Kein „Doppel-wumms fürs Klima“
Landesumweltministerin Walker präsentiert Maßnahmen-register. Sachverständige sehen noch erhebliche Lücken, Naturschützer sprechen von „Maßnahmenpäckle“.
Im Kampf gegen den Klimawandel sollte es der lang erwartete Befreiungsschlag der grün-schwarzen Koalition werden – ein am Dienstag vorgestelltes Maßnahmen-register nimmt erstmals die Ministerien zum Erreichen der Klimaziele in die Pflicht. Der Ministerpräsident kämpft für das neue Projekt. „Kommunikativ ist das nicht das schlaueste Format, das merkt man ja jetzt“, sagt Winfried Kretschmann (Grüne) nach einer Stunde bohrender Journalistenfragen. „Aber in der Sache ist es das richtige Konzept!“
Das Klima-maßnahmen-register (KMR) soll mit dem vor Kurzem beschlossenen Klimaschutzgesetz (KSG) einen Meilenstein darstellen. Zwei Jahre nach ihrer Neuauflage hat die grün-schwarze Koalition Baden-württemberg nicht nur die ambitioniertesten Klimaschutzvorgaben der Republik beschert, sondern auch einen einzigartigen Weg dahin. Noch vor der offiziellen Präsentation allerdings hagelt es heftige Kritik.
Die Landesvorsitzende des Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Sylvia Pilarskygrosch, hatte schon am Montag ein „dürftiges und fantasieloses Papier“ohne konkrete Vorhaben getadelt. Der Verband für Energie- und Wasserwirtschaft BadenWürttemberg (VFEW) und die Plattform Erneuerbare Energien Baden-württemberg kritisieren es ebenfalls als unzureichend.
Am Dienstag wird es nicht besser. Die Landesregierung hat einen unabhängigen Klima-sachverständigenrat bestellt. Dessen Vorsitzende, Wirtschaftsingenieurin Maike Schmidt vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-forschung Badenwürttemberg, sitzt neben Kretschmann und Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) und sagt: „Wer erwartet hat, dass das Klima-maßnahmen-register bereits die Antwort auf die großen Herausforderungen des Klimaschutzes liefert, wird enttäuscht.“Und über das Zusammenspiel mit dem KSG: „Der erhoffte Doppelwumms fürs Klima ist es nicht.“Das Paket mit derzeit 254 Vorhaben
stelle eine wertvolle Ausgangsbasis dar. Es habe aber „erhebliche strukturelle und auch inhaltliche Lücken“.
Schneller und flexibler
Kaum messbare Zahlen, viel Ungefähres, fehlende Zeitfenster; Dürre bei wichtigen Themen wie dem Verkehr, Schweigen zur Finanzierung und manch alter Hut: So lassen sich die Einwände der Kritiker zusammenfassen. Der Nabu findet das Register zwar „sinnvoll und notwendig“, kann aber nur ein „Maßnahmenpäckle“erkennen. „Offenbar wird der Klimaschutz noch nicht in allen Ministerien ernst genommen.“
Die Regierung hält dagegen: Das Wesentliche sei der Systemwechsel. Die bisherige Maßnahmensammlung mit dem sperrigen Namen „Integriertes Klimaschutzkonzept“(IEKK) war nur alle fünf Jahre überarbeitet worden.
Das KMR hingegen soll laufend überprüft und angepasst werden – und das transparent: Die Ministerien müssen jährlich Berichte erstatten, der Klimasachverständigenrat übernimmt die Bewertung.
Es gehe nicht darum, jetzt schon „das voll umfassende, perfekte Dokument“zu haben, sagt Walker. „Ich bin nicht zufrieden mit den Maßnahmen. Ich bin glücklich mit dem Instrument.“
Notwendig sei ein lernendes, flexibles System, das auch auf die Rechtslage in Europa und im Bund schnell reagieren könne. Die Kritik des Sachverständigenrats werde selbstverständlich beachtet. Der Regierungschef wirbt um Verständnis: Ein Maßnahmenkatalog, der bei Veröffentlichung naturgemäß stets veraltet sei, sei nun mal schwer zu vermitteln. „Jetzt ist die entscheidende Frage: Ist das ein Format, das uns
schneller werden lässt?“Er persönlich halte das für wahrscheinlich.
Die Opposition übte harte Kritik. Mit dem Register „verkommt die Klimapolitik der Kretschmann-koalition zur Karikatur“, erklärt der klimapolitische Sprecher der Fdp-landtagsfraktion, Daniel Karrais. Es handle sich um ein Sammelsurium kleinteiliger ,Eh-da‘-maßnahmen, die völlig ungeeignet seien, die Klimaziele zu erreichen. Spd-fraktionschef Andreas Stoch sprach bereits am Montag von Etikettenschwindel. Das Register liste ellenlang Maßnahmen auf, die seit Jahren bestehende Förderprogramme sind oder aus derart allgemeinen Formulierungen bestehen, dass daraus nichts Konkretes folgen könne. Der umweltpolitische Sprecher der Afd-fraktion, Uwe Hellstern, sprach von einem „zahnlosen Papiertiger“.