Heidenheimer Zeitung

BLEIERNE ZEIT

- Christoph Burgenmeis­ter, evangelisc­her Pfarrer in Königsbron­n.

Der russisch-ukrainisch­e Krieg geht schon über ein Jahr – kein Ende in Sicht. Das Erdbeben in der Türkei und Syrien – die Zahl der Toten steigt. Die höheren Preise spüren wir alle. Da und dort klemmt es, fehlt dies oder das. Auch wenn wir noch satt und sicher leben, es ist eine bleierne Zeit. Die Unbeschwer­theit fehlt.

In früheren Zeiten hatten Ängste und Nöte dazu geführt, dass Menschen mehr nach Gott suchen. Diesmal bleibt dies aus. Haben wir zu lange gut gelebt und zu viele Menschen kennen die wohltuende Erfahrung nicht mehr, in der Not sich im Gebet an Gott wenden zu können? Oder sind wir schon zu lange nur noch mit uns selber beschäftig­t, dass wir uns mit einem Gott als Gegenüber nicht mehr auseinande­rsetzen wollen, der nicht tut, was wir erwarten?

Im evangelisc­hen Gottesdien­st singen wir oft im Stehen am Schluss vor dem Segen dieses alte Lied von Martin Luther:

Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten.

Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine.

Jeder Mensch braucht zwei standhafte Beine, um im Gleichgewi­cht zu sein. Und so brauchen wir auch für unser Leben verlässlic­he Säulen, die uns Stabilität

geben. Solche Standbeine können die Gesundheit sein, ein klarer Verstand, die Partnersch­aft, Freunde, Familie, der Arbeitspla­tz oder ein Hobby oder ein Ort, wo ich Ausgleich finde und zur Ruhe komme.

Manchmal bricht im Leben so ein Standbein weg. Und unsere Seele verliert ihr Gleichgewi­cht. Was kann mir wieder Halt und Zuversicht geben?

Für mich war immer eines der verlässlic­hsten Standbeine in meinem Leben mein Glaube an Gott. Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, sagt Martin Luther. Und das ist auch meine Erfahrung: Ich mache nichts dadurch besser, wenn ich meinen Glauben an Gott wegwerfe.

Ja, manchmal verstehe ich die Wege, die Gott mir zumutet, erst im Nachhinein, und manchmal auch dann nicht. Es erschließt sich mir kein Sinn.

Aber es hilft mir gerade in schwierige­n Zeiten, mich an Gott zu wenden und darauf zu hoffen, dass er mir auch dann hilft und einen Weg weiß, auf dem es weitergeht. Frieden in mir finde ich, wo ich meinen Frieden mit Gott finde.

Diese Erfahrung wünsche ich Ihnen in dieser bleiernen Zeit, dass unser Glaube an Gott ein nicht ersetzbare­s und wohltuende­s Standbein für Ihr Leben ist.

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