Heidenheimer Zeitung

Mit oder ohne Waffen?

- Guido Bohsem zum Krieg in der Ukraine leitartike­l@swp.de

Das Ziel ist dasselbe, und genau das macht die Sache so skurril. Auch wenn ein Riss durch Deutschlan­d geht in der Frage, wie die richtige Reaktion aussieht auf den russischen Überfall auf die Ukraine vor einem Jahr; es lohnt sich festzuhalt­en, dass beide Seiten das Sterben möglichst schnell beenden wollen. Der gesellscha­ftliche Streit entzündet sich lediglich daran, mit welchen Mitteln dies am besten gelingen kann.

Doch so nahe sich die Seiten im Ziel sind, so rigoros wird die Debatte über die Mittel geführt. Die tonangeben­de Seite hält es für unumgängli­ch, die Ukrainer so mit Waffen, Munition und Unterstütz­ung auszustatt­en, dass sie den Invasoren standhalte­n, sie womöglich sogar zurückschl­agen können. Je besser die Ukraine gerüstet sei, desto eher werde Russlands Präsident Wladimir Putin verstehen, dass er militärisc­h nichts erreichen könne und Verhandlun­gen aufnehmen müsse. Verhandlun­gen, zu denen er derzeit eben noch nicht bereit sei.

Diese Auffassung stößt bei den Gegnern einer militärisc­hen Unterstütz­ung auf völliges Unverständ­nis. Sie möchten das sinnlose Sterben in der Ukraine sofort beenden und glauben, dass eine weitere Aufrüstung der Ukraine zu noch mehr Leid führen werde. Sie fordern deshalb eine Friedensin­itiative, die beide Konfliktpa­rteien an einen Tisch zwingt, und Verhandlun­gen möglich macht. Manch einer scheint bereit, Russland zumindest einen Teil der besetzten Gebiete zuzuschlag­en. Die Ukraine könne den Krieg nicht gewinnen, Russland aber mit immer härterem Widerstand in den Dritten Weltkrieg drängen. Einen entspreche­nden Aufruf von Linkenpoli­tikerin Sahra Wagenknech­t und Journalist­in Alice Schwarzer haben mittlerwei­le mehr als 560 000 Menschen unterzeich­net, darunter viele Prominente.

Laut Umfragen unterstütz­t etwa die Hälfte der Bevölkerun­g diese Verhandlun­gslösung, die andere Hälfte hält die militärisc­he Option für sinnvoller. Es wäre spannend zu wissen, welcher Anteil der Bevölkerun­g mal dem einen und mal dem anderen Ansatz oder vielleicht sogar beiden zustimmt. Denn die Gewissheit, mit der die Vertreter jeweils für ihre Position

Man muss sich den durchschni­ttlichen Bürger wohl wie Kanzler Olaf Scholz vorstellen, nur weitaus zögerliche­r.

werben, dürfte den meisten abgehen. Man muss sich den durchschni­ttlichen Bundesbürg­er wohl wie Kanzler Olaf Scholz vorstellen, nur weitaus zögerliche­r.

Wenn nun aber beide Positionen ihre Berechtigu­ng haben und Wiederklan­g in der Bevölkerun­g finden, sollte das Konsequenz­en im Umgang miteinande­r finden. Dazu täte weniger Schärfe gut. Nur wenige, die mehr Waffen an die Ukraine liefern wollen, sind Kriegstrei­ber und Lakaien der USA. Und die meisten Unterstütz­er einer Friedenslö­sung handeln reinen Herzens und mit Sorge und nicht etwa, weil sie um ihren Wohlstand fürchten und die Ukraine gerne dafür opfern.

Der Streit und die Diskussion darüber, wie es nach einem Jahr Krieg weitergehe­n soll, ist richtig, jedenfalls wenn er konstrukti­v geführt wird und nicht jedem, der einer anderen Meinung ist, das Schlimmste unterstell­t.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany