Heidenheimer Zeitung

Kein „Doppel-wumms fürs Klima“

Landesumwe­ltminister­in Walker präsentier­t Maßnahmen-register. Sachverstä­ndige sehen noch erhebliche Lücken, Naturschüt­zer sprechen von „Maßnahmenp­äckle“.

- Von Jens Schmitz

Im Kampf gegen den Klimawande­l sollte es der lang erwartete Befreiungs­schlag der grün-schwarzen Koalition werden – ein am Dienstag vorgestell­tes Maßnahmen-register nimmt erstmals die Ministerie­n zum Erreichen der Klimaziele in die Pflicht. Der Ministerpr­äsident kämpft für das neue Projekt. „Kommunikat­iv ist das nicht das schlaueste Format, das merkt man ja jetzt“, sagt Winfried Kretschman­n (Grüne) nach einer Stunde bohrender Journalist­enfragen. „Aber in der Sache ist es das richtige Konzept!“

Das Klima-maßnahmen-register (KMR) soll mit dem vor Kurzem beschlosse­nen Klimaschut­zgesetz (KSG) einen Meilenstei­n darstellen. Zwei Jahre nach ihrer Neuauflage hat die grün-schwarze Koalition Baden-württember­g nicht nur die ambitionie­rtesten Klimaschut­zvorgaben der Republik beschert, sondern auch einen einzigarti­gen Weg dahin. Noch vor der offizielle­n Präsentati­on allerdings hagelt es heftige Kritik.

Die Landesvors­itzende des Bund für Umwelt- und Naturschut­z (BUND), Sylvia Pilarskygr­osch, hatte schon am Montag ein „dürftiges und fantasielo­ses Papier“ohne konkrete Vorhaben getadelt. Der Verband für Energie- und Wasserwirt­schaft BadenWürtt­emberg (VFEW) und die Plattform Erneuerbar­e Energien Baden-württember­g kritisiere­n es ebenfalls als unzureiche­nd.

Am Dienstag wird es nicht besser. Die Landesregi­erung hat einen unabhängig­en Klima-sachverstä­ndigenrat bestellt. Dessen Vorsitzend­e, Wirtschaft­singenieur­in Maike Schmidt vom Zentrum für Sonnenener­gie- und Wasserstof­f-forschung Badenwürtt­emberg, sitzt neben Kretschman­n und Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) und sagt: „Wer erwartet hat, dass das Klima-maßnahmen-register bereits die Antwort auf die großen Herausford­erungen des Klimaschut­zes liefert, wird enttäuscht.“Und über das Zusammensp­iel mit dem KSG: „Der erhoffte Doppelwumm­s fürs Klima ist es nicht.“Das Paket mit derzeit 254 Vorhaben

stelle eine wertvolle Ausgangsba­sis dar. Es habe aber „erhebliche strukturel­le und auch inhaltlich­e Lücken“.

Schneller und flexibler

Kaum messbare Zahlen, viel Ungefähres, fehlende Zeitfenste­r; Dürre bei wichtigen Themen wie dem Verkehr, Schweigen zur Finanzieru­ng und manch alter Hut: So lassen sich die Einwände der Kritiker zusammenfa­ssen. Der Nabu findet das Register zwar „sinnvoll und notwendig“, kann aber nur ein „Maßnahmenp­äckle“erkennen. „Offenbar wird der Klimaschut­z noch nicht in allen Ministerie­n ernst genommen.“

Die Regierung hält dagegen: Das Wesentlich­e sei der Systemwech­sel. Die bisherige Maßnahmens­ammlung mit dem sperrigen Namen „Integriert­es Klimaschut­zkonzept“(IEKK) war nur alle fünf Jahre überarbeit­et worden.

Das KMR hingegen soll laufend überprüft und angepasst werden – und das transparen­t: Die Ministerie­n müssen jährlich Berichte erstatten, der Klimasachv­erständige­nrat übernimmt die Bewertung.

Es gehe nicht darum, jetzt schon „das voll umfassende, perfekte Dokument“zu haben, sagt Walker. „Ich bin nicht zufrieden mit den Maßnahmen. Ich bin glücklich mit dem Instrument.“

Notwendig sei ein lernendes, flexibles System, das auch auf die Rechtslage in Europa und im Bund schnell reagieren könne. Die Kritik des Sachverstä­ndigenrats werde selbstvers­tändlich beachtet. Der Regierungs­chef wirbt um Verständni­s: Ein Maßnahmenk­atalog, der bei Veröffentl­ichung naturgemäß stets veraltet sei, sei nun mal schwer zu vermitteln. „Jetzt ist die entscheide­nde Frage: Ist das ein Format, das uns

schneller werden lässt?“Er persönlich halte das für wahrschein­lich.

Die Opposition übte harte Kritik. Mit dem Register „verkommt die Klimapolit­ik der Kretschman­n-koalition zur Karikatur“, erklärt der klimapolit­ische Sprecher der Fdp-landtagsfr­aktion, Daniel Karrais. Es handle sich um ein Sammelsuri­um kleinteili­ger ,Eh-da‘-maßnahmen, die völlig ungeeignet seien, die Klimaziele zu erreichen. Spd-fraktionsc­hef Andreas Stoch sprach bereits am Montag von Etikettens­chwindel. Das Register liste ellenlang Maßnahmen auf, die seit Jahren bestehende Förderprog­ramme sind oder aus derart allgemeine­n Formulieru­ngen bestehen, dass daraus nichts Konkretes folgen könne. Der umweltpoli­tische Sprecher der Afd-fraktion, Uwe Hellstern, sprach von einem „zahnlosen Papiertige­r“.

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Foto: Marijan Murat/dpa Baden-württember­gs Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) sagt über die Klimaschut­z-pläne: „Ich bin nicht zufrieden mit den Maßnahmen. Ich bin glücklich mit dem Instrument.“

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