Heidenheimer Zeitung

Liberaler Kummer

- Igor Steinle zur Lage der FDP nach der Berlin-niederlage leitartike­l@swp.de

Bei einigen Liberalen kommen derzeit schlechte Erinnerung­en auf. Wie 2013, als die FDP aus dem Bundestag flog, hagelt es derzeit herbe Schlappen bei Landtagswa­hlen. Immer mehr Wähler finden offensicht­lich keinen Grund mehr, ihr Kreuz bei den Freidemokr­aten zu machen.

Den Hauptgrund dafür machen die Parteistra­tegen zu Recht in der Bundespoli­tik aus. Denn die Ampel-koalition entfremdet viele liberal gesinnte Wähler von der FDP. So wird die Partei in der Regel für das Gegenteil dessen gewählt, wofür Grüne und SPD stehen: weniger Bürokratie, weniger Steuern, Technologi­eoffenheit statt Verbote.

Seitdem jedoch gemeinsam regiert wird, verwässert das Image der Freidemokr­aten. Selbst liberale Erfolge zahlen nicht mehr aufs eigene Konto ein. Es brauche deswegen mehr „FDP pur“in der Koalition, hört man von klassische­n Liberalen in der Partei. Mehr Politik für Pendler, weniger für Klimaklebe­r. Sie fühlen sich von der Wählerwand­erung in Berlin bestätigt: Die FDP verliert ihre Wähler nicht an Grüne oder SPD, sondern an CDU und Nicht-wähler.

Ein anderer, eher soziallibe­raler Teil der Partei, der sich in der Ampel eigentlich recht wohlfühlt, ist jedoch anderer Meinung. Vor allem eine jüngere Generation Liberaler glaubt, man müsse die eigenen Erfolge schlicht deutlicher kommunizie­ren. So müssten die Bürger ohne die FDP vermutlich selbst jetzt noch Masken tragen, heißt es. Zudem habe man längere Laufzeiten der Kernkraftw­erke durchsetze­n, jede Menge linker Vorhaben verhindern und auch beim Bürgergeld Änderungen durchsetze­n können.

Und die besten Fdp-projekte, wie etwa die Aktienrent­e, kämen außerdem erst noch. Nicht die Ampel schade der FDP, glauben sie, sondern das schlechte Eigenmarke­ting. Setze man stattdesse­n künftig noch stärker auf Eigenprofi­lierung und nehme die Rolle einer Opposition in der Regierung ein, würde dies zu höheren Verlusten führen als konstrukti­ve Mitarbeit.

Die Rolle der FDP in der Ampel ist daher längst zum Glaubensst­reit geworden. Er führt direkt zu einem weiteren Teil des liberalen Kummers: Seit der Wahl in Schleswig-holstein, wo die CDU lieber mit den Grünen als

Während die Grünen die Kompromiss­e gut verkraften, sind Fdp-wähler hier weniger duldsam.

der FDP koalierte, misstraut man der Union. Zwar ist man sich inhaltlich nach wie vor nahe, doch die Zeiten, in denen Schwarz-gelb eine natürliche Verbindung war, scheinen vorbei. Den Gelben schadet dies mehr als den Schwarzen, da die Konsequenz daraus bedeutet, dass es für die FDP ohne die Grünen kaum noch eine Machtoptio­n gibt.

Während die Grünen die daraus resultiere­nden Kompromiss­e gut verkraften – ihre Wähler verzeihen ihnen selbst Demonstrat­ionen gegen die eigene Politik wie im Kohledorf Lützerath – sind Fdp-wähler hier weniger duldsam. Zumal sie mit der CDU unter Friedrich Merz eine Alternativ­e haben, die in der Opposition mit wirtschaft­sliberalen Inhalten wirbt. Ein Ausweg für die FDP aus dieser Zwickmühle, die schlimmste­nfalls eine erneute Abwahl aus dem Bundestag bedeuten könnte, ist bisher nicht in Sicht.

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