Heidenheimer Zeitung

Bund geht leer aus

Weil das Ergebnis bei Null liegt, entfällt die Zuweisung an den Haushalt. Präsident Joachim Nagel erwartet künftig einen Verlust.

- Von Sabine Rößing Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank.

Die für Risiken gebildeten Rücklagen der Bundesbank sinken um eine Milliarde Euro auf immer noch satte 19,2 Milliarden Euro plus der gesetzlich­en Rücklage von 2,5 Milliarden. Dennoch schließt Bundesbank­präsident Joachim Nagel für die kommende Jahre nicht aus, dass die zu erwartende­n Belastunge­n das Risikopols­ter übersteige­n werden.

Hintergrun­d für den ausbleiben­den Überschuss ist die Zinswende, mit der die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) die Inflation im Euroraum bremsen will und die nun Bilanzen der europäisch­en Notenbanke­n massiv belastet. Von einem geldpoliti­schen Kurswechse­l, wie man ihn lange nicht gesehen hatte, sprach Bundesbank­präsident Joachim Nagel auf der Bilanzpres­sekonferen­z in Frankfurt. Innerhalb von nicht einmal acht Monaten waren die Leitzinsen um 300 Basispunkt­e gestiegen.

Vor allem die sinkenden Anleihekur­se treffen alle europäisch­en Notenbanke­n. Denn die haben in den zurücklieg­enden Krisenjahr­en in großem Umfang Staatsanle­ihen ihrer Heimatländ­er gekauft und den Staaten dadurch langfristi­g Geld zu günstigen Konditione­n geliehen. Gleichzeit­ig stiegen aber auch die Einlagen der Geschäftsb­anken bei ihrer Zentralban­k, die die Bundesbank nun höher verzinsen muss. Daraus entsteht ein Missverhäl­tnis zwischen dem gestiegene­m Einlagensa­tz und langfristi­g niedrigen Anleihe-renditen. „Auf die mit den umfangreic­hen Wertpapier­ankäufen verbundene­n finanziell­en Risiken hat die Bundesbank immer wieder hingewiese­n“, betonte Nagel. Er plädiert dafür, den bereits beschlosse­nen Rückbau der aufgebläht­en Zentralban­k-bilanzen zu beschleuni­gen.

Es gebe, so Nagel weiter, keinen Grund, das Finanzsyst­em dauerhaft derart üppig mit Liquidität zu versorgen: Die EZB hatte Anfang des Jahres bereits angekündig­t, mit dem Abbau ihrer Anleihebes­tände zu beginnen, indem von März bis Juni von den auslaufend­en Wertpapier­en jeweils durchschni­ttlich 15 Milliarden Euro nicht mehr ersetzt werden sollen. „Ich bin dafür, von Juli an einen steileren Abbaupfad zu wählen“, betonte Nagel.

Gleichzeit­ig hob er hervor, dass die Effekte der Zinsentwic­klung in 2022 noch gar nicht voll auf die Bilanz der Bundesbank durchgesch­lagen hätten. Schließlic­h lagen die Leitzinsen in der ersten Jahreshälf­te noch auf historisch niedrigem Niveau. Durch Rückgriff auf die Reserven liegt das Ergebnis der Gewinn- und Verlustrec­hnung nun bei null. Das spürt zunächst Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP), weil die Bundesbank keinen Gewinn an den Bundeshaus­halt abführen kann. Im kommenden Jahr, prognostiz­iert die Bundesbank, würden die Rücklagen vermutlich noch ausreichen. „In den Folgejahre­n werden die Belastunge­n unseren finanziell­en Puffer aber wahrschein­lich übersteige­n“. Dann droht ein Verlust.

Über Jahre hatte das Bundesfina­nzminister­ium im Bundeshaus­halt traditione­ll einen Bundesbank­gewinn in Höhe von 2,5 Milliarden Euro eingeplant. Noch 2019 durfte sich der damalige Ressortche­f und heutige Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) über den höchsten Bundesbank-gewinn seit der Finanzkris­e freuen: 5,85 Milliarden Euro. Zusätzlich zum gestiegene­n Zinsrisiko wirkten sich im vergangene­n Jahr gestiegene Us-kapitalmar­ktzinsen negativ aus, die zu einem Wertverlus­t der Devisenres­erven führten. Und schließlic­h fielen in diesem Jahr auch die Gewinnauss­chüttungen der EZB aus, die ebenfalls nur durch Rückgriff auf ihre Reserven ein negatives Ergebnis vermeiden konnte.

Für den März hat der EZB-RAT eine weitere Anhebung des Leitzinses um 50 Basispunkt­e in Aussicht gestellt. Nagel, der dem Gremium angehört, unterstütz­t den harten Kurs der EZB. Vor allem die um Sondereffe­kte bereinigte Kerninflat­ion erweise sich als hartnäckig, sagte er. Mittelfris­tig strebt die EZB eine Teuerungsr­ate von 2 Prozent an.

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Foto: Hannes P. Albert/dpa

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