Mit oder ohne Waffen?
Das Ziel ist dasselbe, und genau das macht die Sache so skurril. Auch wenn ein Riss durch Deutschland geht in der Frage, wie die richtige Reaktion aussieht auf den russischen Überfall auf die Ukraine vor einem Jahr; es lohnt sich festzuhalten, dass beide Seiten das Sterben möglichst schnell beenden wollen. Der gesellschaftliche Streit entzündet sich lediglich daran, mit welchen Mitteln dies am besten gelingen kann.
Doch so nahe sich die Seiten im Ziel sind, so rigoros wird die Debatte über die Mittel geführt. Die tonangebende Seite hält es für unumgänglich, die Ukrainer so mit Waffen, Munition und Unterstützung auszustatten, dass sie den Invasoren standhalten, sie womöglich sogar zurückschlagen können. Je besser die Ukraine gerüstet sei, desto eher werde Russlands Präsident Wladimir Putin verstehen, dass er militärisch nichts erreichen könne und Verhandlungen aufnehmen müsse. Verhandlungen, zu denen er derzeit eben noch nicht bereit sei.
Diese Auffassung stößt bei den Gegnern einer militärischen Unterstützung auf völliges Unverständnis. Sie möchten das sinnlose Sterben in der Ukraine sofort beenden und glauben, dass eine weitere Aufrüstung der Ukraine zu noch mehr Leid führen werde. Sie fordern deshalb eine Friedensinitiative, die beide Konfliktparteien an einen Tisch zwingt, und Verhandlungen möglich macht. Manch einer scheint bereit, Russland zumindest einen Teil der besetzten Gebiete zuzuschlagen. Die Ukraine könne den Krieg nicht gewinnen, Russland aber mit immer härterem Widerstand in den Dritten Weltkrieg drängen. Einen entsprechenden Aufruf von Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht und Journalistin Alice Schwarzer haben mittlerweile mehr als 560 000 Menschen unterzeichnet, darunter viele Prominente.
Laut Umfragen unterstützt etwa die Hälfte der Bevölkerung diese Verhandlungslösung, die andere Hälfte hält die militärische Option für sinnvoller. Es wäre spannend zu wissen, welcher Anteil der Bevölkerung mal dem einen und mal dem anderen Ansatz oder vielleicht sogar beiden zustimmt. Denn die Gewissheit, mit der die Vertreter jeweils für ihre Position
Man muss sich den durchschnittlichen Bürger wohl wie Kanzler Olaf Scholz vorstellen, nur weitaus zögerlicher.
werben, dürfte den meisten abgehen. Man muss sich den durchschnittlichen Bundesbürger wohl wie Kanzler Olaf Scholz vorstellen, nur weitaus zögerlicher.
Wenn nun aber beide Positionen ihre Berechtigung haben und Wiederklang in der Bevölkerung finden, sollte das Konsequenzen im Umgang miteinander finden. Dazu täte weniger Schärfe gut. Nur wenige, die mehr Waffen an die Ukraine liefern wollen, sind Kriegstreiber und Lakaien der USA. Und die meisten Unterstützer einer Friedenslösung handeln reinen Herzens und mit Sorge und nicht etwa, weil sie um ihren Wohlstand fürchten und die Ukraine gerne dafür opfern.
Der Streit und die Diskussion darüber, wie es nach einem Jahr Krieg weitergehen soll, ist richtig, jedenfalls wenn er konstruktiv geführt wird und nicht jedem, der einer anderen Meinung ist, das Schlimmste unterstellt.