„Labbadia ist genau der Richtige“
Vorstandschef Alexander Wehrle bilanziert die erste Zeit des Trainers und spricht über die schwierige finanzielle Situation seines Klubs. Von Philipp Maisel, Dirk Preiß und Gregor Preiß
Vor dem Heimspiel gegen seinen Ex-club 1. FC Köln (15.30 Uhr/sky) ist die Lage beim VFB Stuttgart angespannt. Sportlich sowieso, aber auch wirtschaftlich. Vorstandschef Alexander Wehrle bezieht zur aktuellen Krisensituation beim Fußball-bundesligisten Stellung.
Herr Wehrle, am Samstag kommt der 1. FC Köln, mit dem Sie persönlich viele schöne Erinnerungen verbinden. Auch die Fans des VFB denken gerne an Köln und den 34. Spieltag der vergangenen Saison zurück. Aktuell stellt sich die Situation weniger berauschend dar.
Alexander Wehrle: Am Samstag ist für Erinnerungen an Köln kein Platz. Für uns geht es um wichtige Punkte, um nichts anderes.
Bruno Labbadia hat aus fünf Bundesliga-spielen nur zwei Punkte gesammelt. Wie sehen Sie seine Bilanz?
Ich sehe viele gute Ansätze, gerade was die defensive Ordnung und die Entwicklung als Mannschaft angeht. Leider hat uns in den vergangenen Spielen oft das Momentum gefehlt. Die Mannschaft belohnt sich nicht für ihren Aufwand. Aber ich bin sicher, dass sich das ändern wird.
Ihre Aussage vor der Verpflichtung von Bruno Labbadia lautete: Am Ende zählen Ergebnisse. Bislang hat Labbadia weniger Punkte als Michael Wimmer und Pellegrino Matarazzo gesammelt.
Ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, dass Bruno Labbadia genau der richtige Trainer ist. Und dass es verfrüht ist, nach fünf Spieltagen Bilanz zu ziehen. Es liegen noch 14 Spieltage vor uns.
Die Stimmung bei vielen Anhängern ist weniger hoffnungsvoll. Wie nehmen Sie als oberster Verantwortlicher die Gemütslage rund um den Verein wahr?
Ich nehme Kritik und Sorgen wahr, die man ernst nehmen muss. Vor allem aber nehme ich wahr, dass unsere Fans uns auswärts und zu Hause bedingungslos unterstützen.
Eine sehr subjektive Sichtweise.
Sie haben mich gefragt, wie ich es wahrnehme. Ich bin mit vielen Menschen im Austausch, mit Mitgliedern, Fans, Sponsoren, Interessierten. Ich spreche auch persönlich mit Menschen, die in den sozialen Netzwerken aktiv sind. Dass es bei unserer sportlichen Situation Kritik gibt, ist normal, und das müssen wir aushalten. Aber ich richte mich nicht nach anonymen und teilweise weit unter der Gürtellinie angesiedelten Wortmeldungen im Netz. Diese können und dürfen nicht Grundlage unseres Handelns sein. Wir haben eine Gesamtverantwortung für den VFB Stuttgart, der wir gerecht werden müssen.
Zur Stimmungslage gehört auch das Bild, das der ganze VFB im Moment abgibt. Wie sehen Sie als Chef der AG die ständigen Querelen im e. V.? Unruhe tut nie gut. Was wir in un
serer jetzigen Situation benötigen, sind Stabilität und Geschlossenheit und keine unnötigen Störfeuer. Das haben wir in den Gremien auch klar angesprochen.
Welche Ratschläge bekommen Sie von Ihren prominenten Beratern Philipp Lahm und Sami Khedira?
Wir hatten erst diese Woche wieder einen intensiven Austausch. Gemeinsam mit unserer Sportlichen Leitung und der Scoutingabteilung ging es um die Kaderplanung im Sommer und die Integration unserer Nachwuchsspieler in den Profibereich. Wir treffen uns regelmäßig.
Wie ernst ist die finanzielle Lage beim VFB?
