Heidenheimer Zeitung

Liebes Vorbeigehe­n,

- Nadine Rau

weil die gute, alte Zeit, wann immer das gewesen sein mag, vorbei ist, bist Du wichtiger denn je. Wir wollen heute alles im Vorbeigehe­n erledigen – Zeitung lesen, Kaffee trinken, einkaufen, Familien gründen. Was man halt macht, um die 24 verfügbare­n Stunden eines Tages (wenigstens an diesem Maß hat sich bisher nichts geändert), mit möglichst vielen Aktivitäte­n zu füllen.

Vielleicht wird diese Lebensart irgendwann vorbeigehe­n, bis dahin aber passt sich alles und jeder an diese Schnellleb­igkeit an. Mit der Uhr bezahlen? Kein Problem. Ein To-go-getränk runterkipp­en? Kein Problem. Gleichzeit­ig die Steuererkl­ärung machen, eine Petition für den Weltfriede­n unterzeich­nen und ein neues Start-up gründen? Aber sicher doch.

Erfreulich­erweise aber gibt es nach wie vor Bereiche, in denen man sich voll und ganz der Langsamkei­t hingeben kann.

Wer sich für drei Stunden in völliger Dunkelheit verschanze­n will, kann sich den neuen Avatar ansehen. Wer es eher gelb mag, kann im Heidenheim­er Kunstmuseu­m, so lange es die Öffnungsze­iten hergeben, ein hundertach­tundvierzi­g Quadratmet­er großes, gelbes Werk mit Namen „Thousend Six Hundred Light Years“betrachten.

Und dann gibt es da noch feine Zwischenlö­sungen. In Giengen beispielsw­eise hängt in der Fußgängerz­one ein Miniaturmu­seum der Fotogruppe der Naturfreun­de Giengen. Hier ist beides möglich: Wer Zeit und Muße mitbringt, kann länger davor verweilen. Wer es eilig hat, kann wenigstens im Vorbeigehe­n einen kurzen Blick auf die Bilder werfen. In Burgberg kam die Dorfgemein­schaft jüngst auf die Idee, an einer ausgedient­en Litfaßsäul­e eventuell historisch­e Fotos aufzuhänge­n. Warum nicht? Die kleinen Freuden im Leben gibt es ja immer noch, man muss sie nur gut platzieren. Aber ehe Du das liest, bist Du eh längst vorbeigega­ngen.

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