Der Burgfrieden bröckelt
Eine Kommission berät Cem Özdemir beim Umbau der Nutztierhaltung. Vorsitzender Jochen Borchert übt harte Kritik.
Für Cem Özdemir (Grüne) war es ein Herzensanliegen, dass die „Borchert-kommission“ihre Arbeit fortsetzt. Im September konnte der Landwirtschaftsminister vermelden: Das Expertengremium berät die Bundesregierung weiterhin beim Umbau der Nutztierhaltung. Doch jetzt bröckelt der Burgfrieden zwischen Bauern und Umwelt- und Tierschützern, für den die überparteiliche Kommission steht. Der Vorsitzende, der ehemalige Landwirtschaftsminister Jochen Borchert droht, sein Amt niederzulegen.
Die bisherigen Initiativen von Özdemir bezeichnet Borchert als „völlig unzureichend“. Özdemir plant, den Bauern 65 Prozent der laufenden Mehrkosten für höhere Tierwohlstandards zu erstatten. „Das ist viel zu niedrig“, sagt Borchert. Zumal der Anteil noch sinken dürfte, schließlich stehen Verhandlungen um den Bundeshaushalt an. „Da gehe ich doch nicht mit so einem Wert in die Ressortabstimmung“, kritisiert Borchert. Nötig sei eine Förderung
von mindestens 90 Prozent und vor allem: langfristig.
Der 83-jährige Borchert kennt die politischen Prozesse gut, er war für die CDU unter Helmut Kohl fünf Jahre lang Agrarminister, gilt als wichtiger Berater hinter den Kulissen für Özdemir. Es dürfte den Grünen nur bedingt trösten, dass er nicht der Einzige ist, der sein Fett wegbekommt. Die FDP verlasse sich in der Frage, wie mehr Tierwohl finanziert werden könne, immer auf den Markt. „Aber der Markt wird es nicht regeln“.
Mehrheit unterstützt Abgabe
Die Borchert-kommission hatte sich für eine Tierwohlabgabe in Höhe von 39 Cent pro Kilo Fleisch ausgesprochen. Den Betrag haben die Experten, wie eine Umfrage der Uni Hamburg zeigt, gut getroffen: Eine knappe Mehrheit unterstützt die 39 Cent pro Kilo für mehr Tierwohl. Allerdings will Borchert das Ergebnis der Studie nicht überbewerten: „Ich bin da skeptisch, weil nicht kontrolliert wird, wie sich die Teilnehmer dann beim Einkauf tatsächlich verhalten.“
Linus Mattauch, Juniorprofessor für die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen an der TU Berlin, betont: „Verbesserungen in den Haltungsbedingungen sind teuer und von den Zuchtbetrieben nicht ohne spezifische Regulierung zu realisieren.“Das Maßnahmenpaket aus einer Fleischsteuer und der Verwendung der Einnahmen für Verbesserungen der Tierhaltung könne das Höfesterben aufhalten und die wirtschaftliche Situation von Bauern verbessern. So könnte laut Mattauch die Fleischsteuer gar „als notwendiger Teil der Agrarwende zum Gewinnerthema über die politischen Lager hinweg werden“.
Für Borchert kommt es am Ende nicht auf das Wie an, sondern dass die Landwirte mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden. „Die Bauern brauchen langfristige Sicherheit, um zu investieren.“