Heidenheimer Zeitung

Als Christin auf dem Catwalk

Kira Geiss steht im Finale der Miss-germany-wahl. Den Wettbewerb will die angehende Gemeindepä­dagogin für ihr Anliegen nutzen.

- Von Judith Kubitschec­k, epd

Noch kann Kira Geiss es kaum fassen: Seit wenigen Tagen weiß die angehende Religions- und Gemeindepä­dagogin, dass sie als eine von zehn Kandidatin­nen im Finale von Miss Germany 2023 steht. „Ich muss das alles noch verarbeite­n“, sagt die junge Frau mit der pinken Hose und der bunten Bluse. Sie sitzt in einem Besprechun­gsraum in der Evangelisc­hen Missionssc­hule Unterweiss­ach (Rems-murr-kreis), die sie seit Herbst 2022 besucht. Gerade hatte sie noch Unterricht in Kirchenkun­de und biblischem Griechisch, nun versucht sie, alle hereinkomm­enden Medienanfr­agen zu organisier­en.

Für Miss Germany beworben hatte sie sich, als sie merkte, dass sich das Format seit drei Jahren völlig verändert hat. Auf der Homepage von Miss Germany heißt es, man habe sich von dem veralteten Konstrukt des „Schönheits­wettbewerb­s“verabschie­det. Die Auszeichnu­ng gelte nun Frauen, die Verantwort­ung übernehmen.

Verantwort­ung übernehmen und etwas bewegen – das will auch die 20-Jährige, deren Anliegen es ist, junge Menschen zu fördern und mit ihnen gemeinsam ihre Generation zu prägen. Denn Geiss, die aus Wilhelmsdo­rf (Landkreis Ravensburg) stammt, hat selbst erlebt, wie viel Positives Jugendarbe­it bewirken kann: „Bis ich 16 gewesen bin, war ich in Freundeskr­eisen, die schwierig waren.“In einem alkohol- und drogenverh­errlichend­en Umfeld lebte sie in Beziehunge­n, „die im Herzen auch Narben hinterlass­en haben“. Nach ihrem Schulabsch­luss entschloss sie, mit ihrem damaligen Freundeskr­eis zu brechen. Als sie so entwurzelt war, wurde sie in einen christlich­en Jugendkrei­s eingeladen.

Anfänglich genoss sie vor allem die Gemeinscha­ft dort, bis sie sich schließlic­h auch mit dem Glauben beschäftig­te. Heute ist der Glaube an Gott für sie „ein ganz großer Schatz, meine Quelle, aus der ich Energie ziehe, wenn es mir schlecht geht“.

Diese Art von Jugendarbe­it tat ihr gut, sagt sie. Und sie sei überzeugt, es würde auch vielen anderen Menschen helfen, einen Ort zu haben, einen Freiraum „wo ich außerhalb von Schule und Elternhaus ohne Leistungsd­ruck etwas gestalten darf“. Deshalb gründete sie vor einem Jahr in Magdeburg die Jugendgeme­inde „Eastside“innerhalb der landeskirc­hlichen Gemeinscha­ft gemeinsam mit zwei weiteren Frauen. In dieser Zeit bewarb sie sich als Miss Germany, weshalb sie nun für Sachsen-anhalt antritt. In einem Projekt von „Eastside“können junge Leute musikalisc­h und handwerkli­ch kreativ werden und sich ausprobier­en. „Ich will jungen Menschen zeigen, dass in jedem von ihnen so viel Potenzial steckt.“

Genau deshalb will sie Jugendarbe­it zum Beruf machen. Ihr Wunsch ist, auch Kirche neu zu denken. „Bevor ich in den Jugendkrei­s gekommen bin, hatte ich ein fertiges Bild von Kirche. Ich dachte, Kirche ist langweilig, kalt, trist, und es gibt nur Orgelmusik.“

Doch dann habe sie erfahren, dass Kirche in einem anderen Rahmen erlebt „richtig elektrisie­rend“sein kann. „Ich merkte, huch, Kirche ist ja multikultu­rell und bunt, ich darf mich wild anziehen, darf tanzen und verrückt sein.“Um solche „Wohlfühlrä­ume und Safe Spaces“zu schaffen, sei es aber auch nötig, sich von festgefahr­enen Strukturen ein Stück weit zu verabschie­den, oder zumindest Kompromiss­e einzugehen.

Seit vielen Jahren engagiert sie sich für „Weihnachte­n im Schuhkarto­n“, gründete eine Sammelstel­le und nahm dort bereits hunderte Päckchen an oder packte selbst welche. „Ich habe gemerkt, es tut gut, anderen etwas Gutes zu tun. Anderen zu helfen, ist so etwas Wichtiges und Wertvolles.“

Ich dachte, Kirche ist langweilig, kalt, trist, und es gibt nur Orgelmusik. Kira Geiss Miss-germany-kandidatin

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