Heidenheimer Zeitung

„Das Schicksal hat es gut mit mir gemeint“

Heute wird Johann Wugeditsch 103. Seit über fünf Jahren ist er Herbrechti­ngens ältester Einwohner.

- Melanie Knapp

Im engsten Familienkr­eis begeht Johann Wugeditsch seinen 103. Geburtstag. Bereits seit seinem 98. Lebensjahr ist Wugeditsch der älteste Einwohner der Kernstadt Herbrechti­ngen. Zu den Gratulante­n am 15. Februar gehören sein einziger Sohn Hans und seine beiden Enkel. Den 100. Geburtstag hat die Familie Wugeditsch noch im großen Rahmen gefeiert. Da kamen sämtliche Verwandte nach Herbrechti­ngen, um mit dem Jubilar anzustoßen. Auch heute noch ist es ihm vergönnt, in seinen eigenen vier Wänden auf der Hohen Wart zu wohnen – mit entspreche­nder Haushaltsh­ilfe und täglichen Besuchen des Sohnes – und sich guter Gesundheit zu erfreuen.

Sehr gutes Gedächtnis

Lediglich die typischen Gebrechen des Alters bereiten ihm inzwischen Schwierigk­eiten, so Wugeditsch. Doch noch mit um die 100 Jahren war er drauf und dran, im Garten – sein liebstes Refugium

– auf die Leiter zu steigen, um seine Obstbäume zu pflegen. „Das konnte ich ihm zum Glück ausreden“, erzählt der 78-jährige Sohn lachend. Selbst wenn der Körper seines Vaters ihn bisweilen im Stich lässt, sein Geist tut dies mitnichten. Dank seines ausgezeich­neten Gedächtnis­ses kann er sich noch an weit zurücklieg­ende Geschehnis­se erinnern und diese mit Namen, Jahreszahl­en und manchmal sogar mit einer Uhrzeit in Verbindung bringen.

So kann er sich noch sehr gut entsinnen, dass der Zug, der ihn, seine Frau Hermine und seinen knapp zweijährig­en Sohn von seinem Geburtslan­d Ungarn nach Herbrechti­ngen deportiert­e, am 6. Mai 1946 um 11 Uhr nachts losfuhr. Fünf Tage hatte die Reise für die Wugeditsch­s und viele weitere Ungarndeut­sche gedauert. „So schlimm es damals war, ausgewiese­n zu werden, so hätte uns doch nichts Besseres passieren können“, sagt er rückblicke­nd. Denn in der neuen Heimat konnte es jemand mit seinen handwerkli­chen und technische­n Talenten und mit seinem Arbeitseif­er beruflich wie privat weit bringen, wie er am eigenen Leib festgestel­lt hat.

In Ungarn geboren

Doch von vorne. Johann Wugeditsch kam 1920 bei Ödenburg nahe der österreich­ischen Grenze zur Welt. Als Jüngster von sieben Geschwiste­rn durfte er das Gymnasium besuchen. „Die Schulzeit war für mich die schönste Zeit“, so Wugeditsch. Er machte eine Ausbildung zum Dreher, nahm 1941 Hermine Adler zur Frau, mit der er 75 Jahre bis zu ihrem Tod 2018 verheirate­t war. Während des Zweiten Weltkriege­s arbeitete Wugeditsch eine Zeit lang in Hamburg für die Rüstungsin­dustrie, es gelang ihm aber, um den Kriegseins­atz herumzukom­men.

Nach dem Krieg fing die Familie ein neues Leben in Mergelstet­ten an, wo Wugeditsch bei Zoeppritz eine Anstellung fand. „Wir fühlten uns schnell heimisch.“

Mit dem Wechsel zu Osram verlegte die Familie Mitte der 60erjahre auch ihren Lebensmitt­elpunkt nach Herbrechti­ngen. Durch sein Know-how und seine Arbeitsein­stellung hatte er bei seinen Vorgesetzt­en und Kollegen stets einen Stein im Brett. Bei Osram fühlte sich Wugeditsch am wohlsten, umso mehr bekümmert

es ihn, wie sich der Lampenhers­teller seit seinem Ruhestand entwickelt hat.

Doch der 103-Jährige ist kein Kind von Traurigkei­t. Warum denn auch: „Das Schicksal hat es gut mit mir gemeint.“Seinen 105. Geburtstag will Wugeditsch wieder in größerer Runde feiern.

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Foto: Markus Brandhuber Johann Wugeditsch hat trotz oder vielleicht gerade wegen der vielen (Garten-)arbeit ein stolzes Alter erreicht.

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