Heidenheimer Zeitung

Solarzelle­n, mal anders

Photovolta­ikanlagen, die frei auf Feldern stehen, kennt jeder. Eine neue Technologi­e könnte aber viele weitere Flächen nutzen – sie arbeitet mit hauchdünne­n Folien.

- Yasemin Gürtanyel

Das Licht der Sonne enthält unvorstell­bar viel Energie. So viel, dass sie innerhalb von 90 Minuten den Energiebed­arf der gesamten Menschheit eines Jahres decken würde. Vom Menschen genutzt wird bislang aber nur ein winziger Bruchteil dieser Energie, etwa mit Hilfe von Solaranlag­en. Laut Berechnung­en des Fraunhofer Instituts für Solare Energie Systeme (ISE) könnten so allein in Deutschlan­d mehr als 3000 Gigawatt (GW) produziert werden werden, erzeugt werden momentan 56. Um das Potenzial auszuschöp­fen, müsste man auch Flächen nutzen können, für die konvention­elle Photovolta­ikanlagen derzeit ungeeignet sind. Zum Beispiel, weil Dächer nicht dafür konzipiert sind, die erhebliche Last der Solarpanel­s zu tragen. Oder weil es die Architektu­r nicht erlaubt, sie überhaupt anzubringe­n. Um diese Flächen nutzen zu können, müssten Photovolta­ikanlagen anders aussehen – etwa wie die der Firma Heliatek. Statt solider Panels produziert das Unternehme­n dünne Folien. Und statt des anorganisc­hen Halbmetall­s Silizium, auf dessen Basis die meisten konvention­ellen Pv-anlagen basieren, wandeln organische Verbindung­en die Energie der Sonne in Strom um.

Nun bedeutet „organisch“nicht, dass biologisch­es Material verwendet wird. „Wir machen keine Pv-anlagen aus Bananensch­alen“, scherzt Stephan Kube, zuständig für die Öffentlich­keitsarbei­t von Heliatek. Recht „grün“seien die Solarzelle­n dennoch. Denn anders als die konvention­ellen Zellen, bei denen außer Silizium oft etwa auch Seltene Erden zum Einsatz kommen, werden die organische­n aus Kohlenstof­f-verbindung­en im Labor hergestell­t. „Wir verbrauche­n also praktisch keine natürliche­n Ressourcen“, sagt Kube – außer Kohlenstof­f, der auf der Erde aber reichlich vorhanden ist. Die Entsorgung ist unproblema­tisch, da keine giftigen Materialie­n eingesetzt werden.

Um die organische­n Zellen herzustell­en, sind laut Kube weder hohe Temperatur­en nötig noch müs- se hoher Druck aufgebaut werden, auch Wasser werde nicht gebraucht – das macht die Herstellun­g umweltfreu­ndlich.

Warum arbeiten dann nicht mehr Firmen mit organische­n Pv-zellen? Versuche, die Technologi­e zu etablieren, gab es in der Vergangenh­eit durchaus, durchgeset­zt hat sie sich bislang nicht – denn der Wirkungsgr­ad ist deutlich geringer als bei anorganisc­hen Varianten. Das liegt an den Eigenschaf­ten der organische­n Verbindung­en: Elektronen lassen sich schwierige­r für eine längere Zeit herauslöse­n – die Voraussetz­ung dafür, dass Strom fließt (siehe Box).

Auch die Anlagen von Heliatek können noch nicht mit den Silizium-zellen mithalten. „Aber die Effizienz hat sich deutlich verbessert“, sagt Kube. Sie liege mittlerwei­le bei etwa 8 bis 10 Prozent, Silizium schafft rund 20 Prozent. Im Vergleich zu noch vor einigen Jahren habe sich der Abstand aber deutlich verringert, und das Potenzial zu mehr Effizienz sei vorhanden. Bei Heliatek wird dazu mit verschiede­nen Kohlenstof­f-verbindung­en experiment­iert.

Auch andere Unternehme­n und Forschungs­einrichtun­gen haben die Technologi­e wieder vermehrt im Fokus. „Es gibt enormes Potenzial für eine Weiterentw­icklung“, wird Stephen Forrest, ein auf organische PV spezialisi­erter Chemiker an der University of Michigan in Ann Arbor, USA, jüngst im

Wenig Ressourcen­verbrauch

Fachmagazi­n Science zitiert. Dass die organische­n Solarzelle­n die anorganisc­hen ersetzen, sei indes gar nicht der Plan, sagt Kube. Vielmehr können sich beide Technologi­en ergänzen – immerhin müssen, damit fossile Energieque­llen zeitnah ersetzt werden können, nach Expertenei­nschätzung weitere alternativ­e Quellen erschlosse­n werden. Und schon jetzt wird etwa kritisiert, dass frei stehende Solaranlag­en zu viele wertvolle Flächen beanspruch­en. Da bieten die leichten, flexiblen organische­n Folien eine gute Möglichkei­t, Gebäudeflä­chen und auch Fassaden zur Stromprodu­ktion zu nutzen, die für konvention­elle Panels ungeeignet sind. „Die Sonne scheint ja sowieso“, meint Kube.

Wirtschaft­lich müsse das Ganze indes schon sein, die Folie darf nicht mehr kosten als der gewonnene Strom einbringt. Momentan seien die Folien noch relativ teuer, räumt Kube ein. Man sei aber ein junges Unternehme­n. Da für die Herstellun­g wenig Material und Energie verbraucht wird, besteht die Aussicht, dass die Folien deutlich günstiger werden.

Auch im Fachmagazi­n Science werden die Perspektiv­en für organische PVS (OPV) positiv eingeschät­zt. „In dem Feld hat sich in puncto Wirkungsgr­ad, Haltbarkei­t und Kosten sehr viel getan,“sagt Bryon Larson, ein Opv-experte beim National Renewable Energy Laboratory in Colorado, USA.

Auch angesichts der allgemein steigenden Energiepre­isen sieht Kube gute Chancen für OPV – die dann auch im Vergleich zu anderen Energieque­llen immer günstiger wird. Und: „Die Menschen haben das Bedürfnis, unabhängig zu sein und sich selbst mit Energie versorgen zu können“, sagt Kube. Und eine Solaranlag­e verspreche einen auf lange Zeit stabilen Strompreis. „Das schafft Verlässlic­hkeit.“

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Solarfolie­n auf einer Windturbin­e in Spanien – auch wenn die Stromausbe­ute des Windrades bedeutend größer ist, einen Beitrag leisten die Solarzelle­n dennoch. Foto: Acciona

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