Sie ist herausfordernd. Durch zweieinhalb Jahre Corona sind uns immense Zuschauer- und Businesseinnahmen weggebrochen, die wir nicht im Nachhinein kompensieren können. Traditionsvereine
mit großen Stadien hatten darunter mehr zu leiden als andere Vereine. Die Ausfälle waren brutal und haben zur Folge, dass wir mehr Transfererlöse erzielen müssen als für uns auf Dauer gesund ist. Davon müssen wir perspektivisch wieder wegkommen.
Stimmt es, dass dem VFB die Lizenz zur kommenden Spielzeit nur unter Auflagen erteilt werden soll?
Wir haben unsere Hausaufgaben bis zur Abgabe am 15. März gemacht – und sind zuversichtlich, dass wir keine Auflagen bekommen werden.
Unter welchen Belastungen hat der VFB noch zu leiden?
Neben den Coronafolgen ist das der Umbau der Mercedes-benzarena, der für uns aktuell über das Investment hinaus verringerte Einnahmen aus dem Stadion bedeutet. Mittel- und langfristig
bietet dieses Projekt aber ganz neue Perspektiven. Hinzu kommen Kredite, die zurückbezahlt werden müssen, und ein nicht kostengünstiger Kader. Was die Gehälter betrifft, liegen wir unter den Top 12 der Bundesliga. Auch unsere Leihspieler belasten den Personaletat in deutlicher Höhe.
Wie läuft der Stadionumbau? Am 130 Millionen Euro teuren Umbau beteiligt sich der VFB mit rund 50 Millionen Euro. Ist das nicht zu viel für einen Verein, der darum kämpft, in der Bundesliga zu bleiben?
Die Kosten sind stemmbar. Um das Stadion tauglich für die EM 2024 zu machen sowie für notwendige Instandhaltungsarbeiten und Renovierungen hätten ohnehin 40 bis 50 Millionen Euro investiert werden müssen. Dass sich meine Vorgänger für einen erweiterten Umbau entschieden haben, um dauerhaft höhere Einnahmen zu generieren, kann ich nachvollziehen.
Bei einem Abstieg dürfte es mit höheren Einnahmen schwierig werden.
Noch mal: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die Klasse halten. Wir haben künftig 8000 Quadratmeter mehr an Businessund Vermarktungsfläche zur Verfügung. Dabei geht es auch um externe Veranstaltungen, die uns Geld einbringen werden.
Sie haben in Sportfive einen neuen Vermarktungsgiganten an Ihrer Seite. Was kann Sportfive, was die Marketingabteilung des VFB nicht kann? Oder anders gefragt: Der Klub verfügt über rund 300 Mitarbeiter –
wozu benötigt es da noch einen externen Dienstleister?
Um die genannten zusätzlichen Veranstaltungen in der Mercedesbenz-arena vermarkten zu können, hätten wir Personal einstellen müssen. Wir haben uns stattdessen für Sportfive und für absolute Experten auf diesem Gebiet entschieden. Perspektivisch gilt es für uns, unsere gesamte Personalstruktur auf ein gesundes Niveau zu bringen.
Der garantierte Umsatz aus der Sportfive-vermarktung soll sich auf 50 Millionen Euro jährlich belaufen. Wie viel bleibt davon am VFB hängen, wie viel fließt an die Agentur?
Wir haben eine Umsatzstaffel gewählt, die sehr gesund für uns ist. Bis zu einem signifikanten Umsatz fällt erst einmal gar keine Provision an.
Sie sind nun fast seit einem Jahr wieder zurück in Stuttgart. Wie blicken Sie auf die Zeit zurück?
Ich hätte mir gewünscht, dass wir nicht wieder in den Abstiegskampf geraten.
Gibt es etwas, das Sie im Nachhinein anders machen würden? Etwa in der Causa Sven Mislintat?
Wenn ich Fehler mache, stehe ich dazu – so wie im September nach der Kommunikation zu Lahm, Khedira und Gentner. Nachdem Sven Mislintat unser Vertragsangebot nicht annehmen wollte, sind wir fair, kollegial und menschlich sauber auseinandergegangen. Es gab von keiner Seite irgendein Nachtreten. Das würde ich immer wieder so machen.