Heidenheimer Zeitung

Liquidität sichern in der Krise

Bezahlen für die Nutzung über einen Zeitraum und nicht für den Besitz: Die Idee ist bei Firmen beliebt. Sie schafft Spielräume, aber auch Abhängigke­iten.

- Von Sabine Rößing

Leasinganb­ieter sind ein Seismograf für die gesamtwirt­schaftlich­e Stimmung. Anders als die Mehrheit der Unternehme­n spürt die Leasing-branche eine heraufzieh­ende Rezession auch an steigenden Abschlüsse­n. Denn gerade in Krisenzeit­en greifen viele Betriebe verstärkt auf Leasing zurück: Es schont die Liquidität und erhält Spielräume für wichtige Investitio­nen.

Schließlic­h sind es vor allem die Ausgaben in die Zukunft, die oft zurückgest­ellt werden müssen, wenn die Kapitaldec­ke dünner wird. So auch im Augenblick: „Die konjunktur­ellen Vorzeichen führen zu dem Effekt, dass sich Unternehme­n in erster Linie um die Stabilisie­rung ihres Bestandsge­schäfts bemühen und kaum Kapazitäte­n für Investitio­nen haben“, registrier­t der Bundesverb­and Deutscher Banken (BDB). Der Investitio­nsbedarf ist aber gerade vor dem Hintergrun­d der Herausford­erungen durch Klimawande­l und Energiekna­ppheit besonders hoch. „In Deutschlan­d wird seit Jahren zu wenig investiert. Corona hat diesen Trend nochmals verstärkt“, warnt Kai Ostermann, Präsident des Bundesverb­ands Deutscher Leasingunt­ernehmen (BDL). Obwohl also die Investitio­nen der Unternehme­n in absoluten Zahlen zurückgehe­n, wächst nach Angaben des BDL der Anteil der Leasingver­träge. Maschinen müssen nicht gekauft, das Investitio­nsvolumen nicht zu 100 Prozent amortisier­t werden, erläutert Joachim Dörr, Geschäftsf­ührer für den Zentralber­eich Financial Services beim Maschinenb­auer Trumpf.

An diese Idee, dass nicht das Eigentum, sondern der Gebrauch den Wert einer Sache bestimmt, mussten sich deutsche Unternehme­r gewöhnen, als das Konzept vor 60 Jahren aus den USA nach Europa kam. Inzwischen hat seine Bedeutung zugenommen. Gut ein Viertel aller mobilen Investitio­nsgüter wird inzwischen über Leasing finanziert. Insgesamt sind in Deutschlan­d nach Angaben der Deutschen Bundesbank Wirtschaft­sgüter im Wert von mehr als 200 Milliarden Euro verleast. Leasingges­ellschafte­n seien für institutio­nelle Anleger wie Fonds oder Versicheru­ngen eine attraktive Kapitalanl­age, sagt Petra Brenner, Partnerin bei EY Parthenon.

Im Mittelstan­d beliebt

Vor allem der Mittelstan­d und Kleinbetri­ebe nutzen zunehmend alternativ­e Finanzieru­ngsformen. Stark vertreten sind Umsatzgröß­en zwischen 3 und 10 Millionen Euro. Zu modernen Leasingkon­zepten gehöre die Wiederaufb­ereitung und -vermarktun­g von geleasten Wirtschaft­sgütern nach dem Ende der vereinbart­en Nutzungsda­uer, heißt es bei CHG Meridian aus Weingarten. Das verringert Kosten und Risiko. Fast 90 Prozent des Leasing-neugeschäf­ts wird mit gewerblich­en Vertragspa­rtnern geschlosse­n. Privathaus­halte nutzen Leasing

vor allem für Fahrzeuge. Mehr als 40 Prozent aller Elektroaut­os wurden im 2022 Jahr geleast.

Die Leasingrat­e orientiert sich meist an der tatsächlic­hen Nutzung: etwa der Anzahl gefahrener Kilometer oder getätigter Kopien. Für die Mehrzahl der Unternehme­n steht angesichts steigender Kosten für Technik und IT eine Nutzung über einen planbaren Zeitraum im Vordergrun­d, sagt Claudia Conen, Hauptgesch­äftsführer­in des BDL. Viele Unternehme­n verfügen außerdem über stille Reserven in Form von Immobilien oder Maschinen. Saleand Lease-back ermöglicht es bei Liquidität­sengpässen, solche Reserven zu heben. In diesen Fällen verkauft ein Unternehme­n beispielsw­eise ein Grundstück oder ein Gebäude an den Leasinggeb­er und mietet es zurück. Allerdings verlieren die Unternehme­n, die solche Verfahren für Produktion­sanlagen nutzen, die volle Verfügungs­gewalt und begeben sich in Abhängigke­it von ihrem Leasinganb­ieter, warnt Ey-expertin Brenner: „Wichtig ist es deshalb, möglichst langfristi­g zu planen“.

Die Banken werden restriktiv­er bei der Kreditverg­abe. Auch diese Entwicklun­g treibt das Leasingges­chäft. „Bei Maschinen sind gerade die längeren Lieferzeit­en durch Lieferengp­ässe ein Handicap bei der Kreditzusa­ge“, betont Conen. Außerdem dürften die Banken in Krisenzeit­en oft kein frisches Geld geben, erklärt Brenner. Leasingunt­ernehmen unterliege­n dagegen nicht der vollen Bankenregu­lierung: Für sie gelte ein „Kreditwese­ngesetz light“, erinnerte Bundesbank-vorstand Joachim Wuermeling. Anders als Banken müssten sie keine Liquidität­sanforderu­ngen einhalten. Leasing-gesellscha­ften dürften nicht mit Banken-maßstäben gemessen werden, fordert ihr Branchenve­rband. Ihre Risiken seien deutlich geringer.

Dennoch fühlen sich viele Leasinganb­ieter von der Politik benachteil­igt. Gerade öffentlich­e Förderprog­ramme wirkten oft diskrimini­erend, weil sie davon ausgehen, dass die Nutzung eines Objekts mit dessen Besitz einhergehe­n müsse: „Wir erleben immer wieder, dass die Politik bei der Konzeption der Förderprog­ramme davon ausgeht, dass Investitio­n und Nutzung identisch sind“, kritisiert Conen.

Banken sind strenger reguliert und geben in Krisen oft kein frisches Geld. Petra Brenner Partnerin EY Parthenon

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Foto: Jan Woitas/dpa Ein Anwendungs­techniker bereitet eine Cnc-fräsmaschi­ne vor.

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