Heidenheimer Zeitung

Gespendet, verschifft und verbrannt

Ausgemuste­rte Schuhe und T-shirts für Menschen in ärmeren Ländern kostenlos abzugeben, ist gut gemeint. Doch dieser Textilexpo­rt macht Afrika und anderen Weltregion­en zunehmend Probleme.

- Von Michael Gabel

Viele Länder der Welt werden mit gebrauchte­n Textilien aus Europa geradezu überschwem­mt. Ein großer Teil davon wird verbrannt, wie aus einem am Montag veröffentl­ichten Bericht der Eu-umweltagen­tur EEA hervorgeht. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Warum ist der Export von gebrauchte­n Textilien so problemati­sch?

Vieles von dem, was als angebliche Kleiderspe­nde zum Beispiel nach Afrika geht, wird dort gar nicht benötigt und landet auf Mülldeponi­en. „Mehr als jedes dritte Kleidungss­tück, das nach Kenia exportiert wird, ist eigentlich getarnter Plastikmül­l“, heißt es zum Beispiel in einem Bericht der Organisati­on Changing Markets Foundation, die sich des Problems angenommen hat. In Kenias Hauptstadt Nairobi wird der Plastik-textilmüll oftmals verbrannt, mit negativem Effekt auch auf die vielen Müllsammle­r, die die giftigen Dämpfe einatmen.

Sind ärmere Länder nicht auf Textilspen­den angewiesen?

Manche Gebraucht-textilien sind sicherlich willkommen. Aber von den 900 Millionen gebrauchte­n Kleidungss­tücken, die nach Kenia gelangen, landet Schätzunge­n zufolge nur etwa ein Fünftel auf Second-hand-märkten. Darunter befinden sich auch Kleidungss­tücke wie etwa Skianzüge, deren Wert für die afrikanisc­he Bevölkerun­g zumindest zweifelhaf­t ist.

Extrem negative Auswirkung­en hat der Export von Alt-textilien auf die Bekleidung­sindustrie in ärmeren Ländern. So besaß Ghana Mitte der 1970er Jahre noch eine einigermaß­en florierend­e Textilwirt­schaft, die aber durch den Import von Secondhand-kleidung und billiger chinesisch­er Ware inzwischen fast zum Stillstand gekommen ist.

Welche Mengen an Alt-textilien werden gesammelt und exportiert?

Aus der gesamten EU werden rund zwei Millionen Tonnen an gebrauchte­n Textilien in andere Länder der Welt exportiert. Das sind im Schnitt vier Kilo pro Eubürger und eine Steigerung gegenüber dem Jahr 2000 auf das Dreifache.

Welche Rolle spielt Deutschlan­d bei dem Problem?

Allein in Deutschlan­d werden jedes Jahr ungefähr eine Million Tonnen an Alt-textilien für die Wiederverw­ertung gesammelt. Gründe für den immer weiter wachsenden Altkleider­berg gibt es mehrere: die vergleichs­weise günstigen Kaufpreise, mit denen oft mangelnde Qualität einhergeht, oder auch die ständig wechselnde­n Modetrends. Laut dem Bundesverb­and Sekundärro­hstoffe und Entsorgung liegen in den Schränken der Deutschen rund fünf Milliarden Kleidungss­tücke. Trotzdem kaufen deutsche Verbrauche­r im Schnitt 60 Kleidungss­tücke pro Jahr dazu, Unterwäsch­e und Socken eingerechn­et.

Soll man gebrauchte Kleidung Altkleider-container stecken?

in Das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Zwar wird in den rund

120 000 Altkleider-containern, die in Deutschlan­d aufgestell­t sind, von Schuhen über Hosen bis zu Kleidern und Taschen alles gesammelt. Doch nur etwa fünf Prozent des Materials werden von gemeinnütz­igen Organisati­onen für ihre soziale Arbeit verwendet.

Zudem gibt es eine Reihe von unseriösen Firmen, die Altkleider-container

aufstellen. Verbrauche­r sollten deshalb zumindest darauf achten, dass auf einem Container die Kontaktdat­en und die Festnetznu­mmer der jeweiligen Organisati­on angebracht sind.

der

Organisati­on Clean Up Kenya, Betterman Simidi Musasia, fordert, dass die Kleidungss­tücke in den Herkunftsl­ändern besser sortiert werden – sodass am Ende tatsächlic­h nur noch Bekleidung übrig ist, die auch wirklich getragen werden kann. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) sieht zwei Stellschra­uben, um die Exportflut an Alt-textilien einzudämme­n: Zum einen müsse man „bei Verbrauche­rn das Bewusstsei­n wecken, ein bisschen mehr zu überlegen, was sie einkaufen“. Zum anderen unterstütz­e die Bundesregi­erung die Eu-kommission bei der Vorbereitu­ng eines Eu-lieferkett­engesetzes. Anders als beim bereits geltenden deutschen Lieferkett­engesetz, das die Einhaltung der Menschenre­chte sicherstel­len soll, gibt das geplante Gesetz der Europäisch­en Union auch ökologisch­e Standards vor.

Welche Alternativ­en zum massenhaft­en Export von Gebraucht-textilien gibt es? Der Gründer

 ?? Foto: Christophe Gateau/dpa ?? Eine Mülldeponi­e in Accra, Ghana: Auf dem Gelände befinden sich auch nicht benötigte Alt-textilien aus der EU.
Foto: Christophe Gateau/dpa Eine Mülldeponi­e in Accra, Ghana: Auf dem Gelände befinden sich auch nicht benötigte Alt-textilien aus der EU.

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