An Opfer von Ns-kunstraub erinnern
Im Mittelpunkt stehen die Lebensgeschichten der Sammler, denen die Werke einst gehörten.
Ein neues Multimedia-projekt will an die Opfer des Kunstraubs der Nazis erinnern. „Es erzählt von jüdischen Menschen, die einst das Kulturleben Deutschlands maßgeblich geprägt haben, dann aber von den Nationalsozialisten verfemt, entrechtet, verfolgt, beraubt und ermordet wurden“, teilten die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen als gemeinsame Initiatoren mit. Mit 690 000 Euro fördert die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien das Projekt.
Bei der Auftaktveranstaltung verwies der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland,
Josef Schuster, auf Probleme bei der Restitution, also Rückgabe von Kunst oder Büchern: Angesichts tatsächlicher Rückgaben könne er „nicht unbedingt in Euphorie“verfallen. Schuster erinnerte an die Beratende Kommission. Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände hatten diese 2003 eingerichtet, um bei Differenzen über die Rückgabe verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter zu vermitteln. In 20 Jahren habe es bei der Schiedsstelle bisher in 22 Fällen eine Mediation gegeben, sagte Schuster und sprach von einer „bescheidenen Bilanz“.
Dies sei keine hohe Quote angesichts von schätzungsweise 200 000 gestohlenen Kunstwerken in Deutschland und Österreich in der Ns-zeit sowie 600 000 insgesamt, beklagte Schuster. Insgesamt fehle es für Restitutionsprozesse von Nsraubkunst „an Transparenz und Klarheit“.
Filmisches Denkmal setzen
Im Fokus des neuen Projekts sollen nicht mehr ausschließlich die Werke stehen, die als Ergebnis der Provenienzforschung an ihre rechtmäßigen Eigentümer oder Erben zurückgegeben wurden. Es geht auch um die Lebensgeschichten von Kunstsammlerinnen und Kunstsammlern, denen die Stücke einst gehörten. In Filmen
wollen die Initiatoren gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk und dem Rundfunk Berlin-brandenburg den Menschen ein Denkmal setzen. Geplant ist den Angaben zufolge eine eigene Internetseite zu dem Projekt als „multimediale Mediathek der Erinnerung“.
Diese Mediathek stellt demnach im Frühsommer die ersten fünf Lebensgeschichten vor. Sie würden anhand von Texten, Bildern, Filmen, Karten, Dokumenten und Audioelementen multimedial erzählt und Schritt für Schritt um weitere Lebensgeschichten ergänzt. Bis Ende 2024 sollen es 30 Persönlichkeiten sein. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) betonte, der Kunstraub der Nationalsozialisten müsse „konsequent“aufgearbeitet und die Erinnerung daran allgemein zugänglich gemacht werden.
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, verwies auf die Washingtoner Konferenz vor 25 Jahren zu Kunstwerken, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt worden waren. Ebenso wie die Stiftung hätten viele Einrichtungen in Deutschland Kunstwerke und Bücher zurückgegeben und „faire und gerechte Lösungen im Sinne der Nachkommen“gefunden. Aber: „Wir haben noch viel vor uns.“