Liebes Vorbeigehen,
weil die gute, alte Zeit, wann immer das gewesen sein mag, vorbei ist, bist Du wichtiger denn je. Wir wollen heute alles im Vorbeigehen erledigen – Zeitung lesen, Kaffee trinken, einkaufen, Familien gründen. Was man halt macht, um die 24 verfügbaren Stunden eines Tages (wenigstens an diesem Maß hat sich bisher nichts geändert), mit möglichst vielen Aktivitäten zu füllen.
Vielleicht wird diese Lebensart irgendwann vorbeigehen, bis dahin aber passt sich alles und jeder an diese Schnelllebigkeit an. Mit der Uhr bezahlen? Kein Problem. Ein To-go-getränk runterkippen? Kein Problem. Gleichzeitig die Steuererklärung machen, eine Petition für den Weltfrieden unterzeichnen und ein neues Start-up gründen? Aber sicher doch.
Erfreulicherweise aber gibt es nach wie vor Bereiche, in denen man sich voll und ganz der Langsamkeit hingeben kann.
Wer sich für drei Stunden in völliger Dunkelheit verschanzen will, kann sich den neuen Avatar ansehen. Wer es eher gelb mag, kann im Heidenheimer Kunstmuseum, so lange es die Öffnungszeiten hergeben, ein hundertachtundvierzig Quadratmeter großes, gelbes Werk mit Namen „Thousend Six Hundred Light Years“betrachten.
Und dann gibt es da noch feine Zwischenlösungen. In Giengen beispielsweise hängt in der Fußgängerzone ein Miniaturmuseum der Fotogruppe der Naturfreunde Giengen. Hier ist beides möglich: Wer Zeit und Muße mitbringt, kann länger davor verweilen. Wer es eilig hat, kann wenigstens im Vorbeigehen einen kurzen Blick auf die Bilder werfen. In Burgberg kam die Dorfgemeinschaft jüngst auf die Idee, an einer ausgedienten Litfaßsäule eventuell historische Fotos aufzuhängen. Warum nicht? Die kleinen Freuden im Leben gibt es ja immer noch, man muss sie nur gut platzieren. Aber ehe Du das liest, bist Du eh längst vorbeigegangen.