Heidenheimer Zeitung

Hoffnungst­räger, Sozialist und letzter Sed-regierungs­chef

Er musste noch für die Nazis in den Krieg und wollte dann ein besseres Deutschlan­d. Die DDR konnte er nicht retten, sondern nur noch geordnet übergeben. Nun ist Hans Modrow gestorben.

- André Bochow

Vieles im 95-jährigen Leben von Hans Modrow hatte zwei Seiten. Zu seinem 90. Geburtstag schrieb Brandenbur­gs Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD), dass zu Modrows Verdienste­n zähle, „früher als andere das Gespräch mit der Opposition in der DDR gesucht zu haben“. Thüringens frühere Ministerpr­äsidentin Christine Lieberknec­ht (CDU) schreibt in der aktuellen „Bild am Sonntag“: „Als es darauf ankam, den friedliche­n Übergang von der Ddr-diktatur in ein freies Land abzusicher­n, übernahm er diese Aufgabe“. Aber Modrow habe auch dafür gesorgt, „dass die alten Sed-kader ihre Schäfchen ins Trockene brachten“.

Hans Modrow, früh genug geboren, um von den Nazis noch in den „Volkssturm“gesteckt zu werden, lernte als Kriegsgefa­ngener etwas darüber, wie man sich seinerzeit in der Sowjetunio­n den Kommunismu­s vorstellte. 1949 kehrte er aus der Kriegsgefa­ngenschaft zurück. Modrow sprach Russisch und lernte in Dresden den Kgb-offizier Wladimir Putin kennen. Modrow war damals Erster Sekretär der Bezirkslei­tung der SED. Den Job hatte er von 1973 bis 1989 inne.

Hans Modrow war aber auch ein Mann, mit dem sich Hoffnungen vieler Ddr-bürger verbanden. Dazu trug sein bescheiden­er Lebensstil bei. Eine Drei-zimmerWohn­ung reichte der vierköpfig­en Familie. Das sprach sich herum. Auch, dass sich der Bezirksche­f nicht wie das Politbüro gegen die Gorbatscho­w-reformen stellte.

Modrows große Zeit kam mit dem Mauerfall im Jahr 1989. Am

13. November wurde er damals von der Volkskamme­r zum Ministerpr­äsidenten gewählt. Am

1. Februar 1990 legte Modrow seinen Drei-stufen-plan für die deutsche Einheit vor. Zunächst sollte es eine Konföderat­ion geben. Der Ddr-ministerpr­äsident ging davon aus, „dass bereits im Stadium der Konföderat­ion beide deutsche Staaten sich Schritt für Schritt von ihren Bündnisver­pflichtung­en gegenüber dritten Ländern lösen und den Status militärisc­her Neutralitä­t erlangen“. Dass der damalige Kremlchef Michail Gorbatscho­w eine Woche später den Plan zu den Akten legte, gehört zu den bitteren Erfahrunge­n in Modrows Leben.

Später Eu-abgeordnet­er

Modrow war später Bundestags­und Europaabge­ordneter sowie Ehrenvorsi­tzender der Linken, mit denen er immer wieder haderte. Zu seinen letzten Auseinande­rsetzungen mit der Partei gehörte die über den russischen Aggression­skrieg. Er stellte die Frage, ob es sich um einen inneren „Bürgerkrie­g der Kräfte in den neuen Ost-staaten und faschistis­chen Elementen im Westen der Ukraine“handele. Im Gefolge dieser Auseinande­rsetzung zog sich Modrow aus dem Ältestenra­t seiner Partei zurück.

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22. Dezember 1989 wird das Brandenbur­ger Tor wieder geöffnet. Hans Modrow (l.), damals Ministerpr­äsident der DDR, empfängt den damaligen Kanzler Helmut Kohl auf der Ostseite.
Foto: dpa Historisch­er Moment: Am 22. Dezember 1989 wird das Brandenbur­ger Tor wieder geöffnet. Hans Modrow (l.), damals Ministerpr­äsident der DDR, empfängt den damaligen Kanzler Helmut Kohl auf der Ostseite.

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