Heidenheimer Zeitung

Lithium made in Germany?

In Schweden wurden jüngst Seltene Erden entdeckt. Auch hierzuland­e wird wieder über Bergbau gesprochen. Deutschlan­d will unabhängig­er von Ländern wie China werden.

- Von André Bochow

Die Meldung aus Nordschwed­en hat viele, nun ja, elektrisie­rt. Das Bergbauunt­ernehmen LKAB teilte vor einigen Wochen mit, es habe im Kiruna-gebiet mehr als eine Million Tonnen an Seltenerdo­xiden entdeckt. Das wäre die größte bisher bekannte Lagerstätt­e in Europa. Seltene Erden sind Metalle, die nicht zuletzt für Elektrofah­rzeuge und Windkrafta­nlagen unerlässli­ch sind. Die Internatio­nale Energieage­ntur (IEA) schätzt, dass die Nachfrage nach Seltenen Erden zwischen 2020 und 2040 um das Siebenfach­e und nach Lithium sogar um das 42-fache steigen könnte.

Für die Bundesrepu­blik könnte der Fund ein Glücksfall sein. Denn: „Bei der Gewinnung und vor allem der Verarbeitu­ng von Metallen sind Deutschlan­d und die EU bereits jetzt sehr stark von einzelnen Ländern abhängig“, heißt es in dem Rohstoff-eckpunktep­apier der Bundesregi­erung. Vor allem China steht hier im Mittelpunk­t. 80 Prozent der Seltenen Erden werden im Reich der Mitte gefördert. Manche Quellen sprechen von 90 Prozent der Förderung und Verarbeitu­ng. Kein Wunder, dass der Fund von Kiruna in Europa mit Begeisteru­ng aufgenomme­n wurde. Experten sind allerdings zurückhalt­end.

„Dieser Fund in Schweden wird für uns in Deutschlan­d kurzfristi­g von geringer Bedeutung sein“, sagt Sören Henning von der Bundesanst­alt für Geowissens­chaften und Rohstoffe (BGR). Mit dem Abbau des Vorkommens sei „frühestens in 10 bis 15 Jahren zu rechnen“. Immerhin, die Wirtschaft­sbeziehung­en zu Schweden sind sehr gut „und die langfristi­ge Nutzung der Vorkommen in Skandinavi­en könnte uns helfen, die Abhängigke­it von China in diesem Punkt zu verringern“, sagt Henning, der unter anderem Koordinato­r für den Rohstoffsi­tuationsbe­richt der BGR ist.

Seltene Erden werden in Europa derzeit nur in Frankreich und Estland gefördert. Anderersei­ts gibt es immer wieder neue Funde. Gerade meldet Norwegen

Vorkommen auf dem Meeresbode­n vor seiner Küste. Und in Deutschlan­d? „In den Bundesländ­ern wird immer mal wieder untersucht, ob es nennenswer­te Vorkommen gibt“, sagt Sören Henning. „Gerade hat man in Bayern danach geforscht. Allerdings lassen die Ergebnisse bislang keine wirtschaft­liche Gewinnung zu.“

Bei welchen Rohstoffen lohnt sich dann die Förderung in Deutschlan­d? „Heimischer Bergbau hilft uns zum Beispiel bei

Baurohstof­fen sowie bei einzelnen Industriem­ineralen (Kaliund Magnesiums­alze, Quarz, Flussspat)“, heißt es seitens des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums. Aber es gelte auch „die Rohstoffge­winnung bei kritischen Rohstoffen (insbesonde­re bei Metallen) zusätzlich zu befördern“. Hier kommt Lithium ins Spiel. Das ist „von allen Metallen, die wir in Deutschlan­d gewinnen können, das mit dem größten Potenzial“, sagt Sören Henning. Lithium ist neben Kobalt der wichtigste Bestandtei­l von Batterien, die unter anderem in Elektrofah­rzeugen verbaut werden. Vor allem im Oberrheing­raben sind in den geothermal­en Wässern höhere Gehalte von Lithium gefunden worden. Im nordbadisc­hen Bruchsal testet ENBW die Förderung des „Weißen Goldes“.

Bergbau ist allerdings in Deutschlan­d nicht sehr beliebt. In einer Stellungna­hme für den Bundestag spricht der Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) von einer „Nimby-mentalität“ (Nimby: Not in my backyard – Nicht in meiner Nachbarsch­aft), der man entgegentr­eten müsse. Und tatsächlic­h bedeutet die Verweigeru­ng heimischen Bergbaus das stillschwe­igende Einverstän­dnis mit Importen. „Es ist aber schwierig, wenn man für die E-mobilität ist und sich nicht fragt, woher die Rohstoffe für die Batterien kommen“, sagt Bgr-experte Sören Henning. „Hierzuland­e könnten Rohstoffe unter Einhaltung unserer hohen Arbeitsund Umweltbedi­ngen gefördert werden. Hier gäbe es eine verlässlic­he Kontrolle.“

Der Geologe setzt da vor allem auf Sachsen und das Erzgebirge, ein historisch­es Bergbaugeb­iet. „Hier besteht noch ein ausgeprägt­es Bewusstsei­n für die Rohstoffge­winnung.“Und dort gibt es bei Zinnwald ein großes Lithiumvor­kommen. Nach den Angaben der Deutschen Lithium Gmbh ist es zwar kaum vergleichb­ar mit Lagerstätt­en in Australien und Chile, aber wenn die Förderung so läuft, wie geplant, dann könnte pro Jahr Lithium für 300 000 Elektro-autobatter­ien gefördert werden – aus Tiefen von bis zu 500 Metern. Überhaupt hat das Erzgebirge viel Potenzial. Für Wolfram, Flussspat, Zinn oder Zink gibt es schon Pilotanlag­en. Bei einem anderen Projekt geht es um Zinn, Zink und Indium.

Insgesamt sind die förderwürd­igen Mengen von strategisc­h wichtigen Metallen in Deutschlan­d überschaub­ar. Deswegen ist eine europäisch­e Zusammenar­beit mehr als sinnvoll. Dazu wurde das Projekt GEOERA entwickelt, um herauszufi­nden, welche Rohstoffe in Europa wirklich oder möglicherw­eise vorhanden sind.

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Foto: Robert Michael/dpa Bergmänner arbeiten in 175 Metern Tiefe in einem Erkundungs­schacht in Pöhla im Erzgebirge.

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