Schock für die Turnabteilung
Aufgrund von zahlreichen Absagen müssen die Heidenheimer Turnerinnen ihre Drittligamannschaft abmelden. Wie kann der Neuaufbau gelingen?
Das ist schon bitter: Die Hsb-turnabteilung hat aufgrund von extremem Personalmangel ihr Drittligateam zurückgezogen, wird in der Saison 2023 nur mit der bisherigen zweiten Mannschaft unterklassig antreten.
„Obwohl ich die Entscheidung selbst getroffen habe, bin ich immer noch geschockt. Aber es führte einfach kein Weg mehr daran vorbei“, sagt Trainerin und Macherin Judith Schneider, die die Abteilung seit der Jahrtausendwende zu neuen Höhenflügen geführt hatte. Viele Jahre standen die Turnerinnen für Spitzensport innerhalb des Heidenheimer Sportbundes, zählten zu den festen Größen in der 2. Liga und durften sogar kurzzeitig von der Bundesliga träumen.
Topathletinnen nicht ersetzt
Doch Turnkarrieren sind meist eher kurz, und den Heidenheimerinnen gelang es immer schlechter, die ausscheidenden Leistungsträgerinnen aus dem eigenen Stall zu ersetzen. Die Gründe sind vielfältig, um auf Dauer erfolgreich zu turnen, braucht es mehr als nur Talent. So gab es zwar beim HSB in den vergangenen Jahren immer wieder junge Sportlerinnen, die auf Landesoder sogar auf deutscher Ebene geturnt haben – doch kaum eine ist geblieben.
„Ich könnte jetzt Corona vorschieben, aber das ist nur ein Teil. Letztlich weiß ich nicht, warum wir es nicht geschafft haben, eine ganze Generation durch die schwierige Zeit mit der Pubertät zu bringen“, so Judith Schneider. Es zeigt sich, dass Glücksfälle wie Nicole Fritz, Jessica Schiele und Elisa Kuen, die das Team lange Zeit getragen haben, nicht auf den Bäumen wachsen.
Die Probleme deuteten sich schon länger an, konnten zunächst mit Hilfe von außen noch abgemildert werden. 2021 war der Abstieg in die 3. Liga aber nicht mehr zu verhindern, und auch dort befand sich der HSB in der vergangenen Runde aufgrund von zahlreichen Ausfällen nur im Mittelmaß.
Doch nun kam es noch schlimmer: Elisa Kuen gab Ende des vergangenen Jahres ihren Rücktritt bekannt, dadurch mussten die Erwartungen schon gewaltig zurückgeschraubt werden. Dazu hat Elisa Horn studienbedingt keine optimalen Trainingsmöglichkeiten und könnte nicht zuverlässig alle vier Geräte turnen. Dann haben die Turnerinnen aus dem Münchner Raum ihre Zusage für eine komplette Saison zurückgenommen. Lisa Dauth steht nicht mehr zur Verfügung, Tabea Landau wäre maximal für einen Wettkampf im Frühjahr da, Elena Engelhardt ist bis Ende April im Ausland und wird nach einem halben Jahr Pause wieder Anlaufzeit benötigen. Am besten sieht es noch bei Alessa Wirth aus, aber auch sie hätte bei einem der vier Wettkämpfe passen müssten.
Wo startet die „Zweite“?
„Es gab dann die Überlegung, eine Ausländerin zu holen, aber das hätte uns auch nicht gerettet“, erklärt Judith Schneider. Statt sich noch in große Kosten zu stürzen, zogen die Turnerinnen lieber die Reißleine und meldeten ihre erste Mannschaft ab. So fällt nur das Startgeld für dieses Jahr an und die Verpflichtung, Kampfrichter zu stellen.
Aber wie geht es nun weiter? Durch den Rückzug ist der Platz in der 3. Liga weg. Der HSB tritt nun mit der „Zweiten“an, in der neben ganz jungen Turnerinnen auch Elisa Horn, Julie Schlickenrieder und Hedwig Schönborn starten, die bereits Drittliga-erfahrung sammeln konnten. Die Saison beginnt im Mai, in welcher Klasse die Heidenheimerinnen ins Rennen gehen, ist noch nicht ganz geklärt.
„Unser Ziel ist es, eine neue Mannschaft aufzubauen, aber das wird dauern“, erklärt Judith Schneider, die trotz allem weiterhin motiviert ist. Der Ansturm von jungen Sportlerinnen und Sportlern auf die Turnabteilung ist ja groß. So betreuen Schneider, ihre Töchter Annika Krenz und Jule Renner, Ramona Rose und Janina Lang sowie Marcel Niess bei den Jungs rund 150 Kinder und Jugendliche.
Weg in die Regionalliga ist offen
Einen Vorteil gibt es: Da der Übergang von den Ligen des Schwäbischen Turnerbundes zu denen der Deutschen Turnliga offen ist, kann ein Team unabhängig von der Klasse Aufstiegskämpfe zur Regionalliga bestreiten. „Für dieses Jahr kommt das aber definitiv zu früh“, sagt Judith Schneider. Sie hofft auf die Talente der Jahrgänge 2010-14, die in zwei bis drei Jahren so weit sein könnten. Der Trainerin ist aber auch klar, dass Prognosen schwierig sind. „Das Potenzial haben wir sicher, ebenso die Trainerinnen und die Halle. Aber es gehört halt mehr dazu, die Mädchen müssen ihr ganzes Herzblut ins Turnen stecken und auch die Eltern müssen mitziehen.“