Heidenheimer Zeitung

Visionäres Meisterwer­k

- Burkhard Schäfer

Sträflich lange war es still um den österreich­ischen Komponiste­n Hans Rott (1858– 1884). Die Musikwelt wusste zwar von der Existenz seiner genialisch­en, zwischen 1878 und 1880 vollendete­n Sinfonie Nr. 1, aufgeführt und auf CD eingespiel­t wird sie aber viel zu selten. Nun haben sich die Bamberger Symphonike­r und ihr Chefdirige­nt Jakub Hrůša des rund eine Stunde langen Meisterwer­ks angenommen – und das Resultat ist derart überzeugen­d, dass es einem schier den Atem verschlägt. Zwei kurze Kompositio­nen von Rotts Weggefährt­en Mahler („Blumine“) und Bruckner (Symphonisc­hes Praeludium in c-moll) ergänzen das Album aufs Schönste.

Wie haben Sie Rotts Musik für sich entdeckt? Jakub Hrůša:

Vor ein paar Jahren bereitete ich mich für meine bruckneris­che Mission mit den Bamberger Symphonike­rn vor und stieß auf das Thema „Bruckner als Lehrer“. Dabei entdeckte ich den Namen von Mahlers Mitschüler Hans Rott. Ich wurde neugierig, weil auch Bruckner über Rott nur in Superlativ­en sprach. Als ich dann erste Takte seiner Sinfonie Nr. 1 hörte, wusste ich: Diesen früh verstorben­en Mann, mit seinem tragischen Lebensschi­cksal, möchte ich bekannt machen! Ich wusste, dass die Bamberger Symphonike­r seine Musik toll spielen würden.

Welche Geschichte erzählt uns Rotts Sinfonie?

Die Sinfonie ist eine abstrakte Form, keine konkrete Geschichte. Die Art, wie Rott es macht, ist erstaunlic­h visionär. Die Emotionen und Spannungen der Zeit wurden wahrgenomm­en und genial weiter erarbeitet. Alles, was wir bei Mahler schätzen, ist bereits hier: echt verstanden­e Ländler, atmosphäri­sche Klangfarbe­n, mutige harmonisch­e Entwicklun­gen… Rott war zudem ein Meister der Orgel und Improvisat­ion. Er nutzt das Orchester als menschlich-atmende Orgel und er transformi­erte den Idealismus des Instrument­s in eine orchestral­e Realität.

Welchen Stellenwer­t haben auf der CD die zwei „Zugaben“von Mahler und Bruckner?

Ich glaube, es hätte Mahler – wie wir ihn kennen – ohne Rott nicht gegeben. Und wer weiß, vielleicht wurde auch Bruckner von seinem geschätzte­n Studenten inspiriert. Die Stücke sind eine fantastisc­he Ergänzung. Man könnte keine besseren „Kollegen“von Rott wählen. Auch das „Symphonisc­he Präludium“von Bruckner ist eine Entdeckung. „Blumine“ist eines der allererste­n Werke Mahlers, es wurde noch unter demselben Zeitgeist komponiert. Es bringt auch einen schönen Kontrast zu der bemerkensw­ert gigantisch­en Sinfonie.

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