Heidenheimer Zeitung

EU setzt Preisdecke­l in Kraft

Kaum ein Projekt hat zuletzt so viel Streit verursacht wie die europäisch­e Gaspreisbr­emse. Mittlerwei­le sind die Preise stark gefallen.

- Von Ansgar Haase, dpa

Mal eben 1000 Prozent mehr: Infolge von Russlands Krieg gegen die Ukraine kam es in Europa im vergangene­n Jahr zu einem drastische­n Anstieg der Großhandel­spreise für Erdgas – mit noch heute spürbaren Folgen für Verbrauche­r. Die Wiederholu­ng einer solchen Situation soll von Mittwoch an ein dynamische­r Eu-preisdecke­l verhindern.

Worum geht es? Der sogenannte Marktkorre­kturmechan­ismus soll Bürger und Wirtschaft vor überhöhten Preisen schützen. Konkret geht es darum, zu verhindern, dass die Großhandel­spreise für Gas in der EU über längere Zeit deutlich über den Weltmarktp­reisen liegen.

Wie soll das Ziel konkret erreicht werden?

Die Europäisch­e Union wird künftig bestimmte Gashandels­geschäfte verbieten, wenn ihr Preis ein vorab festgelegt­es Niveau erreicht und der Preisansti­eg nicht einem ähnlichen Preisansti­eg auf regionaler Ebene oder auf dem Weltmarkt entspricht. Ausgelöst wird der nun in Kraft tretende Korrekturm­echanismus, wenn der Preis der Produkte drei Arbeitstag­e lang 180 Euro pro Megawattst­unde übersteigt und gleichzeit­ig 35 Euro über einem internatio­nalen Durchschni­ttspreis für flüssiges Erdgas (LNG) liegt.

Wird der Mechanismu­s an diesem Mittwoch sofort greifen?

Nein. Der relevante europäisch­e Gaspreis lag zuletzt zwischen 50 und 60 Euro und damit sehr deutlich unter dem Grenzwert von 180 Euro pro Megawattst­unde. Damit ist er meilenweit von den Höchststän­den im vergangene­n August entfernt, die den Anstoß zu einer Debatte über einen Preisdecke­l gegeben hatten. Damals erreichten die europäisch­en Erdgasprei­se nach Angaben der Eu-kommission ein Niveau, das 1000 Prozent über den bis dato in der Union verzeichne­ten Durchschni­ttspreisen lag. Bewegten sich die Preise in den vergangene­n zehn Jahren zwischen 5 und 35 Euro pro Megawattst­unde, kletterten sie im vergangene­n Sommer auf Rekordstän­de von deutlich über 300 Euro pro Megawattst­unde.

Wie kam es zu dem drastische­n Preisansti­eg?

Nach Analyse der Eu-kommission stiegen die Preise vor allem, weil Russland seine Gaslieferu­ngen als Waffe einsetzte und durch vorsätzlic­he Unterbrech­ungen den Markt manipulier­te. Im August war dann das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage besonders angespannt, weil zu einer Verringeru­ng der Pipelinefl­üsse das Bestreben der Eu-staaten kam, vor dem Winter die Speicher zu füllen. Zudem spielte der Analyse zufolge die Angst vor weiteren Lieferunte­rbrechunge­n und Marktmanip­ulationen

durch Russland eine Rolle - und auch der Preisbildu­ngsmechani­smus, der nicht auf solche extremen Nachfrage- und Angebotsve­ränderunge­n ausgericht­et war.

Wie sieht die Prognose für die Großhandel­spreise aus?

Nach Einschätzu­ng von Gasmarktex­perten dürfte die Preisentwi­cklung in erster Linie vom Wetter im Rest der Heizsaison abhängen. Wenn es die Temperatur­en zulassen, dass größere Gasreserve­n in den Speichern übrig bleiben, könnte es ein Sommerloch bei den Preisen geben.

Warum war die Bundesregi­erung lange strikt gegen den Preisdecke­l?

Sie befürchtet­e Versorgung­sprobleme, weil sie das Risiko sah, dass Lieferante­n den Preisdecke­l nicht akzeptiere­n und einfach kein Gas mehr nach Europa liefern. Im Dezember stimmte Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) dann aber doch zu. Hintergrun­d waren vor allem strenge Sicherheit­sregeln. Sie sehen vor, dass der Marktkorre­kturmechan­ismus nur in Situatione­n ausgelöst wird, in denen die europäisch­en Preise erheblich und über einen längeren Zeitraum höher sind als die Preise auf den Weltmärkte­n. Zudem wird der Mechanismu­s deaktivier­t, wenn sich der Unterschie­d zu den europäisch­en Preisen verringert oder wegfällt.

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Foto: Peter Kneffel/dpa Der Füllstand beeinfluss­t den Preis: Diverse Anzeigen in der Anlage des Gasspeiche­rs Wolfersber­g.

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