den Trümmern begraben, mehr als 100 Bürger wurden verletzt.
Al Yaghshi blieb verschont. Doch der Schock sitzt tief, berichtet die Psychologiestudentin am Telefon. Die gebürtige Syrerin ist allein in der Türkei, ihre Familie ist Tausende Kilometer weit weg in Saudi-arabien. „Zuerst wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich hatte furchtbare Angst und versteckte mich hinter dem Bett“, sagte sie. Doch da konnte sie nicht bleiben. Also rannte sie zusammen mit ihren Nachbarn herunter. Draußen prasselte der Regen auf sie herab, Polizei und Rettungswagen rasten durch die Stadt. Die Sirenen vermischten sich mit dem Geschrei der Menschen. Sechs Stunden lang harrten sie und ihre Nachbarn vor dem Gebäude aus. Dann stiefelte Al Yaghshi im Haus wieder hoch. „Das war ein Fehler. Eine Stunde später bebte die Erde wieder“, schildert sie.
Auch das zweite Mal konnte sie sich retten. Doch so viel Glück haben längst nicht alle. Von Bekannten hat sie gehört, dass sie in zerstörten Gebäuden eingesperrt sind und auf Rettung warten. Über SMS verschickte die türkische Regierung Warnungen, dass man sich von Gebäuden fernhalten und in Sicherheit bringen soll. Hunderte Menschen folgten dieser Warnung und verließen am Montag die Stadt. Die Straßen waren verstopft, berichtet Studentin Al Yaghshi. Auch sie war mit einem Taxi unterwegs zu dem Haus der Großmutter einer Freundin. Dort will sie erst einmal bleiben. Und noch eines ist ihr wichtig: „Ich bin so froh, dass meine Familie über die sozialen Medien ständig in Kontakt mit mir ist. Sie beruhigen mich. Ich weiß nicht, was ich sonst tun würde.“