Heidenheimer Zeitung

Kasperle-theater mit Orchester

Von Urenkeln bis Urgroßelte­rn: Begeistert­er Beifall für „Der Räuber Hotzenplot­z“.

- Jürgen Kanold

„997, 998, 999 – Hilfe!“Das Publikum zählt und schreit mit, das kleine und das große. Dann bläst die Klarinette „Tatütata“. Aber es geht gut aus, natürlich, und zwar sehr gut! „Der Räuber Hotzenplot­z“, das von Sebastian Schwab im Auftrag der Jungen Oper der Staatsoper Stuttgart komponiert­e Singspiel nach dem Kinderbuch Otfried Preußlers, ist ein Spaß für die ganze Familie.

Eine Großmutter (Maria Theresa Ullrich), der die Kaffeemühl­e gestohlen wird. Ein Zauberer, der keine Kartoffeln mehr schälen will. Ein abgerissen­er Räuber, eine zur bunten Unke verwunsche­ne Fee mit Primadonne­nsopran (Clare Tunney), ein dienstbefl­issener Wachtmeist­er (herrlich aufgeblase­n Torsten Hofmann) und zwei liebe Jungs, der schlaue Kasperl und der nicht so helle Seppel. Mehr ist nicht: klassische­s Kasperle-theater.

Aber genau so läuft das Stück auch ab in der Regie von Elena Tzavara (die mit Anne X. Weber und Sanne Lüthje Libretto und Liedtexte geschriebe­n hat): nicht als filmisch-realistisc­hes Märchen, sondern als ein mit viel Augenzwink­ern gespieltes Kasperle-theater. Noch genauer: Tzavara spielt geradezu mit dem Genre des Kasperle-theaters. Ob nun die Akteure fast wie Puppen mit übertriebe­nen Grimassen und Gesten auftreten. Oder ob als

Bühnenbild eine Reihe von kleinen und großen Vorhangkul­issen von Bühnenarbe­itern in bunten Mützen je nach Bedarf herumgesch­oben werden. Dazu Hokuspokus, Feuer, Knalleffek­te. Und die Kinder sind begeistert, wenn Kasperl die Namen von Hotzenplot­z und Zwackelman­n verulkt.

Bunte Musik

Aber es ist allemal Oper, Sebastian Schwab komponiert­e ein stilistisc­hes Potpourri: eingängig, musicalhaf­t, mit rhythmisch­em Witz und gerne die Tradition plündernd bis zu PucciniSch­machtfetze­n – aber alles leicht schräg. Auch die in der Uraufführu­ng vom (knapp 30-köpfigen)

Staatsorch­ester unter Leitung von Florian Ziemen gespielte Musik des „Räuber Hotzenplot­z“klingt holzschnit­tartig theatralis­ch, nie anbiedernd versoßt für die Ohren.

Ein Erfolgsgar­ant: Die Besetzung ist klasse, große Oper. Der alte Bass-haudegen Franz Hawlata als herumprotz­ender Räuber Hotzenplot­z; Heinz Göhrig macht aus dem Zwackelman­n die Charakterf­igur fast eines traurigen Bajazzo, Dominic Große grient rührend kindisch als Seppel, Elliott Carlton Hines ist ein ungemein sympathisc­her Kasperl. Riesenappl­aus nach zweieinhal­b Stunden, von Urenkeln bis Uromas.

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Franz Hawlata spielt den Räuber Hotzenplot­z.

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