Fulminanter Jazz selbst ohne Bassist
Sängerin Olivia Trummer und ihrem Schlagzeuger Nicola Angelucci gelang als Duo in der DHBW Heidenheim ein formidables Konzert – sogar mit einer Weltpremiere für das Heidenheimer Publikum.
Der Bassist, überraschend erkrankt, muss passen. Die Anreise von Rom über Zürich wird wegen der Streiks auf den Flughäfen zu einem Wettlauf mit der Zeit, und dann „beißt“in Heidenheim auch noch der Flügel beim Soundcheck. Trotz allem: Olivia Trummer (Gesang und Piano) und Nicola Angelucci (‚Schlagzeug) begannen ihr Konzert im alten Gebäude der DHBW zwar unfreiwillig als Duo, aber ganz gelassen mit einem lockeren „All is well“.
Viel musikalische Poesie
Im Jahr 2020, vor Corona, hatte Trummer, die aus Stuttgart stammt, in Italien lebt, klassisches Klavier und Jazzpiano studiert und viel in der musikalischen Welt erfahren hat, schon mal bei Jazz Heidenheim als Solistin gespielt. Vergangenen Freitag nun brachte sie mit Nicola Angelucci den Partner mit, mit dem sie seit 2016 zusammen musiziert und komponiert. Und wieder war der Andrang des Publikums hoch und ebenso groß dessen Beifall.
Es steckt viel Poesie in der Mu
sik von Trummer und ihrem Drummer, viel Leichtigkeit und Freude, aber auch viel Finesse, raffinierte Verschiebungen in Harmonie, Melodie und Metrik. Stupend immer wieder an diesem Abend war das tiefe Verständnis beider Musizierenden.
Nicola Angelucci, dem der Ruf vorausgeht, einer der ganz großen Schlagzeuger in Europa zu sein, war flink und konzentriert mit Besen, Fingern, Drumsticks mit und ohne Filzkappe auf Becken und Fellen unterwegs, baute mit leichten Bewegungen stabile rhythmische Geflechte und trug dabei noch Schlag für Schlag die Melodie mit. Es ist nichts Vorlautes, Vorpreschendes in seinem Spiel, vielmehr streichelte er die Klänge, die vom Piano kamen – und dies immer mit einem Lächeln.
Beifall für Balladen
Die vor einem Jahr entstandene CD „For You“hätte das Trio eigentlich vorstellen wollen, Trummer und Angelucci konnten aber auch auf ein Repertoire von Stücken zurückgreifen, die sie als Duo erarbeitet haben. Von Angelucci stammten an diesem entspannten Abend einige Balladen, die das Publikum zu viel Beifall bewogen. Er schreibe „die schönsten Balladen“, ließ Olivia Trummer wissen, die sich, vielfach ausgezeichnet, als Komponistin selbst nicht zu verstecken braucht. Als Pianistin, Sängerin und Songwriterin agiert Trummer auf sehr hohem Niveau. Deswegen gelingt es ihr auch, musikalisch Räume voll Poesie und Zartheit zu öffnen, deren Emotionalität nicht Zuckerguss ist, sondern aus einem echten Empfinden kommt.
Stimme mit Hang zur Melodie
Olivia Trummer hat eine weiche, warme und schmiegsame Stimme, die auch in hohen Lagen klar ist. Sie scattet, haucht, garniert die Songs auch mit Kieksern und „Brrs“, doch ihre Liebe gilt der Melodie. Und dem Text. Trummer hat etwas zu sagen jenseits geläufiger Phrasen von Liebesleid und Liebesglück. Und sie kann auch davon singen, was man für einen Neustart im Leben braucht, wie man seinen Weg findet.
Obwohl sie nur zu zweit waren, gaben Trummer und Angelucci doch mit einigen Stücken
Einblick in die CD „For You“und spielten dazu noch für das Heidenheimer Publikum als „Weltpremiere“ein Stück aus „Dialogue’s Delight“, das eigentlich erst im April ans Ohr der Öffentlichkeit kommen sollte. Wenn auch Form und Wesen der Ballade beiden Künstlern sehr am Herzen liegen, so nahmen sie die Zuhörerschaft ebenso behände musikalisch mit an die Strände Brasiliens, boten funky Grooves und verschraubte Harmonien nach der Art des Bebop. Und natürlich gab es Standards. Etwa „When I Fall in Love“– mit der linken Hand von Trummer federleicht angespielt.
37 Jahre ist Olivia Trummer jung. Vielleicht gilt dermaleinst auch ein Song von ihr – etwa das beeindruckende „Undress Me“als Standard. Das Können dazu wäre da. Mit „Lil’ Darlin’“von Count Basie brachten Trummer und Angelucci zu zweit eine ganze Big Band auf die Heidenheimer Bühne. Man hörte und staunte.