Heidenheimer Zeitung

Täuschend echte Imitate

Der Neresheime­r Notfallsan­itäter und Unternehme­r Markus Vetter entwickelt und vertreibt Übungsmedi­kamente – mit so viel Erfolg, dass er in Dischingen ein neues Betriebsge­bäude plant.

- Von Jens Eber

Es gibt Ideen, die sind so einleuchte­nd, dass man sich automatisc­h fragt: Warum ist da noch keiner draufgekom­men? Markus Vetter aus Neresheim ging es so. Der 51-Jährige erkannte einen Bedarf, fand kein passendes Angebot – und als guter Schwabe sagte er sich: Dann mach ich’s halt selber. Jetzt ist er der europaweit größte Anbieter von Übungsmedi­kamenten.

Schon allein der Begriff „Übungsmedi­kamente“kann für Stirnrunze­ln sorgen. Vetter hat ihn mittlerwei­le schützen lassen, weil es kein Wort gibt, dass seine Produkte besser erklärt. Aus den ersten Anfängen mit einzelnen, noch händisch nachgebast­elten Produkten ist mittlerwei­le eine regelrecht­e Trainingsa­potheke geworden. Um der wachsenden Nachfrage zu begegnen, wird

Vetter für ein Unternehme­n nun einen neuen Standort in Dischingen bauen.

Vetters Geschäftsi­dee konnte über Jahrzehnte hinweg reifen. Er war ehrenamtli­ch bei der Freiwillig­en Feuerwehr tätig, später hauptberuf­lich im Rettungsdi­enst, zuletzt als Notfallsan­itäter. Bei all seinen Aus- und Fortbildun­gen war eines klar: „Von uns wurde immer erwartet, dass wir Kompetenz erlangen“, so Vetter. Zu Recht, immerhin sollten Rettungskr­äfte auf jede erdenklich­e Situation vorbereite­t sein. Zum Trainieren für alle Einsatzsit­uationen habe es aber immer „das gleiche Plastikflä­schle für alles“gegeben, auch wenn völlig unterschie­dliche Szenarien geübt wurden.

Damit war Vetter unzufriede­n. „Arzneimitt­el sind sehr invasiv für den Patienten“, sagt er, daher sollten auch Trainings seiner Ansicht nach so wirklichke­itsnah wie möglich sein. Sprich: Wer übungshalb­er ein Notfallmed­ikament verabreich­t, sollte das so realistisc­h wie möglich tun können.

Über Jahrzehnte hinweg habe man mit abgelaufen­en Medikament­en geübt, das aber hält Vetter nicht nur für wenig nachhaltig, sondern im Zweifel auch für gefährlich, schließlic­h gibt es gerade in der Notfallmed­izin Medikament­e mit sehr hohem Wirkungsgr­ad – und die sollten niemandem versehentl­ich verabreich­t werden.

Von der Idee zur Gründung

Für Vetter war das der Dannmach-ich’s-halt-selber-moment: 2015 bastelte er mit seiner Frau, einer gelernten Rettungsas­sistentin, nebenher beim Fernsehen die ersten Stechampul­len für Injektione­n. Die Etiketten druckten sie selber, beklebten die Ampullen vor dem Fernseher und gingen bald damit auf eine erste Fachmesse. Das Angebot erschien offenbar vielen Profis als überzeugen­d, die Nachfrage stieg rasch an.

Heute umfasst der Übungsmedi­kamente-katalog unterschie­dlichste Ampullen, Tabletten, Tropfen oder Infusionsb­eutel. Unter dem augenzwink­ernden

Namen „Traini-rocket“bietet Vetter sogar wirkstofff­reie Zäpfchen an. Außerdem vertreibt Vetter mit seinem Unternehme­n auch Produkte anderer Hersteller, künstliche Übungsgerü­che zum Beispiel. Was merkwürdig klingt, hat ebenfalls einen ernsten Hintergrun­d: Angehende Rettungskr­äfte sollen sich so auf unangenehm­e Gerüche vorbereite­n, bevor sie im Ernstfall damit konfrontie­rt werden.

Über Logistik viel gelernt

Klar, dass die Vetters und ihre Teilzeit-mitarbeite­rinnen die Nachfrage heute nicht mehr vom Wohnzimmer aus bedienen können. Produktion, Lager und Versand finden sich allerdings noch immer in einer ehemaligen Ferienwohn­ung ihres Wohnhauses – unter entspreche­nd beengten Verhältnis­sen. „Wir haben hier viel über Logistik gelernt“, scherzt Markus Vetter angesichts der Enge. Dennoch wollen sie nicht dauerhaft tonnenweis­e Material und Versandkar­tons durch ihr Treppenhau­s schleppen.

Mehrere Jahre lang hätten sie versucht, ein Baugrundst­ück in ihrer Heimatgeme­inde zu bekommen, allerdings erfolglos. Als sie schließlic­h ihre Fühler etwas weiter ausstreckt­en, ging es ganz schnell: Innerhalb weniger Wochen konnte sich die Firma Vetter eine Fläche an der Dossenberg­erstraße in Dischingen sichern. Dort sollen neben Fertigungs­und Lagerräume­n auch Büros und Schulungsr­äume entstehen. Darin will Markus Vetter dann auch Erste-hilfe-kurse anbieten, etwas für Unternehme­n.

Auf diesen großen Schritt freut sich Markus Vetter nicht nur, weil sich die Arbeit aus dem Zuhause in ein passgenau geplantes Gebäude verlagern kann. Er kann es auch kaum erwarten, einen wachsenden Markt zu bedienen, den er in echter Pionierarb­eit überhaupt erst aufgebaut hat.

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Fotos: Übungsmedi­kamente Vetter Die sogenannte­n Brechampul­len werden für Übungszwec­ke mit teils eingefärbt­em Wasser befüllt.
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Aus einem zündenden Einfall hat Markus Vetter eine Geschäftsi­dee gemacht.

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