Romantisches Doppel
Sandra Lang und Joachim Jagusch sind verlobt und spielen für Victoria Härtsfeld in der Bezirksklasse. Doch wer hat das Sagen an der Platte?
Fast wäre er schiefgelaufen. Der Heiratsantrag. Joachim Jagusch hatte den Ring für die erhoffte Verlobung bei einem gemeinsamen Essen beim „Italiener“in einem Nachtisch platziert. Ganz wie in einem Film. Das Problem: Seine Angebetete, Sandra Lang, wollte an dem Tag gar keinen Nachtisch. Es war der 1. November 2020 – kurz vor einem weiteren Lockdown der Pandemie. Was also tun?
Heiratsantrag im Kino
Normalerweise sind die beiden Teamplayer, nun war Jagusch aber auf sich gestellt – und musste improvisieren. Beim anschließenden Kinobesuch, das Paar spielt nicht nur leidenschaftlich gerne Tischtennis, sondern ist auch ein großer Filmfan, versteckte Joachim Jagusch den Ring in einer entsprechenden Schachtel im Popcornbecher. „Ich dachte nur: Das Popcorn sieht aber komisch aus“, erinnert sich Sandra Lang an den Abend, in dem die beiden mit dem britischen Schauspieler Gerald Butler in einem Weltuntergangsfilm mitfieberten. „Für uns ging aber die Sonne auf “, sagt Lang – und lacht. Die Hochzeit soll „demnächst mal“folgen, sagen sie. Stressen lassen sie sich da nicht.
Kennengelernt haben sich Joachim Jagusch, der einfach nur Aki genannt wird, und Sandra Lang während einer Schiedsrichterausbildung. Jagusch war schon Schiri, Lang Neuling. Die talentierte Spielerin trat damals noch für die Frauenmannschaft des TSV Dewangen in der Landesliga an. Jagusch war bereits beim TTC Victoria Härtsfeld. 2014 wurde aus den beiden ein Paar. Joachim Jagusch coachte seine Freundin und fuhr mit zu ihren Spielen. Aufwendig, da er selbst auch aktiv war. „Aki hat mich auf die Idee gebracht, dass ich bei den Herren in Härtsfeld mitspielen könnte“, erinnert sich Lang. Der Vorteil: Die Männer spielen samstags später, was auch mit dem Job besser vereinbar sei.
Beide arbeiten bei der Post
Sowohl Lang als auch Jagusch arbeiten nämlich als Zusteller bei der Post – und somit auch samstags. „Ab und an sehen wir uns auch bei der Arbeit auf der Straße“, sagt Joachim Jagusch. 2015 wechselte also Sandra Lang zur Victoria, bei der es kein reines Frauenteam gibt. Mit Lang zusammen sind’s drei Spielerinnen, für eine Mannschaft benötige man aber vier. Also teilen sich die drei Frauen auf die Männerteams auf. Sandra Lang steht dabei für die „Erste“an der Tischtennis-platte. „Ich spiele gerne gegen Männer“, sagt die 33-Jährige. Frauen hätten nicht so eine variable Spielweise wie Männer. „Entweder hauen sie drauf oder aber schieben den Ball hin und her“, sagt Sandra Lang. „In der Männerklasse gibt es mehr Abwechslung, das ist viel interessanter.“
Männerliga als Ansporn?
Seitdem sie gegen Männer spielt, ist Sandra Lang stärker geworden. Das sagt nicht nur sie, sondern auch ihr Verlobter. Ihre Wertungszahl ging von 1360 auf 1550 hoch (siehe Infokasten). „Ich bin so viel besser geworden. Da ging richtig was“, sagt Sandra Lang. Doch warum tun sich Männer teilweise so schwer gegen sie? „Vielleicht denken manche: Oh, Gott. Jetzt muss ich gegen eine Frau spielen“, vermutet Sandra Lang. „Manche haben womöglich Mitleid. Oder sie setzen sich selbst unter Druck, nach dem Motto: Ich darf nicht verlieren, sie ist nur eine Frau.“Es sei auch eine Kopfsache.
Lang begann bei der Victoria aus Härtsfeld auf Position drei. Inzwischen spielt sie auf Position eins in der Bezirksklasse – und ist somit die Nummer eins des Teams. Ihr Verlobter wird an Position drei geführt. Ein Problem? „Ganz und gar nicht“, betont Joachim Jagusch, der zudem mit Sandra Lang im Doppel antritt. Einen Chef oder Chefin an der Platte gebe es dann aber nicht. „Sandra spielt aggressiver, ich bin derjenige, der blockt und kontert“, erklärt Joachim Jagusch. „Wir ergänzen uns da sehr gut“, fügt seine Verlobte an.
In der Männer-bezirksklasse ist Sandra Lang die einzige Frau, in der darüber liegenden Bezirksliga gibt es keine Spielerinnen. Weiter unten kommen Frauen dann wieder öfter zum Einsatz, erklärt Joachim Jagusch. „Ich find’s gut, die einzige Frau zu sein“, sagt Sandra Lang. „Schon als kleines Kind habe ich lieber mit Jungs gespielt.“In der Frauen-landesliga beim TSV Dewangen sei sie unterfordert gewesen.
Die Sache mit den Gedankenspielen hat sich inzwischen aber auch bei ihr eingeschlichen. Ab und an tue sie sich auch schwer, gesteht sie. „Manchmal denke ich wohl: Oh, Gott. Die armen Männer! Sie müssen gegen mich starke Frau spielen“, scherzt Lang.
Oh, Gott. Die armen Männer! Sie müssen gegen mich starke Frau spielen. Sandra Lang, scherzend über männliche Konkurrenten
Und wie war die Integration im Team? Problemlos, sagt Lang. „Ich hatte mir darüber gar kein Gedanken gemacht. Und wurde auch gleich super aufgenommen.“Selber Arbeitgeber, gemeinsames Hobby: Geht man sich da nicht doch mal auf den Keks? „Nein, wir wundern uns auch, wie das sein kann“, sagt Sandra Lang. „Wir machen alles zusammen. Andere Paare brauchen eine Auszeit. Das verstehen wir wiederum nicht“, fügt Joachim Jagusch an.
Das gemeinsam ausgeübte Hobby läuft somit reibungslos – fast immer. „Wenn wir uns mal zanken, dann, wenn er mit meiner sportlichen Leistung unzufrieden ist“, sagt Sandra Lang mit einem Seitenhieb Richtung ihres Partners. Joachim Jagusch gehe es darum, dass seine Verlobte nicht immer ihr Potenzial abrufe. „Auf der Heimfahrt ist er aber wieder mein Schatzi“, sagt Lang – und deutet an, dass es immer ein kleines Happy End gibt. So wie in vielen Filmen.